Umverteilung in Deutschland

Hier mal ein paar Daten zum Grad der Umverteilung in Deutschland:

Zunächst einmal gilt zu bedenken, dass der Spitzensteursatz (Der „Reichensteuer“ sei Dank seinen Namen nicht verdient) bereits ab knapp über 50.000 Euro Jahreseinkommen gilt, und somit fast 3 Millionenen Menschen in Deutschland trifft (die nicht alle ihr ganzes Einkommen zu 42% versteuern müssen).
Das ist eben nicht das Einkommen der Superreichen, sondern des Mittelstandes. Es ist in Deutschland völlige Normalität das die Menschen vom Mittelstand auffärts unterm Strich die Hälfte Ihrer Arbeitszeit nicht primär für die eigene Tasche wirtschaften. Ich will das an dieser Stelle gar nicht werten, aber das ist schon eine erhebliche Belastung.

Sowohl bei den Sozialausgaben in Relation zum GDP

als auch bei der Höhe der individuellen Belastung der Durchschnitts(!)verdiener

liegt D weit vorne.

Mann kann sicherlich darüber diskutieren ob diese Belastung in der Form sinnvoll verteilt ist. Mann kann auch sicherlich darüber diskutieren ob nicht ein höherer Mindestlohn angebracht wäre, um sicherzustellen dass man von einer 40 Stunden-Woche Leben kann.

Die Implikation in der letzten Folge, dass in D kaum Umverteilung stattfinden würde halte ich jedoch für mehr als wackelig.

und wenn man jetzt bedankt, dass wir vom netto nochmal 7-19% auf Alles bezahlen, frage ich mich, wo das Geld verschwendet wird und warum einige Parteien noch mehr Geld wollen. Vielleicht brauchen wir mehr Ökonomen in der Politik?

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Hallo arfuma,

ich würde da was das „wording“ angeht schon noch einwerfen wollen, dass wir ja in Deutschland gerade 45 Mio Erwerbstätige haben.
D.h. Deine Mittelstandsdefintion betrifft ca. 7% der Erwerbstätigen.

Das man Spitzensteuersatzzahler nicht umbedingt als „reich“ bezeichnen muss würde ich eher teilen, weil sich reich stark aufs Vermögen bezieht.
Ich glaube aber dass eine Mittelstandsdefinition deutlich mehr als 7% beinhalten sollte - von dem was man sich da im Sprachgebrauch erwartet.

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Ich bin nicht drin in dem Thema, aber ist ein häufiger Kritikpunkt nicht, dass die Umverteilung in Deutschland halt so ineffizient ist, weil viel Geld von der linken in die rechte Tasche wandert?
Also konkret, dass viele Sozialausgaben der Mittelschicht zugute kommen, die sie aber auch zum großen Teil selbst zahlt.

Ich weiß nicht, wie gerechtfertigt die Kritik ist, aber ich höre sie deutlich häufiger als „Wir haben einfach zu wenig Steuern in Deutschland.“

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Tja… man könnte ja mal Herrn Scheuer Fragen wo das Geld bleibt. Oder Herrn Spahn, mit seinen horrenden Stundenlöhnen für Impfärzte oder den aberwitzigen Ausgleichszahlungen für Apotheker.

Beide haben Wirtschaftswissenschaften studiert, ob das also der Lösungsansatz ist… ich weiß ja nicht.

Zu den Zahlen allerdings würde mich auch die Mittelstandsdefinition sehr interessieren.

Wer 2019 (das frischeste Jahr, zu dem ich passende Daten gefunden habe) alleinstehend 90 000 Euro brutto einnimmt, hatte eine Steuerbelastung von 34%, inklusive Solidaritätszuschlag, exklusive Sozialabgaben [1]. Ich schätze nicht, dass man da auf „unterm Strich die Hälfte des Einkommens abführen“ kommt.
Zum Vergleich: Das ist fast das Doppelte vom Durchschnittseinkommen [2] und das Dreifache vom Medianeinkommen [3].

Wenn das also unterer Mittelstand ist (muss ja noch nicht die Hälfte der Arbeitszeit für die Gemeinschaft aufbringen), frage ich mich, wie viele Ein-Euro-Jobber es geben muss, um das Durchschnittsgehalt auf 48 000 Euro zu drücken.

