Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertür?

Ein interresanter Bericht zum Thema Accountsperren gegen Hass im Netz. Dort wird beschrieben, das die Telekomunikationskonzerne die IP-Adressen von Hasspostern herrausgeben sollen. Was nur mit Vorratsdatenspeicherung möglich währe.

Und anscheined ist die GFF diesmal auf der Seite des Überwachungsstaates.
Der Richtervorbehalt ist da nur ein formaljuristisches Feigenblatt, das oft genug schon versagt hat.

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Was genau kritisierst du denn an der Position der GFF bzw. von Ulf, der ja explizit hier als Interviewpartner zur Verfügung stand?

Dass das Internet im Hinblick auf Beleidigung kein straffreier Raum sein soll, darüber herrscht doch weitestgehend Einigkeit. Ich sehe hier die GFF eher auf Seiten der Opfer von Beleidigungen und somit auf Seiten des Rechtsstaates.

Die Frage, wie viel „Überwachung“ im Netz (und auch im Alltag, siehe Debatten über CCTV, Hessendata/Palantir usw.) erlaubt sein soll, gibt es natürlich immer große Diskussionen. Ein Minimum an Funktionsfähigkeit des Rechtstaates muss natürlich auch im Internet hergestellt werden - aber eben ohne verfassungswidrige Dinge wie die Vorratsdatenspeicherung. Gegen jede Form der Rechtsdurchsetzung im Internet zu sein ist aber auch keine Lösung.

Ich habe den Vorwurf so verstanden, dass für die Accountsperren eine Vorratdsatenspeicherung notwendig ist. Ich kann aber nicht beurteilen, ob das tatsächlich der Fall ist bzw. inwieweit die Accountsperren dazu genutzt werden (können), diese zu legitimieren. Hierzu würde ich gerne mehr erfahren.

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Den Zusammenhang verstehe ich nicht.

Also warum sollte eine Vorratsdatenspeicherung notwendig sein, um Accounts zu sperren? Wenn ein Account auf Facebook oder Twitter einen verbalen Amoklauf begeht, benötigt doch kein Mensch eine Vorratsdatenspeicherung, um den betreffenden Account zu sperren. Warum auch? Es geht ja gerade darum, Accounts zu sperren, deren Urheberschaft strafrechtlich nicht oder nur mit unangemessenem Aufwand zu klären ist. Zitat aus dem Beitrag:

Im Prinzip steckt dahinter der Gedanke, dass man statt mit dem Strafrecht - oft ohne Erfolg - gegen die Person hinter dem Account vorzugehen, statt dessen gegen den Account selbst vorgeht. Natürlich kann der unbekannte Accountnutzer dann einen neuen Account erstellen, aber im Bereich Social Media ist die Gefolgschaft des Accounts im Prinzip eine Währung - ein Account-Bann würde daher vor allem gegen Accounts mit einer gewissen Gefolgschaft in Betracht kommen.

Ein anderer Teil des Gesetzes ist die Herausgabepflicht von Nutzerdaten. Die wäre natürlich, da zu den Nutzerdaten die IP gehört, vor allem im Zusammenhang mit einer VDS effektiv, aber der Zusammenhang ist keinesfalls zwingend. In der Regel wird es eher um Fälle gehen, in denen sich der Accountinhaber auch so über E-Mail-Adressen oder sonstige Nutzerdaten identifizieren lässt.

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So sollen laut den BMJ-Eckpunkten künftig explizit Nutzungsdaten wie die IP-Adresse herausgegeben werden müssen - und damit nicht nur die Netzkonzerne, sondern auch Messengerdienste und Telekommunikationsunternehmen in die Pflicht genommen werden - um nachzuvollziehen, wem eine IP-Adresse zugeordnet werden kann. Das soll allerdings nur auf Anordnung eines Gerichts erfolgen. „Auch damit könnte man Verantwortliche nicht in jedem Fall hundertprozentig ermitteln, aber es würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen,“ so HateAid-Juristin Ballon, die ebenfalls auf die abschreckende Wirkung setzt.

Das geht, so weit ich weiß, nur mit VDS.

Nö, das geht auch mit dem aktuell verfolgten „Quick Freeze“ (link zum BMJ), nur halt zeitlich deutlich stärker begrenzt.

Gerade in Bezug auf Social Media Accounts macht das besonders viel Sinn, da man weiß, dass „der Täter an den Tatort zurückkehren wird“. Es kann daher z.B. Twitter verpflichtet werden, beim nächsten Login des einer Straftat verdächtigten Users unmittelbar die IP an die Behörden weiter zu leiten, sodass diese zeitnah einen Quick Freeze beantragen können.

