Verfassungsklage gg Ausgangssperre? Really?

Die GFF hat Vieles in ihren FAQ erklärt:

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Wie kann es sein, dass andere Länder eine Ausgangssperre einführen können und wir Angst haben vor einem Schaden an unserer Demokratie? Ist Frankreich undemokratisch? Spanien? Kanada? Niederlande? Wie kann es ein, dass man einerseits in jeder Sendung Karl Lauterbach zitiert, sich darüber beschwert, dass die Regierung nicht auf ihn hört und dann eine seiner Kernforderungen angreift?

Ihr redet davon, dass viele Menschen sterben durch falsche Maßnahmen. Wie viele werden sterben, wenn die Ausgangssperre bald nicht mehr möglich ist? Wie viele Menschen werden in die Arme der Verschwörer und AfD getrieben, wenn jetzt schon wieder ein Gesetz zurückgenommen werden muss? Wie wahrscheinlich ist es, dass die ohne jede Frage inkompetente Regierung, nochmal einen Vorstoß wagen wird? Im Wahlkampf, in dem jeder Fehler sofort medial aufgebauscht werden wird?

Laut Studien sind 13% weniger Ansteckungen zu erwarten. Das ist nicht viel, aber dafür, dass man um diese Uhrzeit mit geschlossenen Läden, Bars und Gastro ohnehin keinen Grund hat vor die Tür zu gehen und wenn (Joggen, Hund, alleine spazieren) man genügend Freiheiten hat, dafür ist es ein winziger Einschnitt in die persönliche Freiheit. Ein Einschnitt mit dem Menschenleben gerettet worden wären.

Ich finde das sehr bedauerlich und die Argumentation zu diesem Schritt ist nicht nachvollziehbar.

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Gibt es da eine Zahl, mit der das belegt werden kann? Wenn ich mir Frankreich so ansehe, stehen die Coronatechnisch schlechter da als Deutschland, trotz der wesentlich höheren Einschränkungen und Kontrollen. Sie haben fast doppelt so viele neue Fälle als Deutschland, bei 20 Mio Einwohnern weniger.

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Da vermischst du etwas. In Verbindung mit anderen wirksamen Maßnahmen wird die AB als letztes Mittel von den beiden ja befürwortet.

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Weil es in diesen Ländern eventuell rechtlich sauber umgesetzt wurde? Weil es nach deren demokratisch festgelegten Regeln möglich ist so hart einzugreifen. Bei uns geht es eben nun mal wahrscheinlich nicht in der jetzigen Form. Wenn das Gericht zu der Bewertung kommt, dann ist es auch notwendig, dass der Fehler der Regierung korrigiert wird.

Das widerspricht sich auch nicht. Man kann Ausgangsbeschränkungen fordern, nur eben dann auch, dass sie sauber umgesetzt werden. Nur weil die Regierung, trotz erheblicher Zweifel der eigenen Expertinnen, meint es so zu machen ist es nicht legitim.

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Ich glaube, bevor dieses Argument zählt, dass die Ausgangsbeschränkung Menschen tötet, wenn sie nicht kommt, ist wirkungslos vor dem Hintergrund, dass die anderen, wirksameren Einschränkungen nicht erlassen wurden. Und auch Karl Lauterbach fordert ja nicht einfach eine Ausgangsbeschränkung. Seine Vorschläge wie man die Pandemie in den Begriff bekommt sind ja deutlich umfassender, und beschränken sich nicht nur auf diese eine Sache.
Diese Zahl der Studie ist nicht so wirklich das, was es scheint. All diese Studien differenzieren nicht genau genug, um eine wirkliche „Wirksamkeit“ der AB zu bestimmen. Diese Zahl ist also nur, wie mantrahaft jetzt von mir und vielen anderen immer wieder wiederholt, real erreichbar durch umfassende grundlegendere Maßnahmen, momentan im Besonderen im Arbeitsleben.
Der Regierung sollte außerdem sehr viel daran gelegen sein, sich noch einmal zu berappeln, denn ansonsten wird die Union signifikante Rückgänge der Zustimmung auch in den Wahlergebnissen bemerken.

Wenn man die letzten Folgen gehört hat, wurde das aus meiner Sicht deutlich…
Aber warum @vieuxrenard nicht einfach selbst fragen?

Das weiß ich nicht, der Effekt dürfte (in Deutschland) vermutlich aber ganz anders ein. Vorausgesetzt, dass effektive Kontrollen erfolgen und die Menschen sich weitgehend daran halten.
Wer sagt denn, dass die hohen Fallzahlen nicht andere Variablen bzw. Ursachen haben, die wir gar nicht kennen und in die Überlegung einbeziehen? Gerade das wollte ich ja mit meinem Mittelteil aussagen. Das reale Verhalten der Bevölkerung ist halt nur schwer bis unmöglich zu modellieren. Da hilft nur die ex post-Betrachtung.

