Urteil gegen Klimaaktivisten in Nürnberg

Die Nürnberger Nachrichten melden ein Urteil gegen Aktivisten die sich im Februar 22 auf eine Straße geklebt haben.

Den Artikel finde ich etwas unverständlich formuliert. Mich würde interessieren ob hier der Straftatbestand der Nötigung als erfüllt angesehen wurde oder nicht und ob das Urteil in höheren Instanzen Bestand haben könnte.

Der Artikel macht den Fehler, dass er auf den Kern der juristischen Argumentation eingeht, dabei aber nicht die Leser mitnimmt, denen die Grundkenntnisse fehlen.

Der juristische Streitpunkt ist, dass die Nötigung auch eine sog. Verwerflichkeitsprüfung erfordert. Daher: Nicht jede Drohung mit einem „empfindlichen Übel“ erfüllt automatisch den Tatbestand der Nötigung. Das eingesetzte Mittel (=Festkleben an der Straße und damit auch das Einschränken anderer Verkehrsteilnehmer) muss in für eine Strafbarkeit in einem verwerflichen Verhältnis zum verfolgten Ziel (hier: Protest für mehr Umweltschutzmaßnahmen) stehen.

Ulf hatte im Podcast mal argumentiert, dass keine Verwerflichkeit vorläge, weil die Demonstranten letztlich nur den Gesetzgeber auffordern, sich an geltendes Recht (Einhaltung des 1,5°-Zieles) zu halten und ein solches Eintreten für das Recht nur schwer ein verwerflicher Zweck sein kann bzw. der Zweck das Mittel heiligt.

Das war wohl auch der Schwerpunkt der Verteidigung („Es war keine Nötigung, weil nicht verwerflich“) und deshalb auch das Statement der Richterin bei der Urteilsverkündung („Es war doch Nötigung, weil verwerflich!“). Die Angeklagten wurden daher verurteilt, sind aber wegen der geringen Höhe der Geldstrafe (unter 90 Tagessätze) nicht vorbestraft, daher das Urteil wird nicht im polizeilichen Führungszeugnis aufgeführt (merke: nicht jede Verurteilung führt dazu, vorbestraft zu sein). Das ist wohl der zweite Punkt in dem Artikel, der erklärungsbedürftig ist.

Das Gericht hier sieht es daher anders als Ulf und die Verteidigung, ebenso wie das Landgericht Berlin. Daher: Das Gericht sagt, es ist verwerflich, der Zweck heiligt nicht die Mittel, ein Festkleben in einer Form, dass Verkehrsteilnehmer dadurch genötigt werden, ist daher aus Sicht des Gerichts kein erlaubter Protest. Es häufen sich (leider) die Gerichtsurteile, die das so sehen, aber bis so ein Fall bis zum BGH vordringt werden wir hier keine Rechtssicherheit haben, daher: Ein Gericht kann auch die von Ulf vertretene Position vertreten, es ist eine typische offene Rechtsfrage, die einer höchstrichterlichen Klärung bedarf. Mal schauen, ob und falls ja wann der erste Fall am BGH ankommt - wir können aber davon ausgehen, dass das noch ein paar Jahre dauern wird… die Mühlen der Justiz mahlen halt leider wirklich sehr langsam…

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Recht schönen Dank für die Erklärung

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