Der Unterschied ist, dass in diesem Fall ein Verdachtsmoment im Raum steht, der eine Speicherung der IP-Person-Verknüpfung rechtfertigt. Kritisiert wird hingegen die anlasslose Vorratsdatenspeicherung, daher die Verpflichtung der Provider, die IP-Person-Verknüpfung aller Nutzer unabhängig vom Verdacht für einen bestimmten Zeitraum zu speichern (und bei Bedarf an die Behörden weiter zu reichen).

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Anscheinend hat man den guten Ulf da vor einen Karren gespannt mit dem er gar nichts zu tun haben wollte:

https://twitter.com/vieuxrenard/status/1646438233025265665

Ich hoffe mal das bedeutet, dass die GFF auch weiterhin gegen die VDS argumentieren wird.

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Hatespeech ist der neue Kinderporno ist der neue internationale Terrorismus.
Wer Schützenhilfe liefert, das Internet abseits der sowieso schon bestehenden Gesetze zu kontrollieren oder Menschen nachverfolgbarer zu machen, der spielt den freidrehenden Überwachungsfanatikern in die Hände, das ist jetzt nicht wirklich eine neue Entwicklung.

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Das ist eine sehr einseitige Sichtweise. Ich kann nachvollziehen, warum man diese Sichtweise als Aktivist verfolgt und welche Befürchtungen mit zunehmender Überwachung verbunden sind, aber dennoch muss man auch sehen, dass Straftaten im Internet in jedem Fall stattfinden (egal ob Kinderpornographie, massives Mobbing, Beleidigungen, Volksverhetzung) und wir in kritische Fahrwasser geraten, wenn wir keine Möglichkeiten haben, diese Straftaten halbwegs effizient zu bekämpfen.

Wie immer geht es hier um Abwägungen und Kompromisse, wie auch im Strafprozessrecht und im Bereich Öffentlicher Sicherheit außerhalb des Internets (dh. der Frage, unter welchen Voraussetzungen Hausdurchsuchungen oder Kameraüberwachung öffentlicher Plätze erlaubt sein sollen). Es geht immer um die Frage, wie viel Freiheit und Anonymität wir als Gesellschaft zu Gunsten von wie viel Sicherheit opfern können und wollen.

Extrempositionen, dh. z.B. die Position, nicht einen Zentimeter Freiheit opfern zu wollen, um z.B. schwere Straftaten verfolgen zu können - oder auf der anderen Seite jede Freiheitseinschränkung mit angeblicher zwingender Notwendigkeit und Übertreibung der Problemlage zu rechtfertigen - sind hier nicht hilfreich.

Dennoch verstehe ich, dass Institutionen, die z.B. klar gegen Überwachung ausgerichtet sind, natürlich eine einseitige Sicht vertreten werden - das ist quasi ihr Job, als Gegengewicht zu Institutionen der Gegenseite (wie Teilen der Union und Polizeigewerkschaften). In einer Diskussion kommen wir mit diesen Extrempositionen aber nicht weiter, weder hier, noch im Bundestag. Letztlich müssen rationale Abwägungen unter Berücksichtigung aller gesellschaftlicher Interessen, daher Freiheit und Sicherheit, gewinnen.

Im Zweifel bin ich durchaus auch für den Vorrang der Freiheit, aber wenn durch verhältnismäßig kleine Freiheitseinschränkungen (z.B. der oben genannte Quick Freeze) schwere Straftaten besser aufgeklärt werden können, ist das in Ordnung. Verhältnismäßig große Freiheitseinschränkungen (wie z.B. die Vorratsdatenspeicherung) sind hingegen grundsätzlich unzulässig, auch wenn damit noch ein paar mehr schwere Straftaten aufgeklärt werden könnten.

Jeder muss hier für sich selbst eine Grenze ziehen, wo diese Linie verläuft, wie viel Einheiten „Freiheit“ im Zweifel für wie viele Einheiten „Sicherheit“ geopfert werden könnten und wo das Minimum an verbleibender Freiheit oder zu erreichender Sicherheit liegt.

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Was die Notwendigkeit der Bekämpfung von Straftaten angeht, bin ich absolut bei dir.
Gäbe es eine groß angelegte Kampagne, um den Justizapparat angemessen mit Personal und das Personal mit Kompetenz auszustatten, um die bestehenden Gesetze durchzusetzen, wäre ich uneingeschränkt dafür.

