Umgang der BRD mit der Verherrlichung russischer Gräueltaten

Grundsätzlich richtig, kann jedoch auch schnell ziemlich komplex werden. Ich kann dazu ein Gespräch zwischen der Russin Mascha Kritchevski und dem Ukrainer Oleksii Isakov in einem ZEIT-Podcast empfehlen.

Das Internet vergisst nichts. Meine Großeltern konnten noch behaupten, dass sie nie irgendwo mitgemacht hätten. Den Leuten wird das, wenn die Geschichte zu Ende ist, mal vorhergehalten werden.

Und wenn ich das jetzt richtig verstehe, bekommen die Russen einen Ort, wo sie ihre Fahnen schwenken dürfen und der Rest ist Rusdlandfahnen-frei. Vergleichbar mit dem Raucherbereich an Bahnhof.
Das macht eben eine Demokratie im Vergleich zur Diktatur aus. Das mag einem manchmal bitter aufstoßen. Aber nur weil die russische Regierung Rechte mit Füßen tritt, sollten wir nicht das gleiche tun.

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Bei Gedenkveranstaltungen zum Ende des Zweiten Weltkriegs am Montag und Dienstag in Berlin dürfen nun doch keine russischen Fahnen gezeigt werden. Das hat das Berliner Oberverwaltungsgericht am Montag entschieden. Ebenso untersagt ist das Zeigen und Tragen der Flagge der UdSSR sowie der St.-Georgs-Bänder und St.-Georgs-Fahnen, legte das Gericht fest. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

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Das halte ich persönlich für eine zu „weiche“ Haltung. Wir (ich eingeschlossen) haben Putin und sein Russland zu lange toleriert.

Ein Verdienst, den wir auch den USA zuschreiben könnten, denn „without the use of those [US] machines, through Lend-Lease, we would lose this war“ (Stalin, Teheran-Konferenz 1943). Russland zieht seit 100 Jahren eine Blutspur durch Europa und ich bete, dass alle westlichen Militärstrategen daran arbeiten den Russen die Atomwaffen wegzunehmen.

Ne, tut mir leid. Ich schäme mich mein ganzes Leben für mein Vaterland und trage unsere Schuld für die Verbrechen des zweiten Weltkriegs mit. Das tue ich obwohl meine Großeltern väterlicherseits 1929 geboren sind, also bereits unter einer Gehirnwäsche ihrer Nazi-Eltern und der Nazi-Gesellschaft zu leiden hatten. Meine Mutter ist Polin, daher wurden mir auch die Verbrechen der Nazis und der Russen am polnischem Volk mit in die Wiege gelegt.

Ich erwarte daher von jedem Russen, dass er sich für sein Land schämt und sich klar und deutlich von Putin und den Verbrechen des russischen Volkes distanziert. Ich halte es auch so mit meinen persönlichen und beruflichen Kontakten.

Diese Zitat kann ja nur von jemandem stammen, der um 1900 geboren wurde. Dass das in den 50er/60er/70er Jahren von Zeitgenossen nicht verfolgt wurde wundert mich nicht, denn das waren ja alles Nazis mit „Persil-Schein“.

Zudem hinkt der Vergleich. Mit einer Hakenkreuzfahne auf der Straße zu tanzen war zu keinem Zeitpunkt der BRD von Strafverfolgung befreit.

Es belastet mich, dass es scheinbar für jeden Fall eine eigene Entscheidung braucht. Was müsste denn grob im Wortlaut in einem Gesetz drinstehen, dass das loben und feuern von Russland ohne Diskussion verboten wird?

Ich möchte meinen Bundestagsabgeordneten schreiben…

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Das halte ich persönlich für Verbalradikalismus. Was bedeutet es denn konkret, wenn Du oder ich oder meinetwegen alle aus diesem Forum Putin und sein Russland nicht mehr „tolerieren“?

Bei Deinen Gleichsetzungen zwischen Russland und NS-Deutschland hinkt auch so einiges.

Das kann ich nur so lesen, dass es Dich „belastet“, dass der Staat eine solide Rechtsgrundlage braucht, um etwas zu verbieten.

Sorry, aber da habe ich keine Lust, inhaltlich drauf einzugehen.

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Genau das müsste darin stehen - und ein solches Gesetz wäre extrem kritisch zu betrachten. Ähnliche Gesetze hat z.B. Südkorea, die es schlicht verbieten, in irgend einer Form positiv über Nordkorea zu sprechen - und darauf läuft es doch letztlich hinaus.

