Lieber Philip, lieber Ulf,
obwohl ich euch inhaltlich völlig zustimme, habe ich mich etwas über euren Umgang mit dem Thema in der Lage 208 geärgert. Ich habe den Bericht nicht gelesen und habe von der Pressemitteilung nur den Ausschnitt aus der Lage gehört. Mein Eindruck davon ist folgender:
Seehofer zitiert einen Bericht und erklärt dazu, dass dieser zeige, dass es kein strukturelles Problem mit Rechtsradikalen in den Behörden gebe.
Ihr kommentiert das ungefähr mit
- „Jeder Fall ist einer zu viel.“
- „Das kann ja gar nicht sein, weil das logisch ist, dass die Polizeiarbeit eher Menschen anzieht, die rechtem Gedankengut zuneigen.“
Ich stimme euch mit beidem zu, aber eure Argumentation überzeugt mich überhaupt nicht.
zu 1.: Natürlich ist jeder Fall einer zu viel, aber als Vertreter der Gegenposition würde ich dann aufhören, euch zuzuhören, denn dieses Argument kann man übersetzen mit „Wenn du nicht perfekt bist, bist du schlecht.“ Na, wenn ich als hypothetischer Vorsteher der Sicherheitsbehörden sowieso von euch runtergeputzt werde, wenn es auch nur einen Rechtsextremen bei mir gibt, werde ich nicht versuchen, da irgendwas zu verbessern, hilft ja eh nicht.
zu 2.: Da gibt es jetzt also einen Bericht, der irgendeine Zahl an Rechtsextremen benennt und eure Reaktion ist, dass es ja logisch sei, dass es viele Rechtsextreme in der Polizei gibt.
Da kommt bei mir an „Weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf!“.
Wenn das die Reaktion auf Studien ist, würde ich an Seehofers Stelle auch keine machen: Wenn rauskommt, dass es viele Rechte in der Polizei gibt, stehe ich schlecht da und wenn das Gegenteil rauskommt, sagt man „Das kann ja gar nicht stimmen.“.
Ich würde mir wünschen, dass ihr auf Studien konkreter reagiert, indem ihr entweder (viel Arbeit), herausarbeitet, was die Schwächen der Studien sind und/oder erklärt, wieso ihr die Interpretation von Seehofer für falsch haltet oder (weniger Arbeit, aber weniger überzeugend) ehrlich ansagt, dass ihr die Studie für falsch/schlecht haltet, dabei aber zugebt, dass ihr dafür außer eurer Überzeugung und gewisser Plausibilität keine Belege habt.
Wieso die Studie schlecht sein könnte, kam in Ulfs Vorrede vor, kam bei mir aber nicht so recht als Argument an, sondern als allgemeines Framing.
Fragen, die ich mir jetzt stelle, sind: Ist die Zahl, auf die der Bericht kommt, denn tatsächlich wenig?
Erklärt der Bericht seine Methodik und wenn ja, ist sie sinnvoll?
Die Art der Argumentation ist mir deshalb so wichtig, weil ich das Gefühl habe, dass öffentliche Diskussionen häufig dazu neigen, relativ wabernd für die eigene und gegen die gegenteilige Position zu reden, sodass kein Diskurs entsteht, der Menschen tatsächlich von ihrer Position abbringen kann und jeder die gleichen Argumente verwendet, wo die jeweils eigenen Ansichten wie in einen Lückentext eingefügt werden.