Virtuelle Realität wörtlich genommen: Musks Grokipedia eine Gefahr für die Demokratie

Anknüpfend an die schon im Thread über ‘Streitkultur’ thematisierte Realitätsleugnung rechter Kreise, wird nun einmal mehr deutlich, dass Rechte ihnen unliebsame Fakten ausblenden wollen.

Nun hat Elon Musk eine Art Konkurrenzprodukt zur Wikipedia auf den Markt gebracht. Am Dienstag veröffentlichte seine Firma xAI eine Website mit dem Titel Grokipedia.

Er will dem Wikipedia-Projekt, freies Wissen für alle verfügbar zu machen, „die Propaganda austreiben“, wie er zum Start schrieb. Was er damit meint, kann man auf Grokipedia nachlesen, wenn man den Artikel über Wikipedia aufruft.

Was hier mit „linksgerichteter Tendenz“ gemeint ist, erklärt sich schnell, wenn man die Artikel auf Wikipedia und Grokipedia über den gegenwärtigen Gesundheitsminister der USA vergleicht. Das eine Mal wird erwähnt, dass Robert Kennedy ein Verschwörungstheoretiker ist, der unter anderem an die Gefahren von Chemtrails glaubt, aber die von HIV/Aids leugnet. Das andere Mal taucht das Wort „Verschwörung“ nur auf, wo es um die Ermordung von Kennedys Onkel geht.

Oder man vergleiche die Plattformen zum Begriff „Klimawandelleugnung“: Bei Wikipedia wird genau belegt, wie große Ölunternehmen bereits früh von hauseigenen Wissenschaftlern über die katastrophalen Folgen der fossilen Brennstoffe gewarnt wurden, die Erkenntnisse aber in den Schubladen verschwanden und in groß angelegten Kampagnen das Gegenteil behauptet wurde. Bei Grokipedia findet man das Wort hingegen zunächst nur in Anführungsstrichen, weil es die edle Form der „Klimawandelskepsis“ – wir wissen über den Klimawandel gar nicht so genau Bescheid, und vielleicht wird auch alles gar nicht schlimm, ja vielleicht sogar besser durch die Erderwärmung – in den Dreck ziehe. In den Petro-Autokratien rund um die Welt, von Saudi-Arabien bis Russland, wird man Grokipedia wohl gern lesen.

Mit dieser Plattform schafft der ultrarechte Musk also ein ‘Universum’ alternativer Fakten.

Oberflächlich betrachtet ist das erst mal satiretauglich.

Auf tieferliegender Ebene wird aber klar, dass zu den hochideologisierten rechten Propaganda-Fernsehsendern (Fox News, Newsmax, OAN usw.), entsprechenden Radiosendern (von denen es in den USA Hunderte gibt), (Online-)Zeitungen (New York Post, Drudge Report, Breitbart usf.), Bloggern/Podcastern (von Joe Rogan, Nick Fuentes oder Joe Shapiro bis zu Megachurch-Pastoren, die White Nationalism predigen), Social-Media-Plattformen (wie X oder Truth Social) und KI-Bots (wie Grok) jetzt auch noch eine angebliche Wissensplattform hinzukommt, die die rechte Bubble noch sehr viel mehr nach außen abdichtet.

Laut Studie wollen Liberale Fakten, Konservative ihre Vorurteile verstärkt sehen.

Das ist m. E. im Kern noch sehr viel demokratiegefährdender als die bisherigen Propagandaschleudern.

Denn Grokipedia ist auf internationale Bündelung angelegt, was die Reichweite enorm erhöhen dürfte.

Bislang war die rechtsextreme Metapedia nicht sonderlich erfolgreich. Deren Betreiber werden aber sehr wahrscheinlich auf den neuen Zug aufspringen.

…edit Mod

PS: Mein Transparenzhinweis, dass dieser Beitrag erst nach gut 18 Stunden freigeschaltet wurde und ich mich nicht mehr an der Themendiskussion beteiligen werde, wurde von der Moderation gelöscht (“…edit Mod”).

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Eigentlich ist es nur logisch und konsequent, dass so etwas passiert. Ich sehe auch die Gefahren für die liberale Demokratie, die das birgt. Auf der anderen Seite frage ich mich, ob das wirklich so weitreichende Konsequenzen für die Radikalisierung selbst hat, wie man im ersten Moment denkt. Ich stelle mir die Radikalisierung und zunehmende Entfremdung bestimmter Bevölkerungsteile vor, wie eine Logarithmuskurve (es gibt dafür einen Begriff, er will mir grade nicht einfallen):

Zu Beginn steigt die Kurve noch sehr stark an, mit der Zeit flacht sie ab und irgendwann geht die Steigung gegen Null. Übertragen: ab einem bestimmten Punkt macht es keinen Unterschied mehr, ob es weitere radikale Outlets gibt, weil diejenigen, die ohnehin schon in dieser Blase „gefangen“ sind, sich einfach nur bestärkt fühlen und alle anderen erreicht es einfach nicht. Das Potenzial ist irgendwann erschöpft…

Gibt es zum Beispiel Erkenntnisse, ob die Einführung von „Truth Social“ als Gegenpol zu Facebook einen Effekt auf die Radikalisierung hatte? Ehrlicherweise müsste man ja mittlerweile sagen, dass es aufgrund der entfallenen Kontrollen bei Facebook wahrscheinlich bald keinen Unterschied mehr zwischen den beiden Plattformen gibt.

Jetzt kommt das Problem: das Gute und gleichzeitig das “Schlechte” an liberalen Demokratien ist aus meiner Sicht, dass jeder glauben kann, was er will; natürlich auch objektiv völligen Blödsinn – solange nichts geäußert wird, was klar verboten ist (in Deutschland z.B. die Leugnung des Holocausts). Sind die USA noch eine liberale Demokratie? Ich würde sagen, nein. Das ist insofern problematisch, als dass in Autokratien die Wahrheit „von oben“ bestimmt wird und alles andere zu glauben, verboten wird – es zu äußern führt dann zu existenziellen Konsequenzen.

Bin ich da zu schwarzmalerisch unterwegs, zu glauben, dass es in diese Richtung gehen könnte?