Was du hier forderst grenzt an Gesinnungsstrafrecht - daher: Wir sollen die allgemein gültigen Grundsätze des Strafrechts (z.B. dass die Straftat nachgewiesen werden muss und bei Strafrecht im Bereich der Meinungsäußerungen bei Mehrdeutigkeit das für den Beschuldigten günstigere Ergebnis zu werten ist (siehe „Nazis Töten“-Dabatte um das Wahlplakat von „Die Partei“)) in Fällen, in denen uns das Ergebnis aus politischen Gründen nicht passt, einfach mal nicht anwenden.

Sorry, aber so funktioniert das nicht - das ist der exakte Weg in eine Diktatur - und genau das wollen wir doch verhindern.

Um den vorliegenden Fall zusammen zu fassen:
Russische Fahnen schwenkend am 08/09.05 zu demonstrieren ist grundsätzlich nicht als Billigung des Angriffskrieges Russlands strafbar. ABER auf verwaltungsrechtlicher Ebene wurde das Recht, russische Flaggen auf Demos zu schwenken, aus Gründen der Gefahrenabwehr eingeschränkt (bzw. es wurde komplett verboten). Beides sind völlig unterschiedliche Sachverhalte, das eine ist Strafrecht, das andere Verwaltungs-, genauer Versammlungsrecht.

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Welche Gefahr hat man denn gesehen? Zählt das Risiko, dass jemand die Flagge zur Verherrlichung schwenkt? Oder hat man Angst davor, dass Beobachter empört sein könnten und die Lage eskaliert?

Oder genereller gefragt, was ist ein angemessenes Szenario um Gefahrenabwehr ins Feld zu führen?

Zur Begründung teilte das Oberverwaltungsgericht mit, die Prognose der Polizei, dass die Symbole angesichts des fortdauernden Angriffskrieges gegen die Ukraine geeignet seien, Gewaltbereitschaft zu vermitteln, treffe zu. „Denn sie könnten im aktuellen Kontext jedenfalls als Sympathiebekundung für die Kriegsführung verstanden werden“, heißt es in der Pressemitteilung des Gerichts.

So steht es in der Quelle, die gestern in Post #10 verlinkt wurde.

Oh danke. Das hätte man doch glatt mal anklicken können.

Ehrlich gesagt verstehe ich den Absatz aber trotzdem nicht. Weil Dritte die Flagge als Sympathiebekundung für den Angriffskrieg verstehen könnten, vermittelt die Flagge Gewaltbereitschaft? Das leuchtet mir nicht ein.

Anders gesagt, könnte man eine Demo auf der Wagner-Musik (es geht um den Komponisten, nicht die Söldner) gespielt wird, verbieten weil man Wagner als Bekenntnis zum Antisemitismus verstehen könnte?

Klar, der Vergleich ist schief, aber ehrlich gesagt verstehe ich diese Begründung so. Daher, kann jemand das Konzept der Gefahrenabwehr bitte nochmal für Dummies wie mich erklären, bitte?

Auflagen zur Gefahrenabwehr sind im Versammlungsrecht relativ normal, fast schon gewollt, da Auflagen das sanftere Mittel des staatlichen Eingriffs im Vergleich zum Verbot sind.

Das fängt schon damit an, dass es verboten ist, uniformiert zu demonstrieren (also eine permanente Auflage für Demonstrationen ist, keine Uniformen zu tragen). Das Argument ist hier u.a., dass eine uniformierte Demonstration dazu geeignet sein kann, Menschen einzuschüchtern - und das soll vom Demonstrationsrecht nicht gedeckt sein.

Gleiches gilt für Russland-Flaggen. Ein Heer von Russland-Flaggen schwenkender Menschen kann von einem Ukrainer in der aktuellen Zeit doch nur als „einschüchternd“ empfunden werden - selbst dann, wenn die Russland-Fahnen-Schwenker „nur“ den Sieg über Nazideutschland und nicht den aktuellen Angriffskrieg feiern wollen.

