Vertiefung LdN 247: Gleichbehandlung von Erträgen aus Lohn und Vermögen

Auch von mir vielen Dank für das Interview - ich fand frau Sigl-Glöckner auch super kompetent und es war interessant, ihr zuzuhören. Während mich ihre Argumentation zur (wiederkehrenden) Vermögenssteuer aufgrund des Aufwandes relativ gut überzeugt hat, hatte ich auf der anderen Seite das Gefühl, dass sie auf die meisten Gestaltungsfragen nur mit einer Erhöhung des Lohnniveaus zu antworten wusste.

Sehr interessant finde ich dagegen zum Zwecke einer Umverteilung und zum tackling des Rentenloches die angesprochene Einbeziehung sämtlicher Erträge (unterschiedslos, ob aus Vermögen oder Arbeit) in die Sozialversicherungspflicht und die (nicht angesprochene) Gleichbehandlung aller Erträge unter dem aktuellen Lohnsteuersystem. Dass Kapitalerträge etwa nur mit 25% besteuert werden oder auf die Grunderwerbsteuer bei einem Grundstückskauf per Anteilsübernahme an der Eigentümerfirma verzichtet wird, finde ich ein Unding, da das ungemein die Reichen buttert.

Da hier in meinen Augen eine tiefergehende Bewertung hierzu offen blieb - gibt es hier Ökonominnen oder Ökonomen, die sich hierzu bereits eine Meinung gebildet haben und die Vor- und Nachteile eines solchen Systems beurteilen könnten? Bzw. was sind allgemein eure Ideen dazu?

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Die Steuergesetzgebung ist in großen Teilen eine rein politische Fragestellung. Aus Sicht der Volkswirtschaftlehre und politischen Ökonomie würde man vermutlich empfehlen 99% der deutschen Steuergesetzgebung abzuschaffen (so mein Eindruck).
An den Universitäten werden aus gutem Grund nur Modelle mit einigen wenigen Steuer-Parametern gelehrt. Das ermöglicht nicht nur den Studenten (und Ökonomen) nachvollziehbare Handlungsempfehlungen herzuleiten, sondern würde es auch den Bürgern ermöglichen mündige Wahlentscheidungen bzgl. der Steuerpolitik zu treffen. Im aktuellen Zustand hingegen hat sich die Steuerpolitik der demokratischen Grundlage insofern entledigt, als dass eine vollumpfängliche Debatte darüber den übergroßen Teil der Wählerschaft überfordern würde.

Das Gegenstück zum dt. Steuersystem wäre folgendes Minimalkonzept:

  • 1 Steuer zur Deckung des laufenden Staatshaushaltes (z.B. eine Umsatzsteuer von 40%, dafür überhaupt keine Einkommensteuern o.ä. mehr)
  • 1 Steuer zu reinen Umverteilungszwecken um die demokratiegefährdende Hyperakkumulation von Kapital sowie demokratiegefährende Armut zu verhindern (z.B. eine Erbschaftssteuer bei der das 10fache des Durchschnittsvermögens steuerfrei bleibt, der Steuersatz dann progressiv ansteigt und ab dem 100fachen des Durchschnittsvermögens einen Grenzsteuersatz von 100% erreicht)
  • Abgaben um konkrete Externalitätskosten pauschal einzutreiben (z.B. eine CO2-Abgabe pro erzeugter Tonne um die Umweltverschmutzung zu kompensieren und eine KFZ-Abgabe um die verursachten Schäden am Straßenbelag zu kompensieren)

Der Nutzen wäre ein massiver Bürokratieabbau und die mögliche Mitsprache des Wählers bei der Gestaltung des Steuersystems.

Ich (immerhin u.a. studierter Volkswirt) halte dieses Steuersystem zumindest dem Status Quo zu bevorzugen (aus ökonomischen und politischen Gründen). Das Optimum mag etwas komplexer sein.

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Ich nehme an, dass das nur eine grobe Skizze ist, aber ist eine Umsatzsteuer von 40% nicht extrem hoch? Natürlich werden die Personalkosten geriner, wenn die Einkommensteuer wegfällt, insofern passt die Zahl vielleicht, aber könntest du dazu ein paar mehr Gedanken aufschreiben?

Der Wert war an die aktuelle (bzw. prä-Corona) Staatsquote Deutschlands von grob 45% angelehnt. Es sei angemerkt, dass die Staatsquote (d.h. Staatsausgaben geteilt durch BIP) definitionsmäßig auch alle Sozialabgaben umfasst. Diese Lohnnebenkosten müssen also bei meinem beispielhaften Steuersatz als mitabgedeckt verstanden werden.

Sehr interessant! Kann man ja szenarienhaft für viele gesellschaftliche Gruppen durchspielen, was am Ende für jeden herauskommt.

Hohe Einkommen würden einerseits über die Erbschaftssteuer belastet und andererseits über die MWST (höherer Konsum). Spontan denke ich, dass hohe Einkommen besser wegkommen, weil ja Erbschaftssteuer quasi nur einmal im Leben fällig ist und bis dahin kann man lustig Geld ausgeben (minus der 40%). Oder wäre die Erbschaftssteuer nach dem Abschlagsmodell, also z.B. alle 10 Jahre festzustellen und in Raten jährllich zu bezahlen?

