Hallo,
ich möchte das o.g. Thema vorschlagen, weil ich glaube, dass trotz der hohen Medienpräsenz es viele unterbeleuchtete Aspekte gibt. In der letzten „Zeit“ wurde, im Stile des Story-telling-Journalismus mit viel ausgelöstem Mitgefühl und Ungerechtigkeitsempfinden die Sicht von finanziell schwachen Haushalten auf die steigenden Mietpreise beleuchtet.
Mir geht es vor allem um die Folgen der steigenden Haus- und Wohnungs-KAUF-Preise für Eigennutzer. Ich muss zugeben, ich beschäftige mich damit auch, weil es mich betrifft (kleine Kinder, Wohnung zu klein…). Ich habe mal ein paar Fragen/Aspekte gesammelt. Einiges ist vielleicht für studierte Volkswirtschaftler trivial, aber zumindest für mich nicht in allen Konsequenzen.
- Für die meisten Menschen, die sich in ihrem Leben eine Immobilie zum selber Wohnen kaufen, ist dies mit Abstand die größte Investition ihres Lebens.
- Ich wohne in Kiel mit knapp 250k Einwohnern und eher zunehmender Prognose. Die Preise sind in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, etwa 50% seit 2011 (https://www.wohnungsboerse.net/Immobilienpreise/immobilien-Kiel-8179.pdf), da kommt kein Einkommenszuwachs hinterher → die Menschen verschulden sich längerfristig. Was bedeutet das für die Volkswirtschaft? Wofür wird in Zukunft deshalb weniger Geld ausgegeben?
- Wem fehlt dieses Geld? Und was passiert mit dem Geld bei denjenigen, die es beim Hauskauf bekommen haben? Wird es „Produktiv“ genutzt oder liegt es bei ohnehin schon Reichen in einem Aktiendepot?
- Das Ganze ist auch erheblich ein Generationenthema, denn alle diejenigen, die vor >10 Jahren gekauft haben, haben damit ihr Leben lang mehr Geld zur Verfügung, als diejenigen, die jetzt kaufen. Ich habe mal überschlagen, hätte ich vor 10 Jahren gekauft, wäre die Ersparnis vermutlich soviel Wert wie alle Urlaube der nächsten 30 Jahre zusammen. Oder lebenslang nur noch bio essen.
- Oder stimmt das gar nicht, weil man eigentlich sagen müsste, dass die jetzigen Käufer nur halt zu einem realistischen Preis kaufen (den sie irgendwann auch mit Zuwachs bei einem Verkauf zurückbekommen) und nur die früheren Käufer große Schnäppchen gemacht haben?
- Was bedeutet es für eine ganze Volkswirtschaft, wenn Immobilienpreise steigen, d.h. das Gesamt-Vermögen der Menschen damit auch, gleichzeitig aber für die Jetzt-Käufer das, was sie ausgeben können, weniger wird?
- Wird das Volk reicher oder ärmer?
- Es gibt ja auch immer wieder Vergleiche über den Wohlstand im Vergleich zwischen verschiedenen Nationen, was macht das aus?
- Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich weiter, die Aufstiegschancen sinken, weil diejenigen, die früher schon Immobilienbesitz hatten, ohne etwas zu tun reicher werden, während Aufsteiger, z.B. junge Handwerker, kaum mehr Chancen haben, stadtnah ein Haus zu kaufen. Und Chance auf einen derartigen Wertzuwachs vermutlich auch nicht.
- Was macht es mit der Landflucht? Sind die steigenden Preise das natürliche Regulativ, weil das Leben auf dem Land von der Lebensqualität aufgewertet wird (75m² Wohnung in der Stadt vs. 130m² Haus mit Garten auf dem Land bei gleichen Kaufkosten)
- Ab wann ist etwas eigentlich eine Blase? Es scheint ja bislang so zu sein, dass die meisten Käufer relativ „solide“ finanziert haben, also es halt extrem lange dauert, aber aller Voraussicht nach die Schuld abbezahlt werden wird.
- Was macht das mit der Inflation? Warum steigt die gerade nicht wie blöde? Also +50% in 9 Jahren für die größte Anschaffung des Lebens muss sich doch auswirken?
- Was wäre eigentlich ein „angemessener“ Preis? z.B. ausgedrückt in Lebensjahren, bis ein Haus abbezahlt ist? Für das Haus selber könnte man ja noch die Lohnkosten berechnen, aber was ist der angemessene Wert für Boden?
- Oder sind diese Überlegungen eigentlich unsinnig, weil man immer nur die Finanzierungskosten und den Wertzuwachs angucken sollte und nicht die absoluten Summen („Klar klingt das teuer, aber mit 1500€ Tilung inkl. Zinsen habe ich das mit 60 abbezahlt und bei der derzeitigen Entwicklung der Preise auch noch eine fette Rendite eingefahren“).
- Was sagen denn die Experten zu der mittel- und langfristigen Preisentwicklung? Man hört immer öfter „das kann doch so nicht weitergehen“, aber ist das so? Wenn nein, warum nicht? Oder warum kann es das? Was ist von dem „Schweizer Mehrgenerationenhaus“ zu halten, eine Finanzierung, bei der von vornerein klar ist, dass erst die nächste Generation die komplette Tilgung vollzogen haben wird.
- Ist das alles eigentlich nur eine Sache von Angebot und Nachfrage? Man könnte ja denken, sobald die Zahl der Interessenten auch nur minimal höher ist als das Angebot steigen die Preise und sonst fallen sie. Das müsste doch durchaus sehr kleinteilig und kurzfristig. Es wird ein großes Neubaugebiet gebaut, die Nachfragen nehmen ab, die Preise fallen. VS. es wird ein Teslawerk-gebaut, die Nachfrage steigt (für eine begrenzte Zeit!), die Preise ziehen an. Es ist eben nicht ein flexibler Markt wie … Rosen, wo wenn die Preise massiv anstiegen, die Menschen eben keine oder weniger Rosen kaufen würden, sondern jeder muss irgendwo wohnen (und wenn er/sie nicht kauft, wird weiter gemietet und der Druck geht zu denen, die am meisten hierunter leiden und ihre Miete nicht zahlen können).
- Und was sagt eigentlich die SPD zu diesem ganzen Thema? Das ist doch ein ur-sozialdemokratisches Thema!
Gruß Jakob
PS. Kleines Nebenthema ist ja die absurde Logik der Immobilienmakler, die in einem Boom wie jetzt weniger zu tun haben (alles verkauft sich mit geringstem Aufwand) aber trotzdem prozentual verdienen. Wie geht es denen, wenn die