Ich hätte es auch für sinnvoller gehalten, dass Dieselprivileg allgemein zu stornieren und nur noch die Bauern zu subventionieren, die produzieren schließlich Lebensmittel, die eben jedes braucht.
Zunächst: Versteh mich nicht falsch, ich honoriere deinen Einsatz in der Sache und finde diese Diskussion hier großartig, auch wenn wir vielfach unterschiedlicher Meinung sind! Insbesondere, da du tatsächlich trotz deutlich stärkerer Betroffenheit in der Angelegenheit sehr sachlich bleibst.
Puh, also so ne Maut wäre ja gleich mehrere Kategorien mehr Bürokratie und technischer Aufwand (Blackbox im Trecker) als es die KFZ-Steuer für Landmaschinen gewesen wäre. Und über die Bürokratie dafür wurde sich schon beschwert - und das kann ich sogar als Argument nachvollziehen.
Der LKW zahlt 1. KFZ-Steuer, und 2. fährt er die allermeiste Zeit auf Autobahnen, wofür er gesondert Maut bezahlt. Die Autobahnfahrt ist also quasi vergleichbar mit der Treckerfahrt auf eigenem Grund - schon separat für jede Nutzung eigens abgegolten, das zählt daher nicht als Nutzung der allgemeinen Straßen-Infrastruktur. Wenn überhaupt, könnte also auf dieser Basis nun der LKW-Eigner ebenfalls die KFZ-Steuerbefreiung und den „LKW-Dieselpreis“ fordern, wegen der Gerechtigkeit mit den Landwirten: „mein LKW fährt auch nur 20% der Zeit auf Land- und Bundesstraßen!“.
Oder man lässt das einfach alles sein, jeder zahlt denselben Spritpreis, und jeder zahlt KFZ-Steuer.
Part 2 mit der erwünschten Erwiderung auf deinen anderen Punkt in einem separaten Posting. Sorry, ist leider lang, aber es ist ne ausführliche Rechnung drin…
Meinst du damit im Speziellen den Vergleich der Dieselpreise im EU-Umfeld von hier?
Rechnen wir mal nach: aktuell sind das 25 Cent pro Liter, da kämen ohne die Steuersubventio etwa 21 dazu, und durch CO2-Abgabe nochmal 4, also wären das dann 50 Cent, auf dem Niveau der Niederlande. Zugegeben, schlechter als der jetzige Platz im Mittelfeld, aber…wie überleben die niederländischen Bauern das? Die haben jetzt schon diese Steuerlast auf ihren Sprit! Irgendwie scheinen die das an ihre Kunden weitergeben zu können, sonst gäb es da keine Bauern mehr. Es gibt dort aber über 50.000 Agrarbetriebe!
Rechnen wir mal anders: nehmen wir an, ich importiere Mehl aus Polen, weil der Agrardiesel da nach der Erhöhung ganze 15 Cent billiger wäre wie in Deutschland (aktuell ist er teurer). Ich mach nen Schnapper und kauf ne ganze Europalette, etwa 800kg. Jetzt lasse ich mir nen Quote geben für den Transport aus Warschau nach Köln: 320€ (war erstes Ergebnis bei nem online Fracht-Makler). Auf die 800 Kilopacks verteilt wären das satte 40 Cent pro Kilo Aufpreis gegenüber dem Kauf beim Müller um die Ecke, der Weizen vom Bauer um die Ecke mahlt und daher ohne großen Transport klarkommt.
Okay, nun nehmen wir an ich skaliere das hoch, ich nehm den ganzen LKW, kriege den Transport von mir aus halbiert auf 20 Cent pro kg. Bin ich immer noch meilenweit entfernt von den 0,2 Cent pro kg Aufpreis, die aus der Steuererhöhung am Ende im Kilo Mehl landen müssten, damit der Bauer seine Mehrkosten durch Sprit kompensiert hat. Diese Zahl hattest du meine ich auch in ihrer ungefähren Größe bestätigt.
