USA will Patent für Covid-19 Impfung aussetzen

Hallo, ich glaube dass könnte auch was für die kommende Lage sein und hat mächtig Gewicht:

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Beide von Dir eröffneten Themen gehören eigentlich nach „Themenvorschläge“. So als Merker für das nächste Mal :grin:

Inhaltlich dazu: Der große Witz ist ja, dass sowohl die EU als auch Deutschland dazu eine andere Stellung eingenommen haben und jetzt anfangen „umzufallen“.

Ich kenne den Vorschlag nicht im Detail, aber ich würde wirklich gern wissen, woher (z.B. in der nächsten Pandemie, die gar nicht so unwahrscheinlich ist) der Anreiz kommen sollte, noch nennenswerte Summen in die Entwicklung von Medikamente zu investieren, wenn man befürchten muss, dass jeder Generikahersteller in der Welt dieses Medikament kopieren, produzierend und vermarkten darf. Wenn ein Hersteller davon ausgehen muss, das mit Verweis auf [dieses mal] die Pandemie ihm seine Erfindung weggenommen wird, passiert das, was bei Medikamenten seltener Krankheit passiert: Es gibt sie nicht!

Was oft vergessen wird: Das Geschäftsmodell von Pharmaunternehmen ist ein Hochrisikogeschäft (in diesem Sinne vergleichbar mit z.B. Venture Capital): Die meisten Forschungsprojekte scheitern, das oft sehr viele investierte Geld verpufft ohne jeden Ertrag. Pharmafirmen sind nur deshalb bereit, diese Risiken einzugehen, weil sie an einigen wenigen Projekten so viel mehr verdienen, dass sie die Verluste in den anderen Projekten mehr als ausgleichen und für die Bereitschaft, dies Risiken zu tragen, überproportional „vom Markt vergütet“ werden. Und Pharmafirmen brauchen die sehr hohen Gewinne aus ihren „Blockbuster-Medikamenten“, um Investitionsmittel für ihre sehr teure Forschung zu haben.

BTW, oft liegt die Erfindungshöhe gar nicht im Medikament selbst, sondern in Verfahren der Synthese oder Herstellung.

Patente haben eine sehr wichtige Funktion in einer marktwirtschaft organisierten Wirtschaft. Solange wir kein besseres Wirtschaftssystem finden, das imstande wäre, die unzweifelhaften Schwächen der Marktwirtschaft zu vermeiden und zu vergleichbaren effizienten Ergebnissen bei der Ressourcenallokation zu kommen, brauchen wir diese Absicherung von Gewinnen aus Erfindungen und Innovationen.

Abgesehen davon: Angesichts der ganz offensichtlich extrem komplexen Produktionstechnologie und -verfahren halte ich es für ungeheuerlich schwierig, dass Unternehmen in entwickelnden Länder solche Produktionskapazitäten aufbauen. Letztlich werden es wieder westliche Pharmakonzerne sein, die die Medikamente ihrer Wettbewerber produzieren - wenn sie Glück haben in den betroffenen Ländern.

D.h., mit der Aufhebung von Patenten fügen wir unserem Wirtschaftssystem (v.a. in den forschungsintensiven Branchen, z.B. auch Maschinenbau, Elektronik, Automotive, xTech, …) einen massiven Schaden zu, ohne dass sich daraus ein großer Nutzen ergäbe.

Schneller würde man mehr Impfstoff bekommen, wenn die Staaten alles daran setzten, dass schnell mehr Produktionskapazitäten geschaffen würden. Gern auch durch andere Hersteller in Lizenz. Hier müssen gute Anreize her und - mit Verweis auf von der Pandemie ausgehende, anhaltende Gefahr auch für bereits geimpfte Länder - auch Druck.

Zynisch wird der Sinneswandel der USA vor dem Hintergrund, dass man dort Exporte von Impfstoffe bislang verhindert hat und erst jetzt angekündigt haben, sich an COVAX zu beteiligen.

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Ja, schwierig. Eine große symbolische Geste, die faktisch vielleicht gar nicht viel bringt, aber zukünftige Innovationen gefährdet.