Wir haben ja durchaus robuste Gesetze um mit Verbrechen umzugehen, das Problem ist eher die Umsetzung, auch der Wille zur Umsetzung (siehe Böhmermann-Aktion oder Umgang des BKA mit Kindermissbrauch).

QuickFreeze klingt ja auch wie eine gute Lösung, leider ist hier das Problem nicht die Lösung selber, sondern dass die offensichtliche Agenda einiger staatlicher Stellen ist, jedes Mal, wenn die Zivilgesellschaft Bereitschaft zeigt den kleinen Finger zu reichen und so etwas zuzulassen, ein Ministerium daherkommt und versucht, den ganzen Arm auszureißen und ihn als Hebel für weitreichende Überwachung zu nutzen. Das ist unschön und schadet im Endeffekt allen, auch weil die Strafverfolgung unnötig gehemmt wird, aber solange es in den entsprechende Ministerien keine Bereitschaft gibt, dauerhaft von Überwachungsplänen abzusehen, sehe ich nicht wie man es rechtfertigen kann, mit denen bei der Einführung neuer Instrumente zu kooperieren.

Was das ganze in meinen Augen auch noch mehr als fragwürdig macht, ist dass eine Gruppe wie HateAid beteiligt ist. Ich habe (letztes Jahr? früher? weiß nicht mehr) ein AmA auf dem /de-Subreddit mit denen gelesen, und da haben bei mir sofort sämtliche Alarmglocken geschellt. Die hatten diesen "Vertrau uns, wir sind ja die Guten "-Vibe, und wo die beteiligt sind habe ich große Zweifel, dass es am Ende bei der Sperrung von strafrechtlich relevanten Inhalten bleibt, und am Ende keine nebulöse „Hassrede“ als Feigenblatt für willkürliche Zensur herhält. Das ist jetzt allerdings eine sehr persönlich Ansicht, und ich kann völlig verstehen wenn man mich für paranoid hält.

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Der ganze Thread liegt einfach nur noch neben der Sache. Schade, dass der Ausgangsbeitrag überhaupt freigegeben wurde.

Das BMJ hat in seinen Eckpunkten zwei unterschiedliche Änderungen angekündigt, nämlich a) Accountsperren und b) erweiterte Speicher- und Auskunftspflichten. a) ist ein Projekt der GFF, b) geht maßgeblich auf die Lobbyarbeit von HateAid zurück.

b), also die Auskunfts- und Speicherpflichten, sehe ich ebenfalls kritisch, das kann allerlei Unheil bedeuten, je nach dem genauen Gesetzentwurf. Außerdem wird das wenig bringen, weil man mit der IP jedenfalls bei Mobilfunkanschlüssen mit Carrier Grade NAT wenig anfangen kann - da teilen sich hunderte Menschen eine IPv4. Das ist vermutlich ein Geschenk an HateAid, die ja vom BMJ mit jährlich einer halben Million Euro alimentiert werden, wird aber vermutlich weitgehend totes Recht bleiben.

Die Accountsperren hingegen sind aus der Datenschutz-Perspektive ganz großartig, weil sie völlig ohne Datenspeicherung auskommen. Das Ziel unserer Initiative ist ja gerade, dass man nicht ständig mehr Daten speichern muss, weil Accountsperren auch gegenüber anonymen Accounts möglich sind. Wer Accountsperren und Vorratsdatenspeicherung in einen Zusammenhang stellt, hat wirklich nichts verstanden. Wenn überhaupt sind Accountsperren ein politisches Mittel, um den Druck für mehr VDS zu senken.

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Da die Unklarheiten jetzt behoben sein dürften (danke!), schlage ich vor, den Thread zu schließen. Mache ich morgen, wenn keine Einwände bestehen.

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Danke für die Klarstellung.
Ich finde es auch schade, dass die Tagesschau in ihrem Ausgangsbeitrag die GFF so seltsam framed. Nehmen wir es einfach mal als Medienkompetenzübung.

Sorry Micha, das ist DEIN Framing. Der Beitrag der Tagesschau ist absolut korrekt. Du hast die beiden Vorschläge durcheinander gebracht und sinnloserweise gegen die GFF geschossen.

Dein Argument mit der Übung in „Medienkompetenz“ lässt mich vermuten, dass du Fefe liest - ein Fehler, weil Felix zwar lustig schreibt, aber seit einiger Zeit sehr schlecht recherchiert, auch zu diesem Thema.