Das sind zwei Größenordnungen Unterschied im Impact auf den Endkundenpreis zwischen der Agrardiesel-Verteuerung und dem Transport beim Import! Wenn meine zugegebenermaßen sehr groben Rechnungen nicht massivst daneben liegen, sollte es praktisch unmöglich sein, dass die Agrardiesel-Verteuerung plötzlich einen Import über weitere Strecken rentabler macht, der zuvor nicht rentabel war.
Und das dürfte auch schon der Grund sein, warum in den Niederlanden immer noch Bauern leben. Trotz doppelt so hoher Steuer auf den Sprit wie in Deutschland!
das von Minister Habeck gemachte Gesprächsangebot mit einzelnen Landwirten wurde leider nicht angenommen
Was für ein Boss. Ein Minister aus der Partei mit dem A hätte sich erstmal wegen Knalltraumas ins Krankenhaus bringen lassen (laut Berichten von t-online flogen Feuerwerkskörper).
Es ist sehr wohltuend, in diesem Forum da eine über weite Strecken gute Auseinandersetzung zu lesen. Es wird für uns Demokraten in den nächsten Jahren sehr wichtig, uns dieses Gut zu erhalten - diese Subgruppe der Landwirte (um mal den Generalverdacht wegzunehmen) wird nicht die letzte sein, die auf solche Protestformen zurückgreift.
Aktuell sieht es nicht nach Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten aus, eher auf ein Bestehen des Status Quo von Seiten der Landwirte.
Gibt es tatsächlich keine Chance auf eine beiderseits gangbare Lösung?
Wenn nicht mehr sachlich diskutiert wird, sondern einerseits einfach beschlossen, andererseits nur auf dem IST Zustand beharrt wird, sehe ich schwere Zeiten auf unsere Demokratie zukommen.
Dabei haben wir doch auf beiden Seiten sehr vernünftige Leute.
Doch, indem die Politik hart bleibt und dich nicht erpressen lässt. Diese Kröte musste schon von Gastronomen und Elterngeldbeziehern geschluckt. Es kann doch nicht sein, dass man sich nur rücksichtslos genug verhalten muss mit großen Maschinen und die Politiker knicken ein. Mein Vertrauen in diese Regierung ist durch die erpressten Zugeständnisse schon sehr beschädigt.
Alternative Einsparungen werden dann wohl wieder Familien und untere Einkommen treffen. Kinderwagen wirken wohl nicht genug. Vielleicht muss man Windeln vors Brandenburger Tor kippen?
Ich schätze seitdem die Flächenprämie der EU für Landwirtschaftliche Betriebe Praxis sind, haben Landwirte keine eigene Entscheidungskraft und das gibt einem das Gefühl von keiner Wertschätzung.
Jedes Jahr gibt es neue Vorschriften. Bei Verstoßen können über Jahre gezahlte Prämien rückwirkend zurückgeholt werden können. Man ist eine Marionette der Regierung. Andere entscheiden was passiert.
Ohne Subventionen kann der Betrieb aber auch nicht leben und ohne hohe Kredite geht es auch nicht. Dadurch können viele Betriebe nicht mal den Betrieb aufgeben, da noch soviel abgezahlt werden muss und es dann den ganzen Hof kosten würde.
Ein wenig provozierend, aber der einzige Ort wo noch Entscheidungsspielraum ist, ist auf dem 200.000 € Schlepper mit dem Joystick in der Hand ist
Man darf aber nicht vergessen, dass in der Landwirtschaft geschuftet wird. Jeden Tag!, ohne die Möglichkeit sich Krankzuschreiben, müssen Tiere versorgt werden oder andere Tätigkeiten erledigt werden. An Urlaub ist viele Jahre nicht zu denken. Diese Menschen machen viel, es macht ihnen Spaß, aber die Umstände sind schwer.
Trotzdem würde ich es sehr begrüßen, wenn die Bauernverbände ein wenig zukunftsorientierter in die Diskussion gehen würden und nicht nur auf Pumpen Argumenten stehen.