[1] Lohn- und Einkommensteuerrechner:Fehlerseite
[2] durchschnittseinkommen 2019 - Google Suche
[3] Einkommen: So viele Menschen verdienen in Deutschland weniger als Sie - FOCUS Online

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Also da muss man unbedingt etwas präziser ausdrücken. Du zahlst nicht ansatzweise ab 50000€ 42% auf dein gesamtes Einkommen. Stichwort hier ist GRENZsteuersatz. Siehe zB Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz. Bei 50k bist du bei etwa 25%.
Und dann gäbe es ja ein paar super Möglichkeiten, die Sozialausgaben massiv zu reduzieren, ohne dass du/ich/wir irgend etwas davon hätten. Stichworte: nur noch Privatschulen. Alle Autobahnen in Privatbesitz mit Maut. Wahlkampfförderung nur noch aus privater Hand. Rentenversicherung nur privat. Arbeitslosenschutz massiv kürzen bzw. privatisieren. Pflegeversicherung dito…
Das bringt uns nichts, macht aber deutlich, dass ein Vergleich zwischen verschiedenen Staaten schwierig ist. Was noch schwieriger zu vergleichen wäre, aber wenigstens relevant wäre, ist der Vergleich der Kosten der Bürokratie. Aber die hängen natürlich auch wieder daran, was dir/mir/uns dafür angeboten wird. Natürlich wird das eingesammelte Geld nicht zu 100% so verwendet, wie wir das gerne hätten. Aber es ist auch nicht weg, sondern es wird damit viel gemacht, was uns allen zugute kommt.

Guck doch sonst aufs Ergebnis. Also, warum machen wir das ganze überhaupt? Warum gibt es überhaupt staatliche Umverteilungsmechanismen?
Spontan fallen mir ein:

  • Menschen verhalten sich irrational, sparen z.B. nicht für die Rente, wenn sie es könnten (funktioniert in Deutschland so mäßig, aber sicher nicht in die Richtung nicht, dass der Staat hier zu viel Absicherung bietet).
  • Solidarität für selten eintreffende Härten, z.B. Arbeitslosigkeit. Da sind auch die meisten Menschen nicht unbedingt der Meinung, das der Staat hier zu stark zu den Arbeitslosen hinverteilt.
  • Finanzielle Umverteilung per se, mit den Zielen sozialen Frieden sichern und Chancenausgleich. Tja, auch hier sehe ich nicht wirklich, dass übertrieben wird.
    Also die Implikation, dass in D zuviel Umverteilung zwischen Arm und Reich stattfinden würde, kann ich nicht nachvollziehen.
    Gruß Jakob
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ich glaube kaum, dass wir hier über die Beiden reden müssen, die von den ganzen Staatseinnahmen ca: 0,0XXX % offensichtlich verschleudert haben. Da müssen wir an die Themen soziale Sicherung, Gesundheitswesen oder öffentliche Verwaltung gehen.

Gute Idee! Hast du da konkrete Vorschläge?

komplette Überarbeitung des Sozialsystems (hier ein paar Vorschläge, die ich aber noch nicht bis zum Schluss durchdacht habe):

  • keine Beamten mehr (mindestens eine Umstrukturierung der Pension)
  • anlegen der Renteneinnahmen (Vorbild Norwegen-hier kann es einen netten Nebeneffekt geben. Sollte Deutschland Schulden aufnehmen, z.B. 10.000€ p.P. gibt es eine Umverteilung vom Staat zum Bürger. Dieses Geld dann breit gestreut anlegen. Der Nebeneffekt wäre, dass der Staat nicht mehr so „reich“ wäre. Das Geld würde somit erstmal in Deutschland bleiben.
  • privates Versichern bei KV abschaffen

Ok, Punkt 1 könnte die Steuerlast reduzieren.
Bei Punkt zwei bin ich nicht so sicher, aber da gibts ja nen anderen Thread dazu.
Punkt 3 würde die Abgabenlast ziemlich sicher nicht reduzieren, nur umverteilen.

Davon abgesehen finde ich die Ideen bis auf Details gut.

Leider schmeißt Du hier zwei Begrifflichkeiten durcheinander.
Ob absichtlich oder nicht, wird er dadurch aber tendenziös.
Denn es geht nicht um 50.000 € Einkommen sondern Einkünfte.
Es sind also Werbungskosten, Steuersparmodelle, Spenden etc. vom Gehalt noch abzuziehen.
Je mehr Einkommen jemand zur Verfügung hat, desto mehr Möglichkeiten hat er auch, sich die Einkünfte „schön zu rechnen“.
Auch sollte man dabei berücksichtigen, dass ja ein Großteil der vom Spitzensteuersatz Betroffenen aus der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung entlassen ist.
Der niedrigere prozentuale Anteil der Sozialversicherung ist dabei also auch zu berücksichtigen.
Das Thema ist zu komplex für eine pauschale Behauptung, es werde fair von oben nach unten verteilt.
In der von Dir aufgeführten Statista-Tabelle sind Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge zur SV und Steuern berücksichtigt.
Es wirkt sich also gerade die Sozialversicherung mit alleine nahezu 40% Lohnanteil besonders extrem aus - genau der Posten von dem Besserverdienende befreit sind.