Umgang mit der PMK-Statistik

Den Bericht zu Lina E. fand ich vielfach (sehr) problematisch. Im Zusammenhang mit der von der BKA vorgestellten Statistik „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022“ verdeutlicht ihr schön, wie man Statistiken tendenziös für ein gewisses Framing verwenden kann:

Ja, bei 58.916 politisch motivierten Straftaten insg besteht ein großes Ungleichgewicht zw Straftaten durch Rechte, 23.493, und Linke, 6.976. Auf linker Seite ist im Vgl. zu 2021 mit - 31 % ein deutlicher Rückgang verzeichnet, auf rechter Seite dagegen ein + von knapp 7%. Die Zahlen bringen die größere Gefahr durch den Rechtsextremismus bereits zum Ausdruck. Laut Experten geht aktuell, ging in den letzten Jahren und wird auch in der Zukunft die größere Gefahr für innere Sicherheit und Demokratie vom Rechtsextremismus ausgehen. Eine Ansicht die ich komplett teile.

Ihr framt das Ganze aber: Ihr führt aus, dass bei linken Straftaten ein beachtlicher Teil Sachbeschädigungen sei, nennt dabei das Herunterreißen von Wahlplakaten rechter Parteien. Laut Statistik machen Sachbeschädigungen mit 3.545 in 2022 knapp über 50% der politisch motivierten Straftaten von linker Seite aus. Wie viel davon bloßes Zerstören von Wahlplakaten ist, ist nicht ersichtlich.

Wollte man nun advocatus diaboli spielen, ließe sich anführen, dass das große Ungleichgewicht in den PMK-Zahlen auf Propagandadelikte (Verbreiten von Propagandamitteln, Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, §§ 86, 86a StGB) zurückzuführen ist, die mit 14.132 ca 60% der politisch motivierten Straftaten von rechter Seite ausmachen. Im linksextremen Bereich gibt es hier kaum vergleichbar zu ahndende Straf-TBs (s. die geringe Zahl von 85).

Bei wirklich schweren Straftaten, den politisch motivierten Gewaltdelikten (zB KV- & Tötungsdelikte) ist die Lücke zw rechts und links deutlich kleiner: 1.170 (r) zu 842 (l). 2021 war sie auf linker Seite sogar höher, 1.042 (r) zu 1.203 (l). Die linken Gewalttaten sind somit zum Glück - im Gegensatz zu den rechten - gesunken. Mit diesen Zahlen hätte man arbeiten können, um die größere Gefahr von Rechts zu verdeutlichen, ohne linksextreme Kriminalität zu verharmlosen.

Weiteres Bsp: Anschließend an die Ausführungen zu Sachbeschädigungen durch Linksextreme sagt Ulf, dass die rechte Gewalt ansteige und zwar um + 7% in 2022. Das ist schlicht falsch. Die 7% beziehen sich auf politisch motivierte Straftaten insg, nicht auf Gewaltdelikte. Hier ist der Anstieg tatsächlich mit 12% sogar noch höher.

Dieses Framing durch einseitige Präzisierung und Auslassungen auf der anderen Seite wäre also gar nicht nötig gewesen. Die Zahlen zeigen auch so deutlich: Rechtsextremismus ist die größere Bedrohung!

Diese Beurteilung darf aber nicht dazu führen, PMK von anderer Seite (etwa links) herunterzuspielen od zu übersehen.

2 „Gefällt mir“

Diskussionen über Kriminalstatistiken sind immer problematisch, alleine schon, weil sie nur das Hellfeld erfassen. Aber sie sind wohl die Statistiken, die man noch am ehesten überhaupt ernst nehmen kann, dennoch sollte man sich ihrer Probleme bewusst sein.

Andererseits muss man dazu sagen, dass die PMK-Statistik zumindest in der mir vorliegenden Fassung keine Unterteilung nach Schwere der Gewalttaten vornimmt - und das ist ein großes Problem. Insbesondere werden Widerstandsdelikte in diesen Statistiken offiziell als Gewaltdelikte aufgeführt, was technisch zwar nicht inkorrekt ist, aber bei einer Bewertung der Gefährdungslage doch differenziert werden müsste. Denn ein Widerstandsdelikt wird schon bei Verhaltensweisen angenommen, die nach allgemeinem Sprachgebrauch kaum unter den Begriff der „Gewalt“ fallen würden.

Ein großer Teil aller hier erfassten linken Gewalttaten sind tatsächlich eben diese Widerstandsdelikte.

