ich möchte heute auf ein Thema aufmerksam machen, dass meine Frau und ich gerade in den letzten 1,5 Jahren quasi aus erster Reihe beobachten durften: Die Ungleichbehandlung von Paaren bei der Kinderwunschbehandlung und der wahnsinnige bürokratische Aufwend, der dabei im Zuge der finanziellen Beteiligung durch die Länder betrieben wird.
Hintergrund: Meine Frau und ich befinden uns seit nunmehr ca. 1,5 Jahren in Behandlung bei einem Kinderwunschzentrum, da sich nach eingehender Untersuchung herausgestellt hat, dass wir nur mit Hilfe der „In-vitro-Fertilisation“ (IVF) in der Lage sein werden, Nachwuchs zu zeugen.
Die medizinische Behandlung und Betreuung für diese Art der „Kinderwunschbehandlung“ wird von den Krankenkassen bei verheirateten Paaren mit 50% bezuschusst. Zusätzlich beteiligt sich viele Länder an den Kosten, das Land Niedersachsen in dem wir leben zahlt hier weitere 25%, so dass der „Eigenanteil“ für uns für bis zu drei Versuche bei ca. 25% der anfallenden Kosten liegt. Gesamtkosten pro Versuch ca. 3500 €; Eigenanteil somit ca. 600 - 500 €.
Aber moment, verheiratete Paare? Richtig! Hier zeigt sich mein Hauptkritikpunkt: Nur verheiratete Paare bekommen bei dieser Behandlung die volle finanzielle Unterstützung. Unverheiratete Paare bekommen teilweise gar keine oder maximal die halben Zuschüsse.
Begründung? Fehlanzeige! Vielleicht glaubte man, in Ehen würden Kinder sicherer aufwachsen, da sich Eltern seltener Trennen? Oder man befürchtet, dass die Eltern sich eigentlich garnicht „lieben“ sondern die Frau sich hier nur von einem Freund dabei unterstützen lässt, mithilfe von IVF ohne dafür Sex haben zu müssen, schwanger zu werden? Ich weiß es nicht …
Übrigens: Nach Untersuchungen und Befragungen des Bundesfamilienministeriums haben etwa 15 Prozent aller Paare in Deutschland grundsätzliche Probleme, auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Nicht bei allen ist die Situation so wie bei uns. Dennoch ist das Phänomen „ungewollte Kinderlosigkeit“ keine Seltenheit und sollte gerade in einem Land wie Deutschland mit einer sehr niedrigen Geburtenrate nach unserer Ansicht politisch einen höheren Stellenwert bekommen. Und dann bitte Diskriminierungsfrei: Gleiches Recht und Unterstützung für alle Paare! (Quelle: Ungewollt kinderlos: Woran kann es liegen? - quarks.de)
Übringes: Ein weiteres Problem - zumindest hier in Niedersachsen - sind die extrem langen Bearbeitungszeiten für gestellte Anträge von 8 - 12 Wochen und mehr.
Warum ist die lange Bearbeitungszeit ein Problem? Nun, man darf erst mit der Behandlung beginnen, wenn der Antrag bearbeitet und bewilligt wurde, sonst kann der Zuschuss nicht ausgezahlt werden. Es ist jetzt nicht so, dass ein einzelner Monat mehr oder weniger bei der Kinderwunschbehandlung einen direkten oder messbaren Einfluss auf die Erfolgswahrscheinlichkeit hat. Aber es ist natürlich auch nicht gerade beruhigend, wenn man praktisch alles vorbereitet hat und nur noch auf die Bearbeitung eines Antrages wartet, um „loslegen“ zu können.
Hier könnte eine einfache und unkomplizierte Lösung gefunden werden, indem die Behandlung schon vor der Genehmigung des Antrages begonnen werden kann. Natürlich dann auf das persönliche Risiko des jeweiligen Paares, dass - wenn der Antrag abgelehnt wird, aus welchen Gründen auch immer - auf den finanziellen Zuschuss verzichten müsste.
Als letzten Kritikpunkt kann man noch anführen, dass das ganze Verfahren sehr bürokratisch ist und im Gegensatz zu anderen medizinischen Verfahren, bei denen in der Regel mittlerweile alles zwischen Arztpraxis und Krankenkasse elektronisch abgewickelt wird, man mit einer Flut von Formularen konfrontiert wird: Vor der Behandlung muss detailliert berechnet werden, welche Kosten entstehen KÖNNTEN, um dann nach erfolgreichem Abschluss noch einmal genau aufzuschlüsseln, was WIRKLICH bezahlt wurde. In beiden Fällen sind aufwendige Prüfungen durch die Mitarbeiter:innen des Landesamtes nötig, die Zeit und Geld kosten. Hier wäre eine einfache Prüfung vor der Behandlung, ob ein Paar anspruchsberechtigt ist, wesentlich einfacher. Die aufwendigere Prüfung aller Rechnungen könnte dann auf die Zeit nach der Behandlung verschoben werden. Ich vermute aber, dass gesetzliche Regelungen dem derzeit noch im Wege stehen.
Schließlich gibt’s solche Behandlungen ja nun auch schon länger, heißt also die Regelung könnte noch aus einer Zeit stammen als Uneheliche Kinder noch die Ausnahme waren, bzw. problematisch.
Mein Schwester hat eigentlich nur geheiratet um den ganzen Begördenkram zu Anerkennung der Vaterschaft aus dem Weg zu gehen, denn wenn verheiratet ist der Ehemann automatisch Vater.
Sich als Mann bei der Geburt als Vater zu erkennen zu geben, wenn man nocht verheiratet ist, ist jedoch bürokratischer Aufwand.
Kein Ahnung ob das heute immernoch so ist, aber sollte als Hinweis reichen, dass eine solche Ungleichbehandlung der Ehe nicht nur auf Kinderwunsch begrenzt ist.
Danke für den Hinweis. So ganz kann ich mir das aber nicht vorstellen, denn die IVF wird erst seit den 80ern angewendet und erst Anfang der 90er gesetzlich geregelt. Da war man eigentlich was „Alternativen“ zur klassischen Ehe angeht schon gedanklich weiter.
Ein weiterer Punkt ist, dass bis 2003 die Durchführung von bis zu 4 Versuchen vollständig von den Krankenkassen bezahlt wurde. Erst ab diesem Zeitpunkt gibt es - wenn ich das richtig verstehe im Wikipedia Artikel - die Regelung mit der Ehe-Pflicht. Von „Relikt“ würde ich hier also eher nicht sprechen …