Dazu kommt immer der Aspekt der öffentlichen Ordnung. Das Letzte, was wir nun in Deutschland wollen, wären Straßenschlachten zwischen Russischen Kriegsbefürwortern und Ukrainischen Flüchtlingen. Deshalb wurden zu Beginn von der Berliner Polizei ja auch sowohl ukrainische als auch russische Flaggen verboten. Hier haben die Gerichte dann aber zu Recht entschieden, dass das Verbot ukrainischer Flaggen unverhältnismäßig ist, weil das Anliegen ukrainischer Menschen, auf sich (und damit auf die Situation der Flucht vor dem Angriffskrieg) aufmerksam zu machen, so viel schutzwürdiger ist als das Interesse russischer Nationalisten, darauf aufmerksam zu machen, wie toll sie Russland finden :wink: Oder anders gesagt: Man will das Opfer in diesem Konflikt nicht unsichtbar machen.

Aber hier sieht man schon, dass es relativ komplexer Abwägungen bedurfte, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass russische Flaggen verboten aber ukrainische Flaggen zulässig sein sollen. Und natürlich spielt es zwischen den Zeilen auch eine Rolle, dass Deutschland politisch auf der Seite der Ukraine steht.

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Nein, ich wünsche mir dass diese solide Rechtsgrundlage in einem Gesetz existiert und nicht jedes Gericht aufs neue feststellen muss, dass das Schwenken der Russischen Fahne in der heutigen Zeit als Billigung des Russischen Angriffskrieges verstanden werden kann.

Unser Parlament soll sich den hohen rechtsstaatlichen Hürden stellen und ein Gesetz entwerfen, dass auch einer kritischen Betrachtung wie zum Beispiel der von @Daniel_K in seinem Beitrag standhält.

Ich schäme mich einfach jedes mal, wenn ich von Ukrainern in unserem Helferverein mit diesen Bildern und Fragen konfrontiert werde. Was soll ich den antworten? Eure Männer und Brüder kämpfen auch für die Freiheit der Russen?

Lettland geht da einen viel pragmatischeren und selbstsichereren Weg:

Demnach müssen ethnische Russ*innen, die keine lettischen Staats­bür­ge­r*in­nen sind, bis zum 1. September dieses Jahres Lettischkenntnisse nachweisen, andernfalls wird ihr Aufenthaltstitel annuliert. [TAZ]

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Du findest es also „pragmatisch und selbstsicher“, dass ein Staat mit einem extrem problematischen Staatsangehörigkeitsrecht, Menschen, die zum großen Teil schon vor über 30 Jahren in dem Land lebten, nicht nur die Staatsangehörigkeit verweigert, sondern ihnen nun auch noch das Aufenthaltsrecht entziehen will? Da bin ich raus!

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Problematisch am Urteil des OVG finde ich genau deshalb, dass Flaggen der UdSSR mit denen der Russischen Förderation gleichgestellt wurden. Ich weiß schon, dass diese für viele Menschen aus der Ex-Sowjetunion und Ex-Warschauer-Pakt-Staaten im wahrsten Sinne des Wortes ein „rotes Tuch“ ist, aber dennoch: ausgerechnet am 9. Mai in Berlin?

Historisch gesehen gäbe es ja keinen Grund, mit einer weiß-blau-roten Flagge den Sieg von 1945 zu feiern - das hätte das Gericht also nachvollziehbar als Identifikation mit der aktuellen Instrumentalisierung des „Großen Vaterländischen Krieges“ durch das Putin-Regime interpretieren können.

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Das ist durchaus eine berechtigte Kritik am Urteil. Solche Urteile werden genau mit solchen Argumenten in juristischen Fachpublikationen regelmäßig kritisiert. Richter sind letztlich auch nur Menschen und bei all den Entscheidungen und Abwägungen, die sie in so einem Verfahren fällen müssen, wird es immer auch Raum für Kritik geben.

Daher stimme ich dir zu, dass man durchaus sagen kann, dass das Verbot von UdSSR-Flaggen und St. Georgs-Bändern zu weit geht. Die Gegenargumentation würde jedoch darauf verweisen, dass gerade das St. Georgs-Band (und auch UdSSR-Flaggen) als Erkennungszeichen von Unterstützern des russischen Angriffskrieges benutzt wurden und deshalb in vielen postsowjetischen Ländern verboten sind, wie bei uns die Reichskriegsflagge als Ersatzsymbol der Hakenkreuzflagge.

Anders ausgedrückt: Es geht hier ähnlich wie bei der Reichskriegsflagge (von 1892 bis 1921 verwendet, daher eindeutig kein direkter Nazi-Bezug) darum, dass der historische Kontext und die konkrete Verwendung (als Ersatzsymbol für ein verbotenes Zeichen) auseinanderfallen.