(Leider paywalled)

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Absolut, drängendes Thema! Unmenschlich und unglaublich die Weigerung der EU (vor allem wohl DE und da wiederum die Union), lebensrettende Werkzeuge zurückzuhalten nur um noch gewaltigere Profite der europäischen Firmen zu sichern und den Standort maximal attraktiv zu halten (dass ja kein Investor und keine Firma jemals Angst haben muss vor dem Verlust von Patentschutz).

Dabei wäre alles recht einfach zu regeln, mit angemessenen Entschädigungen, dabei aber den Anteil von staatlicher Finanzierung der Forschung durchaus zu thematisieren und einzurechnen.

Ich verstehe nicht, warum die Patente unbedingt ausgesetzt werden müssen. Würde es nicht ausreichen, dass die Patentinhaber dazu verpflichtet werden, Lizenzen für ihre patentierten Impfstoffe zu verkaufen?

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Nicht nur das - man behielt auch wo immer nötig Vorprodukte für die inländischen Produzenten zurück und sitzt zu alledem noch inzwischen auf einem riesigen und weiter wachsenden Haufen von ungefähr 100 Millionen fertiger Dosen (kann man aus öffentlichen Quellen nachrechnen: ca. 70 Millionen Dosen mRNA/J&J-Impfstoffe und die ungefähr 30 Millionen AstraZeneca die dort produziert worden sind bevor die Produktion zugunsten J&J eingestellt wurde) die sie entweder nicht nutzen können (da AZ keine Freigabe hat) oder die ihre eigene Bevölkerung offenbar nicht will (die US-Impfkurve zeigt seit Wochen steil nach unten, die hohe Zahl Anti-Vaxxer und Impfablehner unter den Republikanern macht sich jetzt knallhart bemerkbar).

Dieser Biden-Vorstoß ist daher im Wesentlichen eine innen- und außenpolitische Marketingaktion. Innenpolitisch, weil viele Senatoren einen solchen Schritt gefordert haben und die linke Seite von Bidens Basis damit beglückt werden kann. Außenpolitisch, weil man so von obigen Fakten, die nicht gerade für ein echtes Interesse an Hilfe sprechen, ablenken kann, ohne die eigene Bevölkerung gegen sich aufzubringen, indem man den America-First-Kurs in Sachen Impfungen tatsächlich endlich verlässt.

Und eine Marketingaktion, weil er effektiv nur heiße Luft ist. Weder ist gesagt, dass diese Initiative überhaupt Erfolg hat - die WTO hat ein Konsensprinzip, es kann also jeder einzelne Teilnehmer blockieren - noch könnte im Falle eines Erfolges tatsächlich auch nur eine einzige Dosis zusätzlichen Impfstoffs hergestellt werden, zumindest, wenn man die hocheffektiven mRNA-Impfstoffe betrachtet. Dort ist die Kapazität durch vorhandene Anlagen, Vorprodukte und nicht zuletzt Know-How in einem völlig neuen Bereich begrenzt. Anschaulich macht das Moderna, die schon im Herbst letzten Jahres öffentlich auf jede Durchsetzung von Patentrechten auf ihren Impfstoff verzichtet haben. Der ist also quasi „freigegeben“, und dennoch ersticken wir nicht gerade in Moderna-Impfstoff und die einzigen Produzenten sind die vom Hersteller beauftragten und in langen Technologietransfers dazu befähigen Subunternehmer. Es geht schlicht nicht ohne Kooperation der Hersteller und die nötigen Vorprodukte, und beides kann nicht durch juristische Winkelzüge wie die Freigabe von Patenten herbeigezwungen werden - sehr wohl aber verhindert werden durch isolationistische Gesetzgebung mit Exportbarrieren, wie sie die USA anwenden.

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was sich jetzt zulasten Indiens und ärmerer Länder auswirkt:

Tatsächlich gibt es wohl mehrere Gründe, warum Indiens Impfkampagne ins Stocken geraten ist. Vor allem dem größten Hersteller, dem Serum Institute of India, mangelt es an Rohmaterial. Die USA hatten einen Exportstopp verhängt, der erst in der letzten Aprilwoche aufgehoben wurde. Außerdem hat sich Indien womöglich lange Zeit zu großzügig gezeigt.

Ja, Zwangslizenzen sind ein Instrument aus demselben Werkzeugkasten. Es kann auch sein, dass konkret diese genutzt werden.