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Ich schließe mich Nick_Linden an: der Werdegang von Frau Siegl-Glöckner ist schon interessant, aber ihre Argumentationsketten waren mir einfach zu „dünn“ und inhaltsleer: sie blieb in ihrer Argumentation fast immer an der Oberfläche. Die Ideen hat man schon zu oft gehört, aber sie wurde einfach nicht konkret genug.
Ja es kann eine charmante Idee sein, anstelle der Vermögensbesteuerung eine Erbschaftsbesteuerung in die Diskussion zu bringen, aber wie ganz konkret?
Ich habe bei der Besteuerung von Vermögen meine grundsätzlichen Bedenken: bei Aktien oder ähnlichem „teilbaren“ Vermögen mag das noch umsetzbar sein, aber wenn man an ein inhabergeführtes mittelständisches Unternehmen denkt, würde das letztendlich zur Vernichtung von Produktivvermögen führen. Wenn nämlich zur Tilgung der Steuerlast (egal ob Vermögens- oder Erbschaftssteuer) das Unternehmen als Ganzes zwangsweise veräußert werden muss. Ich kenne auch die Idee „Der Linken“, die Steuerschuld zu strecken: aber was macht man bei einem Konjunktureinbruch, wenn der nötige „Gewinn“ einfach nicht mehr da ist?
Die Besteuerung von Einkünften ist nicht deshalb schlecht, bloß weil sie in anderen Ländern nicht so intensiv erfolgt. Vielleicht muss man aber darüber nachdenken, diese zu erweitern: Warum werden Kapitaleinkünfte nur mit 25% besteuert? Warum müssen natürliche Personen auf Kapitaleinkünfte nicht auch Sozialversicherungsabgaben entrichten? Warum nicht auch den Spitzensteuersatz erhöhen und nach oben verschieben? … Besteuern wir doch die Einkommensmillionäre viel mehr und schließen endlich mal viele Steuerschlupflöcher. Die Werkzeuge haben wir in der Hand, sie müssen nicht erst neu erfunden und ausdefiniert werden.
Ich weiß, meine Argumentation ist nicht wissenschaftlich und sicherlich politisch auch noch nicht zu Ende gedacht …

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Für hohe Arbeitseinkommen wäre das so, für hohe Kapitaleinkommen vermutlich nicht.

Ich würde aus zwei Gründen eine (einmalige) Erbschaftssteuer jeder Art von Vermögenssteuer bevorzugen:

  • Kosten: deutlich geringerer bürokratischer Aufwand für Finanzamt und Privathaushalte
  • Eigentumsrecht: bei einer Vermögenssteuer wird jemandem aktiv (bereits versteuertes) Vermögen abgenommen (was legitim sein kann, aber wobei immer ein verfassungsrechtliche Dimension in den Streit eingebracht werden kann). Im Gegensatz dazu liegt das Vermögen des Erblassers nach Ableben erstmal „auf der grünen Wiese“. Niemandens Eigentumsrechte werden berührt. Viel mehr geht es um die Aufteilung dieser „unplanmäßigen Sondereinnahme“ zwischen der Gesellschaft und den Nachfahren des Erblassers (wobei auch hier die Vermeidung von unnötiger Bürokratie – z.B. die Kinder übernehmen einfach Haus und Möbel und der Staat wird nicht zum Immobilienmarkler und Trödelhändler – hier das vorrangige Ziel sein sollte).
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Wieso führt das zur Vernichtung von Produktivvermögen? Du beschreibst ja nur einen Eigentümerwechsel. Und es gibt für mich keinen Grund anzunehmen, warum ein Erbe zwangsläufig den Betrieb besser führen wird, als jemand der dafür Geld in die Hand nimmt den Betrieb führen zu dürfen.

Falsche Aussage, die aber sehr häufig in Diskussionen fällt:

Ich dachte auch immer so, bis ich mich beruflich mit dem Steuerrecht dahinter beschäftigen musste. Anteilseigner/innen und Aktionäre/innen zahlen insgesamt einen höheren Steuersatz, als Menschen die Arbeitseinkommen versteuern. Warum?

Weil man bei der Betrachtung nicht nur auf den Aktionär, sondern das ganze Konstrukt schauen muss. Wenn Sie eine GmbH besitzen, etwa als Dachdecker, und diese 100.000€ Gewinn macht, passiert folgendes auf dem Weg zum Eigentümer:

  1. Die GmbH zahlt eine Körperschaftssteuer von 15% und eine Gewerbesteuer von etwa 14% auf den Gewinn - in Summe also 29%
  2. Von den übrigen 71.000€ zahlt die GmbH nun alles an den Eigentümer aus.
  3. Der Eigentümer muss erneut die 25% Kapitalertragssteuer zahlen. Ihm bleiben von den 100.000€ also nur noch 53.250€ übrig
  4. Effektiv hat der Eigentümer also 46,75% Steuern bezahlt, während der Spitzensteuersatz für Einkommen nur bei 45% liegt.

Dasselbe System gilt so natürlich auch bei allen Börsennotierten Unternehmen, die Gewinne ausschütten. Deshalb stimmt es meiner meinung nach nicht, dass Kapitalertäge viel geringer versteuert werden als Einkommen - die Besteuerung passiert einfach aufgeteilt auf unterschiedlichen Stufen.

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