Untersuchungsausschuss

Guten Morgen,
aufgrund der umfänglichen Ereignisse in Afghanistan, fordern die Grünen einen Untersuchungsausschuss. Die Forderung eines solchen Ausschusses begegnet uns häufiger. Allerdings fehlt mir das Gefühl diesen als unverzichtbar zu erachten bzw. diesen produktiv zu finden. Mir bleibt nichts anderes übrig, diesen als wenig wertvoll einzuschätzen (historisch betrachtet). Vielleicht kann Ulf hierzu Wertvolles berichten oder beispielhafte Erfolge aufzeichnen.

Einen guten Wochenstart
Sabine

Nicht nur die Grünen fordern diesen, ebenso Die Linke und die FDP. Kann mir gut vorstellen, dass ein solcher Ausschuss in der nächsten Legislaturperiode eingesetzt werden wird. Die derzeitigen Oppositionsparteien haben ja wenig zu befürchten.
Interessant und erwähnenswert scheint mir der SPD-Move zu sein – wahrscheinlich, um Heiko Maas zu schützen: Nils Schmid hat im DLF kürzlich keinen Untersuchungsausschuss, sondern eine Enquete-Kommission gefordert, obwohl der Interviewer, meine ich, direkt nach einem U-Ausschuss gefragt hat. Leider hat er da nicht kritisch nachgehakt und wusste wahrscheinlich spontan auch nicht, wo der Unterschied liegt. Schöne Nebelkerze aus der SPD-Fraktion aus meiner Sicht.

Daher ganz grob: Das Recht des Bundestags, einen U-Ausschuss einzusetzen, findet sich im GG (Art. 44 ff.), konkretisiert im Untersuchungsausschussgesetz, kurz: PUAG; die erwähnte Enquete-Kommission ‚nur‘ in der Geschäftsordnung (GO) des Bundestags. In dieser Kommission sitzen vor allem auch, neben Abgeordneten, Expertinnen und Experten sowie externe Sachverständige. Die Themen sind in der Regel von übergeordnetem bzw. längerfristigem Interesse. Der U-Ausschuss ist dagegen ein rein parlamentarisches Gremium, das zur Beweiserhebung auf die Regelungen von Strafprozessen zurückgreift. Im U-Ausschuss können Zeugen vernommen, Akten angefordert werden usw. Für die Opposition ist er vor allem ein symbolisches Instrument, fördert aber auch immer mal wieder interessante Erkenntnisse zutage, z. B. beim Wirecard-UA oder beim „Pkw-Maut-Ausschuss“. Die mediale Berichterstattung ist bei den UA auch viel größer. Wer weiß denn aus dem Stand heraus, welche Enquete-Kommissionen der Bundestag aktuell eingesetzt hat? Beide Gremien sind für ihre Arbeit auf die Dauer der Wahlperiode begrenzt (Prinzip der Diskontinuität). Daher ist es aus SPD-Sicht von Vorteil, nicht direkt einen UA zu fordern.

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Das ist relativ normal. Der Unterschied ist halt:
Eine Enquête-Kommission soll etwas konstruktiv parteiübergreifend erarbeiten und Probleme benennen, ein Untersuchungsausschuss soll Fehlverhalten und Versagen (im Verantwortungsbereich) der Regierung aufdecken und Schuldige benennen.

Beides erfordert nur 25% der Abgeordneten, um eingerichtet zu werden (also theoretisch sind beide Instrumente für die Opposition als Minderheitenrecht gedacht), aber während eine Regierung fast nie einem gegen sie gerichteten Untersuchungsausschuss zustimmen wird, wird die Mehrheit aller Enquête-Kommissionen tatsächlich auch mit einer Regierungsmehrheit beschlossen.

Daher:
Enquête-Kommission = konstruktiv, ein Problem soll miteinander erörtert werden, das Finden einer Lösung (auch für die Zukunft) steht im Vordergrund.

Untersuchungsausschuss = destruktiv, ein Fehlverhalten (meist der Regierung oder sonstwo im politischen Apparat) soll publik gemacht werden, das Finden eines Schuldigen steht im Vordergrund.

Geht so. Wie „durchschlagend“ so ein Untersuchungsausschuss ist hängt natürlich auch davon ab, wie gut es gelingt, die Ergebnisse in die Primärmedien zu bekommen und damit öffentlichen Druck aufzubauen. Die vergangenen Untersuchungsausschüsse haben dabei durchaus interessante Informationen an’s Tageslicht gebracht (z.B. die Aktenvernichtungen durch den Verfassungsschutz in der NSU-Affäre…).