Ich denke auch, es geht um Marketing - und darum, den Russen und Chinesen entgegenzutreten, die sich mit ihren Vakzinen in der Welt gerade beliebt machen wollen.

zwei unsinnige Positionen.
Zum einen der hilflose Glaube der linken man konnte durch staatlichen Eingriff alles regeln. Man fragt sich auch, wie man als linke den Staat als Akteur so hervorheben kann… Hier würde mich mal interessieren, was das Aufheben der des Patentes der HIV Medikamente wirklich gebracht hat. Meines Wissens gilt das ja nur für die frühen HIV Medikamente und zum anderen wäre es interessant zu schauen, welchen Einfluss das auf die Forschung zu Impfungen und Medikamenten gegen HIV wirklich hatte. Schließlich könnte hier auch die mangelnde Kaufkraft der Betroffenen ein größeres Hindernis darstellen als das aufheben der Patente oder andere Formen des Eingriffes. Auch könnte mangelnde staatliche Investition dies entscheidend hemmen. Kennt jemand dazu Studien ?

Zum anderen die Positivierung der Marktlogik über den überdehnten Gebrauch des Innovationsbegriffes. Schließlich ist die Subventionierung und Steuererleichterung, wie auch staatliche finanzierte Forschung das Rückrat der meisten dieser Hochrisikoinvestionen (bzw war es bei vielen deutschen Pharmaunternehmen mal Zwangsarbeit). Man könnte sich ja durchaus Fragen, welche Innovationen hier aus welchen Bedingungen entstehen und sich dann Fragen, wie zentral die Rolle der Unternehmen bei der spezifischen Innovation wirklich ist. Das andere bei dem Argument ist, dass es zwar irgendwie stimmt aber die Logik auf die sich bezogen wird natürlich auch dazu führt dass die Gewinne und damit Preise immer weiter steigen müssen, damit solche Investionen auch getätigt werden. Hinzu kommen Monople etc. da fragt man sich dann schon, wie Zukunftsgewand das wohl ist.

Also: „alle haben Unrecht, freigegeben macht keinen Sinn, Patente auch nicht“?

Das nenne ich eine wohlabgewogene Position. Salomonisch bis dialektisch…

Ist ja nicht so als fände ich Enteignung nicht witzig, wenn es nicht schon wieder Hilflosigkeit linker Positionen aufzeigen würde, deren reflexartige Lösungen eher darauf schließen lassen, dass einem ein Problem aufgefallen ist über das man sonst nur unzufrieden raunt und es dabei belässt sich eine Folge der Anstalt anzuschauen. Allerdings wäre es halt schon interessant zu sehen was dann passiert, dass sich für die Länder des globalen Süden nicht so schnell oder viel verändert geschenkt, aber welche Einflüsse das auf die Industrie hat.

Gerade bezogen auf BT aber wohl auch generell die mrana Impfstoffe, würde das wohl Auswirkungen auf die Krebstherapie haben für die das eigentlich Entwickelt wurde. Das ist doch perfekt für eine Folgenstudie, würde BT weiter forschen/entwickeln obwohl das Patent für den Prozess und damit die Krebstherapie weg wäre?

Aber was bleibt einem Tagespolitisch den anderes übrig als eine Synthese aus den beiden Polen zu bilden? Ich mein der ist Zustand ist aus diversen gründen regulationsbedürftig aber die systemdynamik zu ignorieren ist halt doch etwas seltsam, vor allem wenn man sich dabei auf einen zentralen Akteur dieser Dynamik verlässt.

Ich glaube das einzig sinnvolle und ethisch gebotene Vorgehen wäre, dass die reichen Staaten dafür bezahlen, dass BT und Co… Hersteller in den zu unterstützenden Ländern Lizenzen geben und sie beim Aufbau der Herstellung unterstützen.

Ohne Unterstützung beim Aufbau der Produktion wird eh nichts gehen. Dafür muss aber natürlich bezahlt werden, insbesondere auch, weil die Leute, die das leisten müssen knappe Ressourcen sind, die BT und Co. gerade selbst rund um die Uhr brauchen.