2 „Gefällt mir“

Liebes Lageteam,

mit Blick auf die mediale Diskussion erscheint mir eine Ausinandersetzung mit den Statistiken rund um Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) sinnvoll. Wenn ich mich recht entsinne wurde in einer der letzten Lagefolgen schon erwähnt, dass sich viele Statistiken in den Reporten der Bundesregierung aus mehreren Delikten zusammensetzen. Politisch motivierte Gewaltdelikte umfassen z.B. nicht nur Tötungsdelikte oder Körperverletzung sondern auch Landfriedensbruch.

Mein Eindruck ist, dass die meisten Personen bei Gewaltdelikten vor allem an Tötungsdelikte und Körperverletzung denken. Wie ist zu erklären, dass auch Widerstandsdelike und Landfriedensbruch zu den Gewaltdelikten zählen? War das schon immer so? Wie ist Gewalt juristisch definiert? Wie läuft die Feststellung der Tatbestandsmerkmale hier ab? Einer Monitor-Reportage nach, scheinen bei einer Demo in Leipzig alle Personen, die mehr oder weniger zufällig im Polizeikessel gelandet sind, eine Anzeige wegen schwerem Landfriedensbruch erhalten zu haben.

Ohne die Statistiken weiter zurück als 2020 gesichtet zu haben erscheinen mir vor allem diese etwas abstrakteren Delikte dafür verantwortlich zu sein, dass die „Gewalt“ von links zahlenmäßig genauso groß ist wie von rechts. Bei Tötungsdelikten und Körperverletzung liegt Rechts ja klar vorne.

Diese Unschärfe hat mich auch bei einer Gesprächsrunde im DLF geärgert. Hier äußert ein Professor aus Berlin seine Meinung, dass die Gefahr von links genauso groß ist wie von rechts. Hauptargument scheinen die Statistiken (= Gewaltbereitschaft = Gefahr) der Bundesregierung zu sein.

Um sinnvoll über die Gefahren von links und rechts zu sprechen und auch miteinander zu vergleichen, muss meiner Einschätzung nach hier von Anfang an besser differenziert werden. Ohne weitere Erläuterungen oder zumindest den Hinweis auf deren Zusammensetzung besteht die Gefahr, dass die Statistiken irreführend sind und politisch auch „missbraucht“ werden können.

1 „Gefällt mir“

Beispielhaft hierfür halte ich z.B. die Reporte auf dieser Webseite der Bundesregierung. Im Hauptreport „Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022“ vom 21.04.2023 findet sich zu Tabelle 8 „Politisch motivierte Gewalttaten (insbesondere Körperverletzungen und Tötungsdelikte)“ auf Seite 7 kein Hinweis zur Zusammensetzung dieser Kennzahlen. Der Titel suggeriert (zumindest bei einem nicht-juristischen Gebraucht des Wortes „insbesondere“), dass hier insbesondere Körperverletzungen und Tötungsdelikte verglichen werden. Auf den ersten Blick scheint hier Links fast genauso gefährlich zu sein wie Rechts. Es fehlt jedoch die Information, dass diese beiden Delikte bei PMK rechts 86% der Gewaltdelikte ausmachen, bei PMK links jedoch nur 47%. Das erfährt die interessierte Person aber nur, wenn sie den weiter unten verlinkten Report „Straftaten nach Deliktsbereichen“ öffnet.

Ich vermute, dass sich ähnliche Unschärfen auch in Statistiken und Reports zu anderen Themenbereichen wie Bildung, Umwelt und Verkehr finden lassen. Daher könnte das Thema auch etwas ganzheitlicher angegangen werden: Wer entscheidet, wie diese Statistiken erstellt werden und aussehen? Gibt es Kontrollinstanzen? Werden die Inhalte debatiert?

Beste Grüße,
Ein verärgerter Bürger

2 „Gefällt mir“

Ich nehme mal an du meinst Klaus Schröder. Der schreibt für die KAS und die Achse des Guten ist aber vor allem bekannt für die stark in Kritik geratenen Studien seines Forschungsverbandes SED-Staat und sein wettern gegen die Mitte Studie aus Leipzig, bei welcher er versucht die problematischen verbreitung rechten Gedankenguts kleinzureden. Der ist die Berliner Ausformung der Hufeisen Leute und lieblingsreferenz konservativer Zeitungen wenn es um Extremismus geht. Den einzuladen ist schon eine sehr explizite Wahl in welche Richtung die Diskussion gehen soll. Entsprechend tendenziös fängt auch der DLF Beitrag an mit ziemlich expliziten Primen der Hörenden.

Sry falschen Beitrag verknüpft. @Demosthenes wäre richtig gewesen

1 „Gefällt mir“