Andere Verfassung? Grundgesetz? Verhältnismäßigkeit?

Umgekehrt gefragt: Wurden Menschenleben durch eine AB gerettet, die bisher ohnehin nicht in allen Bundesländern existierte? Führt(e) das Nicht-Vorhandensein einer AB gleich zum Tod?

Guter Punkt. Deswegen hätte es in dieser Form nie geändert werden sollen, weil die Einschätzungen im Vorfeld relativ eindeutig waren.

Was ich aus Frankreich weiß - allerdings nur in Form anekdotischer Evidenz - ist dass Menschen sehr umtriebig und kreativ dabei sind, sich „Scheine“ zu besorgen, mit denen sie die AB umgehen können und dass diese auch deshalb so strikt sind, weil das sozusagen von vornherein mit eingepreist wurde. Da wird dann das Sommerhaus in der Bretagne schnell mal zu einer zweiten Produktionsstätte des frisch gegründeten Unternehmens. Die Chancen, an so einen „Schein“ zu kommen, dürften vermutlich stark von Einkommen, Bildungsgrad und sozialem Status abhängen. Zudem dürfte sicher in Banlieus häufiger und strenger kontrolliert werden, als in Nobelvierteln. Aber wie gesagt, das ist alles nur gesundes Halbwissen, nichts überprüfbares.

Ja, aber zu versuchen, sie dann aus einem solchen Grund abzuschießen, während wir gerade eine Pandemie haben, finde ich seltsame Prioritäten. Es ist ja auch nicht so, dass diese Ausgangssperren uns faktisch stark einschränken, wenn wir es drauf anlegen…

Es wäre sehr interessant zu wissen, warum es in anderen Ländern möglich ist, Niederlande seit 4 Monaten z.B., bei uns aber direkt abgeschafft wird. Wäre doch mal ein guter Themenvorschlag.

Umgekehrt gefragt: Wurden Menschenleben durch eine AB gerettet, die bisher ohnehin nicht in allen Bundesländern existierte? Führt(e) das Nicht-Vorhandensein einer AB gleich zum Tod?

Es gibt Studien. Diese kann man natürlich anzweifeln, wie das hier einige machen, weil es eben nicht zur eigenen Argumentation passt. Im Zweifel muss ich mich aber auf Experten verlassen. Lauterbach ist für mich eine seriöse Quelle. Er ist überzeugt von der Wirksamkeit der AB.

Eine Berechnung wie viele Menschen sich nun mehr infizieren, wie viele davon sterben und wie viele Leben würden, wenn wir die AB bestehen lassen, sollte machbar sein. Am Ende wird sich wohl kaum die Lage, FDP oder AfD dafür entschuldigen, dass sie hier unbedingt recht behalten wollten und dafür halt Menschen gestorben sind.

Ich gehe hier nur rein logisch an das Problem. AB in anderen Ländern haben die Zahlen gedrückt. In Hamburg besteht diese seit einem Monat und die Zahlen gehen runter. Wir müssen einfach jedes Mittel nutzen, dass uns zur Verfügung steht. Die Einschränkungen sind marginal. Wer geht denn bitte nach 22 Uhr raus? Zu welchem Zweck außer sich mit anderen Personen zu treffen?

Für mich ist das nicht nachvollziehbar. Auch die Argumentation der Verhältnismäßigkeit. Was soll denn noch passieren? Wie hoch müssen die Zahlen sein? Wie ausgelastet und völlig überarbeitet muss Medizinpersonal noch sein, damit man von Verhältnismäßigkeit sprechen kann?

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Wir müssen jede Möglichkeit nutzen und keine Frage die Regierung verzichtet auf viele sinnvolle Maßnahmen. Wahrscheinlich aus parteitaktischen Gründen.

Aber eine Maßnahme unter dem Etiquette „andere sind besser“ fallenzulassen bringt doch niemandem etwas.

Was passiert, wenn die Verfassungsklage durch kommt? Ist unsere Demokratie damit gestärkt? Bringt das unser Land in einer der größten Krisen seit dem 2. WK. voran?
Oder kann sich die AfD wieder profilieren? Verlieren die Menschen komplett das Vertrauen und zweifeln auch andere Maßnahmen an?

Ich denke, auch wenn es nur 10% weniger Infektionen bringt, sollten wir diese Maßnahme nutzen. Es sind doch nur ein paar Monate. Wenige Monate, in denen man halt nicht…naja was eigentlich? Was macht man um 22 Uhr draußen, wenn man sich mit niemandem treffen darf? Kinos, Gastro, Bars und Restaurants geschlossen sind? Wo wird man eigentlich zusätzlich eingeschränkt?