Das heißt aber unterm Strich, dass es eine einvernehmliche Lösung geben muss. Zwangsinstrumente helfen nicht weiter.

Und mal BTW: da werden auch nicht nur abstrakte „Firmen“ oder „Superreiche“ enteignet, sondern auch normale Kleinaktionäre wie ich, die ein bisschen Moderna und Biontech gekauft haben…

Oder wahrscheinlich macht es nur Sinn, mit öffentlichen Geldern weitere eigene Produktionen aufzubauen, sonst fließt das ganze Know How an die Konkurrenz…

Aktienkurse sind irgendwie kein sonderlich überzeugendes Argument - man kann auf eine Pandemie wetten, die Regeln waren aber klar und eine Freigabe eines Patentes um eine globale Pandemie zu bekämpfen stand immer im Raum. Tut mir trotzdem Leid für dich. Zusätzlich dazu würde ich die Aktien auf jeden Fall behalten, denn jetzt sind viele scharf auf die Technologie von mRNA Impfstoffen. Das stand in unserer community immer im Raum, dass das cool wäre und wahrscheinlich für Impfstoffe hervorragend funktioniert. Ganz ehrlich, die Pandemie war ein riesen Marketing Stunt und hat massive Produktionskapazitäten aufgebaut. Zusätzlich dazu hat es einen massiven Profit generiert - für Pfizer allein 4 Mrd Rohgewinn. Die lieben Aktien werden sich bald erholen, spätestens wenn die Gewinne für 2021 bekannt werden. Abgesehen davon:

Das Risiko für die Entwicklung wurde fast vollständig von den Staaten abgefangen, die Forschung für die Entwicklung wurde ebenfalls fast vollständig über öffentliche Gelder finanziert. Es gibt immer eine Entschädigung wenn tatsächlich Patente angegriffen werden.

Eine weitere Sache ist aber noch auffällig: Das Patent wird jetzt ausgesetzt wo alle Staaten die sich diesen massiv teuren mRNA Impfstoff leisten können (mindestens eine Größenordnung verglichen mit AstraZeneca) bereits ihre Dosen gekauft oder reserviert haben. Andere Staaten die sich den Impfstoff nicht leisten können und wenig Profit bringen werden, kriegen nun das generöse Angebot eigene Produktionskapazitäten aufzubauen (vergesst es).

Das stinkt für mich insgesamt nach billigem Populismus weil man bei den Bildern in Indien jetzt doch irgendwann ein schlechtes Gewissen hatte. Das ist zu wenig und zu spät. Ich wäre nicht überrascht wenn die größte Auswirkung dieses Schrittes ein temporärer Riss im Aktienkurs wäre.

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Ich spreche gar nicht vom Aktienkurs. Da bin ich trotz späten Einstiegs noch so deutlich im Plus, dass ich nicht klagen kann. Und ich investiere auch nicht so viel in einen Titel, dass die Kursschwankungen mich ruinieren würden.

Biontech spricht selbst davon, für nicht zahlungsfähige Länder ohne Profit zu produzieren und das unterstütze ich voll.

Mir ging es mehr um den grundsätzlichen Punkt: wenn enteignet werden soll, wird immer so getan, als handele es sich um anonyme Entitäten quasi unbegrenzter wirtschaftlicher Potenz oder superreiche Investoren, denen nichts wehtut.
Aber wenn Indien jetzt die Situation nutzt, um das know how abzugreifen und zukünftige und ethisch unproblematische Gewinne zu schmälern, geht das auf Kosten meiner Rente (plakativ gesprochen) und ich ein ganz normaler Mitmensch und keineswegs superreich…

Das sehe ich auch so. Ich glaube absolut an das Potenzial dieser Technologie und dieser Firma und die Aktie ist vom KGV her spottbillig, d.h. ich werde sogar nachkaufen :wink:

Vielleicht noch ein grundsätzlicher Aspekt: ich investiere nur in Firmen mit einem aus meiner Sicht ethisch vertretbaren bzw. sinnvollen Geschäftsmodell und Produkten und fördere diese damit. Wenn einem bei diesen dann die Rendite genommen wird, weil es ja die Produkte lebensnotwendig sind und daher allen umsonst zukommen sollen, soll ich dann lieber in Waffen und Kohle investieren?