Ob man jedem, der am 08/09 Mai mit einer UdSSR-Flagge demonstrieren will, unterstellen kann, damit eigentlich eine Russland-Flagge zu meinen, kann man natürlich kritisch hinterfragen und dadurch zu einer anderen Bewertung kommen.

Was ich damit verdeutlichen will, ist nur, dass die Argumentation des OVG, auch UdSSR-Flaggen und St.Georgs-Bänder nicht zuzulassen, zumindest vertretbar ist. Man kann mit diesem Urteil unzufrieden sein, weil man sich andere Abwägungen gewünscht hat, aber es ist kein Fehlurteil.

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Grundsätzliche Zustimmung. Ich würde nur nochmal stärker zwischen Sowjet-Flagge und St.-Georgs-Band unetrscheiden. Letzteres wurde in und von der Russischen Föderation schon seit 2014 massiv als Zeichen für die Unterstützung der sogenannten „Separatisten“ im Donbass eingesetzt und hat somit eine klare Umkodierung erfahren. Das gilt für die Flagge der UdSSR so m. E. nicht.
(anekdotische Ausnahmen bestätigen die Regel: Ich habe in Israel am 9. Mai mal einen Veteranen gesehen, der die Uniform der Roten Armee trug, dazu das St.-Georgs-Band und eine ukrainische Flagge).
Und ich würde auch tatsächlich zwischen dem 8. und dem 9. Mai unterscheiden - das Datum ist in diesem erinnerungspolitischen Kontext alles andere als beliebig.

Ja.

Bei diesen Menschen handelt es sich um Besatzer die in ihrer Vergangenheit aktiv daran gearbeitet haben die Lettische Sprache, die Lettische Bevölkerung zu vernichten:

[Die] Maßnahmen der sowjetischen Zentralregierung [drohten] die lettische Bevölkerung zur Minderheit in ihrem eigenen Land zu machen. Der bereits erwähnten ersten großen Welle der Massendeportation im Jahr 1941 folgten zwei noch größere im Jahre 1945 und im März 1949.

Betroffen waren überwiegend lettische Bauern, mehrheitlich Frauen und Kinder, die in diverse Gebiete Sibiriens zwangsumgesiedelt wurden. Neueren Berechnungen zufolge wurden in den Jahren 1940 bis 1953 etwa 140.000 bis 190.000 lettische Staatsbürger von der Sowjetmacht deportiert oder inhaftiert.[21] Bürger aus anderen Regionen der UdSSR wanderten dagegen in Lettland ein und übernahmen dort führende Positionen.

(…)

Wer die sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in Sibirien überlebte, durfte erst nach Stalins Tod im Jahr 1956 zurückkehren.[23] Es war jedoch verboten, über das geschehene Unrecht zu reden, so dass die Aufarbeitung erst im Zuge der politischen Veränderungen ab 1987 erfolgen konnte.

(…)

Die Landwirtschaft wurde kollektiviert. Die lettische Industrie wurde verstaatlicht und in Kombinaten organisiert. (…) Die forcierte Industrialisierung diente auch der Russifizierung.

1935 lebten in Lettland 77 % Letten, 8,8 % Russen, etwa 5 % Juden, etwa 4 % Deutsche, 2,5 % Polen, 1,4 % Weißrussen und 0,1 % Ukrainer.

Dagegen 1989 waren es nur noch 52 % Letten, aber 34 % Russen, 4,5 % Weißrussen, 3,5 % Ukrainer, 2,3 % Polen und 1,3 % Litauer.
[Geschichte Lettlands]

Das ist jetzt wieder die Diskussion, inwiefern der Zweck die Mittel rechtfertigt.

Dazu schrieb ich ja schon häufig - auch wenn das ein unpopulärer Standpunk zu sein scheint - dass die Zweck-Mittel-Relation sehr stark von der Stabilität des jeweiligen Systems abhängt.

Daher: In einem stabilen Land wie Deutschland verstoßen manche Dinge klar gegen die Zweck-Mittel-Relation, die in einer instabileren Situation (z.B. Ukraine seit der Annexion der Krim, Baltikum im Hinblick auf die Bedrohung durch Russland, Südkorea im Hinblick auf die Bedrohung durch Nordkorea, Israel im Hinblick auf den Terrorismus) unter Umständen noch als Verhältnismäßig angesehen würden.

Recht ist immer ein Stück weit relativ, so sehr wir uns auch wünschen würden, dass es mehr „universelle“ Rechte gäbe.