Ich appelliere noch mal eindringlich - auch wenn ich natürlich weiß, dass die Klage der GFF nur eine von vielen ist - mit einer Klage gegen die Ausgangsbeschränkungen schneidet man sich, als jemand, der von einer Eindämmungsstrategie (aka Nocovid o.ä.) überzeugt ist, ins eigene Fleisch.

Wenn eine Ausgangsperre nur leicht wirkt - aber wirkt, wovon man ausgehen muss, allein schon weil sie das Krisenbewusstsein in der Bevölkerung nachschärft - dann ergibt sich in den kommenden Tagen ein politisches Window of Opportunity für Nachschärfungen in den Bereichen Schule & Beruf.

Wenn die Ausgangssperre hingegen in den kommenden Tagen vom BVerfG gekippt wird, dann ist das Fenster für jegliche Verschärfung zu. Diejenigen, die immer schon Lockern, Öffnen, Durchseuchen wollten, werden sagen „Guck, harte Maßnahmen sind nicht möglich.“ und es wird verkauft werden als „Wir haben’s versucht, leider müssen wir weiter appellieren, weil gesetzliche Maßnahmen wurden uns aus Karlsruhe gekippt.“

Ich weiß es ist unbequem, aber es wird so kommen.
Wir hatten das bei der Osterruhe schon, dass eine Eindämmungsmaßnahme zurückgenommen wurde ohne auch nur den Ansatz eines Ersatzes. Trotz steigender Zahlen.

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Warum haben sie sich dann so viel Arbeit gemacht?

Nein, genau das ist nicht der Fall. Warum sollten keine weiteren/anderen Maßnahmen getroffen werden können, nur weil das BVerfG die AG kippt?
Es geht hier einzig und allein um Verhältnismäßigkeit und die Frage, ob nicht zuerst andere, nicht so stark in die Persönlichkeitsrechte eingreifende Maßnahmen getroffen werden sollten.
Ich verfolge die Debatte zur AG nun schon seit einiger Zeit, auch im Ausland.
Dabei ist es nicht so, dass zahlreiche Studien deren Wirksamkeit ausschließlich befürworten.

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Wenn die AB gekippt wird, wird sich keiner mehr an Schulschließungen, Betriebsschließungen, HomeOffice-Pflicht, harten Lockdown etc. als Forderung rantrauen.

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Die sogenannte Osterruhe ist aber aus völlig anderen Gründen zurückgenommen worden: weil es erstens ein völlig unabgestimmter Schnellschuss war, und zweitens weil die Arbeitgeber massivst rebelliert haben gegen die Vorstellung eines zusätzlichen „Feiertages“.

Und gerade letzteres ist doch exakt das Problem, auf das die Verfassungsbeschwerde aufmerksam macht: im Bereich der Wirtschaft werden die Samthandschuhe ausgepackt, da muss niemand Verfassungsklage erheben - könnte er auch gar nicht, uneingeschränkte Gewinnmaximierung ist kein verfassungsrechtlich geschütztes Gut. Aber im privaten Bereich werden ungeniert grundgesetzlich geschützte Güter angegriffen, um marginale Effekte zu erzielen.

Das muss man der Politik auch als Befürworter weitreichender Maßnahmen links und rechts um die Ohren hauen, auf dass sie daraus lernt (Lernen durch Schmerz funktioniert bekanntlich am besten) und die Samthandschuhe an den effektiver wirkenden Stellen künftig auszieht. Sollte sie das nicht tun und stattdessen absichtlich auf notwendige Maßnahmen verzichten, weil sie - ja was eigentlich, „beleidigt ist“? - dann wäre das voll und ganz der Politik anzulasten und nicht Vertretern der GFF oder sonst einem Akteur, der jetzt eine Verfassungsklage anstrebt. Allerdings ist „beleidigte Leberwurst spielen“ ohnehin nicht gerade eine der üblichen Reaktionen der Politik, wenn man ihr etwas über Karlsruhe aus dem Fingern schießt; da ist es historisch gesehen wahrscheinlicher gewesen, dass sie es in abgewandelter Form nochmal versuchen wird.

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Ja, da bestimmt das Bewusstsein das Sein und um umgekehrt im Ringelpietz…

Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wie man dagegen sein kann, dass das Bundesverfassungsgericht seinen Job macht, nämlich zu überprüfen, ob ein geltendes Gesetz im Einklang mit der Verfassung steht. Die Forderung das zu unterlassen, heißt doch im Kern nichts anderes, als die Verfassung für die Zeit der Pandemie zu suspendieren. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen.

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