Also gegen Verteuerung von Diesel zu protestieren, indem man über weite Strecken mit dieselfressenden Arbeitsmaschinen anreist und sinnlos in der Gegend rumstinkt, zeigt mir eigentlich eher, dass der Diesel noch nicht teuer genug ist.
Das ist halt schon ein bischen populistisch, oder?
Bauern haben meist erhebliche jährliche Fahrleistung auf ihren Fahrzeugen, da machen 50km für nen Protest null Unterschied bei den Spritkosten. Die meisten Bauern aus dem Süden werden auch nicht mit ihrem Trecker nach Berlin fahren…
„Sinnlos“ ist es schonmal nicht, da sie ja eine politische Forderung durchsetzen wollen, die eine Auswirkung auf ihre finanziellen Verhätnisse hat.
Oder um es mit Satire zu versuchen:
Wenn du das Geld hast um mit den Öffis oder dem Auto zu nem Vorstellungsgespräch zu fahren, brauchst du den Job wohl eigentlich garnicht
Ich war persönlich auf der Seite der Landwirte gewesen bis sie diese Aktion mit Habeck durchgezogen haben. Jetzt muss man analog zu „mit Terroristen verhandelt man nicht“ auch hier Stärke zeigen und keinerlei Zugestädnisse machen. Und ja ich weiß, Landwirte sind keine Terroristen. Es geht einfach nun mal ab jetzt um das Prinzip, dass man sich nicht mit Gewalt Dinge erpressen können soll.
Und zu dem Durchfüttern nicht lebensfähiger Betriebe: Der Lebensmittelmarkt ist so starken staatlichen Eingriffe unterworfen, sodass es sich kaum um einen normalen Markt handelt.
Ein paar Beispiele wieso dem so ist: gehen ohne Subventionen Betriebe pleite, dann bestehen plötzlich Abhängigkeiten von anderen Ländern - damit gibt es keinerlei Preisstabilität, Einfluss auf Qualität mehr und es besteht Hunger-Risiko (wenn auch sehr unwahrscheinlich).
Auch kann man eigenen Landwirlen Umweltauflagen machen - beim Ausland ist das schwieriger.
Weil der durchschnittliche deutsche Konsument, gemessen am Einkommen, sehr wenig bereit ist für Lebensmittel auszugeben. Der Anteil am Einkommen ist im Vergleich zu anderen EU-Ländern vergleichsweise gering.
Gleichzeitig müssen die Bauern aber in einem Land mit den vergleichsweise höchsten Lebenshaltungskosten überleben.
Wenn sie sie nicht subventioniert werden und auskömmliche Preise verlangen, droht die ausländische Konkurrenz.
Ok, nehme ich als Indiz. Würde mir aber noch eine Quelle wünschen, die nicht auf Gewinne, sondern Preissteigerungen konzentriert ist. Höherer Gewinn ist ja nicht gleich Inflation. Denke, das müsste man VWL-technisch genauer aufdröseln.
Überhaupt hab ich mit dieser moralischen Aufladung volkswirtschaftlicher Zusammenhänge ein bisschen Bauchschmerzen. Wenn irgendwo eine Knappheit auftritt, steigen die Preise bei gleichbleibender Nachfrage bis entweder die Nachfrage sinkt oder das Angebot erhöht wird. Wenn der Verdacht aufkommt, dass jemand zu hohe Preise aufruft, sollte der Wettbewerb das regeln, wenn die Konsument:innen hinreichend informiert und preissensibel sind.
Anders würde ich das beurteilen, wo sich Landwirt:innen zB darauf berufen, für die sichere Lebensmittelversorgung essenziell zu sein und dann aber durch (insb. Massen-)Tierhaltung oder Nutzung von Ackerfrüchten für Bioenergie das Lebensmittelangebot verknappen. Das kann man zwar als wirtschaftlich legitim ansehen, da es nur Preissignalen folgt - dass die Preissignale die Güterverteilung nicht in Übereinstimmung mit Gemeinwohlzielen regeln, ist ein Systemproblem, nicht das des Einzelnen -, aber sich dann mit „höheren Zielen“ wie Lebensmittelversorgung zu schmücken, ist unlauter.