In diesem Kontext werfe ich es den baltischen Staaten oder der Ukraine nicht vor, wenn sie versuchen, jeden russischen Einfluss zurück zu drängen, während das in Deutschland hochgradig problematisch wäre. Denn: Unser Staat ist stark genug, sich mit russischer Einflussnahme auseinander zu setzen, ohne, dass er dadurch maßgeblich in seiner Existenz gefährdet wird. Im Baltikum oder in der Ukraine ist durch russische Einflussnahme jedoch eine ganz konkrete Gefährdung der staatlichen Existenz zumindest denkbar, sodass hier mehr Mittel verhältnismäßig sind, um dies zu verhindern, als bei uns.

Kurzum:
Ich kritisiere die Letten im Hinblick auf ihre individuelle Situation nicht für ihre harte Linie gegen die russischstämmige Bevölkerung (wenngleich ich hinterfragen würde, ob das zum richtigen Ziel führt, aber das ist eine andere Diskussion), aber ich halte derartige Maßnahmen in Deutschland für nicht rechtstaatlich vertretbar, weil sie unverhältnismäßig wären.

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Eine heute 75-Jährige, die irgendwann in der Zeit der Sowjetunion mal innnerhalb eines Staates umgezogen ist (sagen wir mal von Nowgorod nach Riga), die ihr Leben lang nur Russisch gesprochen hat und nun mit über 70 keine Fremdsprache mehr lernen kann oder will ist für Dich also eine „Besatzerin, die aktiv daran gearbeitet hat, die lettische Bevölkerung zu vernichten“ - da sag ich nur: Don’t feed the troll!

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Ja. Wenn sie zu Sowjetzeiten nach Riga umgezogen „wurde“ hatte ja genug Zeit Lettisch zu lernen.

Aus dem verlinkten TAZ Artikel, ein paar Zeilen weiter oben:

Russisch spricht auch eine Mitarbeiterin am Stand, die hinter einer Scheibe Teig für einen Strudel vorbereitet. Sie sei Russin, erzählt die Frau und noch zu Sowjetzeiten nach Lettland gekommen. Ihr Mann, ihre Kinder und Enkel hätten alle lettische Pässe. Sie hingegen sei laut Ausweisdokument „Nichtbürgerin“, habe jedoch eine ständige Aufenthaltsberechtigung.

Die lettische Sprache beherrsche sie kaum. Sich einbürgern zu lassen, habe sie daher nie versucht. „Mich dieser Prozedur zu unterziehen, das ist für mich erniedrigend“, sagt sie. Dann ballt sie ihre Faust, reckt sie in die Höhe und fügt lachend hinzu: „Hier in meiner Ecke weht noch ein echter russischer Geist.“

Ich vermisste dabei ein wenig die Binnendifferenzierung.

Ja, die Menschen hatten genug Zeit, lettisch zu lernen. Aber in manchen Fällen war das schlicht nicht nötig - und Menschen sind grundsätzlich erst mal faul, sodass Dinge, die nicht als nötig empfunden werden und anstrengend sind (z.B. lettisch lernen, wenn man in einer russischen Community in Lettland wohnt) gerne mal auf die lange Bank geschoben werden. Das ist verständlich und ich würde den Menschen dabei keinen bösen Willen unterstellen.

Natürlich ist es wünschenswert, dass jeder Bürger eines Landes die Landessprache spricht - das gilt für alle Länder ziemlich uneingeschränkt. Aber direkt jeden auszuweisen, der das aktuell nicht leisten kann und vielleicht altersbedingt auch nicht mehr leisten will (also 60-jährige jetzt noch in verpflichtende Sprachkurse zu stecken erscheint mir fragwürdig…) hielte ich dann doch für übertrieben.

Daher:
Generell habe ich Verständnis dafür, dass Lettland von der russischen Minderheit offensiv einfordert, Lettisch zu lernen. Aber bevor es zu harten Maßnahmen wie Ausweisungen kommt, muss eine Einzelfallprüfung erfolgen. Grundsätzlich würde ich sagen: Desto jünger der Mensch, desto stärker ist die Pflicht, die Landessprache zu lernen. Zumal die Gefahr russischer Einflussnahme ja auch vor allem bei Männern in wehrfähigem Alter besonders groß ist. Ob der 70-jährige jetzt Lettisch spricht ist da eher nebensächlich, gleiches gilt für 70-jährige Türken in Deutschland und die deutsche Sprache…

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