Direkte politische Konsequenzen hat ein Untersuchungsausschuss halt nicht. Also auch wenn der Ausschuss einen Schuldigen ausgemacht hat, sind keine Rechtsfolgen daran geknüpft. Was bleibt sind Rücktrittsforderungen…

Ich kann daher verstehen, dass man das für „zu wenig“ hält und sich mehr wünschen würde… dennoch gilt natürlich, dass Untersuchungsausschüsse besser sind als gar nichts… (also kein U-Ausschuss ist auch keine Lösung…)

Danke für deine tollen Erläuterungen, war auf jeden Fall sehr hilfreich. Sollte man nicht mal überlegen, ob solche Ausschüsse nicht auch Folgen haben sollten? Also prinzipiell so etwas umzubauen macht sicher Sinn, denn ich sehe solche Ausschüsse leider nur als Symbolik. Wenn es hier aber einen echten Maßnahmen Katalog gäbe wäre Andi Scheuer vielleicht entlassen worden wegen grober Steuerverschwendung.

Das ist halt die grundsätzliche Problematik. Es gilt im Prinzip „Pick One, but not both“:

a) Der Untersuchungsausschuss soll ein Werkzeug der Opposition / Minderheit sein.
b) Der Untersuchungsausschuss soll eine aktive Strafkompetenz haben.

Beides wird es in der Kombination vermutlich nirgends auf der Welt geben, denn natürlich möchte keine Regierung der Welt, dass die Opposition aus einem Untersuchungsausschuss heraus aktiv mit Rechtsfolgen gegen die Regierung handeln kann. Das Missbrauchspotential wäre ja auch gewaltig.

Die USA sind da halt der andere Fall - dort haben parlamentarische Ausschüsse teilweise rechtlich bindende Wirkungen (siehe z.B. Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump), aber dafür sind diese Ausschüsse dann halt kein Werkzeug der Minderheit mehr, sondern man braucht eine Mehrheit, um zu einer Verurteilung zu kommen. Und da zeigte sich leider, was in fast jeder Demokratie zu erwarten ist: Die Regierungsparteien werden ihre eigenen Leute nicht verurteilen, da das den eigenen Zielen diametral entgegensteht.

Wenn es so weit kommt, dass die Regierung bereit ist, die eigenen Leute zu verurteilen (z.B. Scheuer wegen massiver Inkompetenz), braucht es dafür halt auch keinen Untersuchungsausschuss - Merkel könnte schließlich jederzeit Scheuer entlassen, wenn sie ihn für nicht mehr tragbar hält - und wenn man meint, dass die Kanzlerin keine Mehrheit mehr hinter sich hat, würde man halt eher ein konstruktives Misstrauensvotum einberufen, als das ganze in einem Untersuchungsausschuss zu klären.

Daher:
Eine Verurteilung durch eine Minderheit ist grundsätzlich problematisch, eine Verurteilung durch eine Mehrheit ist obsolet, weil es in dem Fall praktischere Mittel als den Untersuchungsausschuss gibt. Daher macht es wenig Sinn, dem Untersuchungsausschuss eine direkte Strafkompetenz zu verleihen.

Mir ist etwas unklar was Du Dir vorstellst.
Auch Untersuchungsausschüsse sind Ausschüsse des Parlaments.
Irgendwelche Regeln, in denen Ausschüsse des Parlaments gegen eine Mehrheit des Parlaments politische Entscheidungen (im Gegensatz zu Information, Transparenz und Öffentlichkeit) durchsetzen können fände ich demokratisch sehr fragwürdig.

Meiner Meinung nach ist der „richtige Weg“ Andi Scheuer loszuwerden Öffentlicher Druck (den es in konservativen Lagern m.E. überraschend wenig gibt) bzw. die Wahlurne.
Wenn das nicht reicht reicht es halt nicht.

Wenn Du einen zusätzlichen Weg suchen würdest, fände ich angemessener das bei einer unabhängigen Behörde statt bei einem Untersuchungsauschuss anzusiedeln, bsplsw. beim Bundesrechnungshof, bin aber auch davon nicht so überzeugt :wink:

@hope : Also in meiner Wahrnehmung ist der NSA Untersuchungsauschuss ein Auschuss der in meinem politischen Erleben enorm präsent war, sehr viel (und immer wieder) öffentlichkeit geschaffen hat und die politische Debatte des Themas stark geprägt hat. Die konkreten politischen Entscheidungen waren dann wieder eher enttäuschen, aber wieder, das ist Demokratie (darum: im September nicht CDU,CSU oder SPD wählen [Und natürlich auch keine Rechtsextremen] ;))
Ich hatte mal gestern in den Wikipediaartikel zum Ausschuss reingeschaut, aber ich hatte nicht das Gefühl das der ein gutes Bild von dem was unterm Strich von dem Ausschuss „bleibt“ zeichnet, vielleicht kennt jemand eine gute Quelle?