Da würde ich nur mit Einschränkung mitgehen, denn in meiner Interpretation ging es mindestens auch darum, zu zeigen, dass Kulturgüter des Humanismus, die wir vordergründig alle wertschätzen (zB Kunst im Museum, Geschichtskultur, Verfassungskultur), durch unser Handeln in der Klimakrise gefährden und der Aufschrei paradoxerweise bei einem (in der überwältigenden Zahl der Fälle harmlosen) Eimer Farbe oder Suppe riesig ist, wohingegen die unsichtbare, aber ungleich größere Gefahr der Klimakrise einfach hingenommen bzw. schöngeredet wird.
Man kann dann immer noch drüber diskutieren, ob das sein muss, aber es ist schon ein inhaltlich sinnvoller Zusammenhang da.
Nur leider ist dieser nicht mal wirklich subtile Punkt in der allgemeinen Empörung nicht angekommen, meiner Meinung nach wegen schlechter Thematisierung in den Medien und vielleicht auch schlechter Kommunikation der LG.
Letztendlich glaube ich auch, dass der Protest die Ursache für den Rückzug war.
Aber meines Wissens ist das Thema KFZ Steuer für Traktoren nicht so einfach. Beim PKW wird aktuell mit einer Mischung aus Hubraum und CO2 Ausstoß gemäß den Papieren gearbeitet.
Bei Landmaschinen fehlt die CO2 Angabe aus verständlichen Gründen. Diese Maschinen sind primär nicht dafür entwickelt worden um viele km auf Straßen zu fahren und der tatsächliche Verbrauch beim Einsatz hängt von vielen Parametern ab. Z.b. wird bei bestimmten Anwendungen ein großer Teil der Energie per Zapfwelle an Geräte abgegeben. Es wäre also durchaus spannend gewesen wie einen KFZ Steuer schnell umgesetzt werden hätte können.
Im Prinzip ist die CO2 Abgabe auf den Diesel die gerechteste Art um Effizienz zu fördern nur muss hier Deutschland schauen, dass es im Europäischen Umfeld nicht total aus der Reihe fällt. Denn ansonsten werden die Produkte eben nicht von deutschen Bauern gekauft sondern importiert. Da liegt das Problem.
Hier würde mich interessieren, wie sich die Preisgestaltung der Landwirte darstellt. Es heißt anekdotisch häufig, dass die vier großen Lebensmittelketten Edeka, Rewe, Aldi und die Schwarz-Gruppe hier massiven Druck ausüben und die Hersteller relativ wenig Mitspracherecht haben.
Komparative Kostenvorteile - also „ausländische Konkurrenz“ - sollte man als Volkswirtschaft realisieren, wenn man nicht gute Gründe hat, den Handel zu beschränken/zu verzerren.
Im Falle der Landwirtschaft hat man meiner Meinung nach gute Gründe im Erhalt einer verträglichen Sozialstruktur auf dem Land (aber ist nicht so einfach, das wirklich zu steuern) und einer verantwortungsbewussten und nachhaltigen Bewirtschaftung der Kulturlandschaft für den Arten- und sonstigen Umweltschutz.
Mit der Subvention von Agrardiesel (geht indirekt an die Ölindustrie) und Kfz (geht indirekt an die Maschinenbauindustrie) fördert man aber nichts davon (genau so wenig wie mit reinen Flächsensubventionen, wie man in der EU so langsam zu verstehen scheint). Deshalb sind das wettbewerbsverzerrende Subventionen ohne sinnvollen Grund, die mittelfristig und planbar fallen sollten.
Würde mich auch interessieren. Die Verbraucherzentrale stellt auch zu einem relativ großen Teil auf die Einzelhandelsunternehmen ab (Erzeugerpreise werden nur als ein - eher vorübergehender - Faktor genannt): „Gierflation“: Profitgier der Unternehmen? | Verbraucherzentrale.de
Aber eine echte Untersuchung der Frage ist das noch nicht.