Leider ist das nicht korrekt und bei aller berechtigten Abneigung gegen Putin und den imperialistischen Kurs Russlands muss man hier vorsichtig sein, nicht selbst in Propaganda zu verfallen.
Nach dem Fall der Sowjetunion war erst nur Ukrainisch Amtssprache in der Ukraine. Janukowytsch, der ja eher pro-russisch orientiert war, wollte das 2012 über ein neues Sprachengesetz ändern, indem Minderheitensprachen dort, wo viele Menschen der jeweiligen Minderheit lebten, zur Amtssprache gemacht werden durfte. Das war vor allem Russisch, offensichtlich. Die Tatsache, dass es zu dieser Gesetzesinitiative zu Schlägereien im Parlament gekommen ist, über die weltweit berichtet wurde zeigt schon, wie emotionsgeladen dieses Thema war.
Gerade weil im Osten der Ukraine und auf der Krim Russisch die dominante Erstsprache war und gerade weil das Putin starke Einflussmöglichkeiten in diesen Bevölkerungen gegeben hat (denn russische Muttersprachler werden i.d.R. russische Medien den ukrainischen bevorzugen und damit massiver Propaganda ausgesetzt) hat die Ukraine Janukowytschs Sprachengesetz direkt nach dem Euromaidan zurückgenommen und 2019 das Sprachengesetz dahingehend geändert, dass Ukrainisch die einzige Amtssprache ist und Beamte - auch in Landesteilen, in denen der größte Teil der Bevölkerung Russisch zur Erstsprache hat - in ihrer dienstlichen Funktion ukrainisch sprechen müssen.
Das führt natürlich dazu, dass die Karriereoptionen der Ukrainer, die in russischsprachig-dominierten Landesteilen aufgewachsen sind und dort auch nur wenig Ukrainisch gelernt haben, schon recht stark begrenzt wurden.
Man kann das eine nicht vom anderen trennen.
Sprache ist das zentrale kulturelle Element einer Gesellschaft. Putin selbst betont immer wieder, wie die russische Sprache das verbindende Element der postsowjetischen Staaten ist - und in dem Punkt hat er durchaus Recht. Mit der Sprache entscheidet sich, welche Medien konsumiert werden und welche Kultur ein Mensch als seine eigene sieht (z.B. im Bereich der Literatur und Kunst). Auch hier in Deutschland sieht man immer sehr gut, dass Sprache und gesellschaftliche Integration Hand in Hand gehen. Sprache spielt hier eine Schlüsselrolle - und das gilt auch für die Ukraine. In Landesteilen, in denen 90% der Bevölkerung russische Muttersprachler waren und das Alltagsleben durch die russische Sprache geprägt war, haben sich einfach schnell russland-nahe Parallel-Gesellschaften entwickelt.
Es ist kein Zufall, dass die Wahlergebnisse des pro-russischen Präsidenten Janukowytsch nahezu proportional zum Anteil der russischen Muttersprachler waren, ebenso wie die Umfrage dazu, ob Russisch zweite Amtssprache werden sollte - oder umgekehrt, dass die Zustimmung dazu, ob die Ukraine sich Richtung EU orientieren sollte, in den Bereichen am niedrigsten war, in denen die meisten russischen Muttersprachler leben.
Ich sage übrigens nicht, dass es die Schuld der Ukraine ist, dass man die russischsprachigen Bevölkerungsteile nicht wirklich integrieren konnte. Das Problem bleibt leider: Gibt man der russischen Sprache eine Sonderstellung gibt man damit automatisch Russland mehr propagandistischen Einfluss auf die eigene Bevölkerung, tut man es nicht, ist es hingegen für Demagogen wie Putin leicht, der Bevölkerung den Eindruck zu vermitteln, dass sie benachteiligt würden. Der Umgang mit größeren Bevölkerungsminderheiten, die andere Sprachen sprechen, ist in allen Staaten schwierig - dabei gilt grundsätzlich: Desto positiver die Verhältnisse zwischen den Staaten sind, desto unproblematischer ist es. Daher macht die dänische Minderheit in Schleswig-Holstein oder die französischsprachige Minderheit im Saarland auch wenig Probleme, hier plant man sogar, Französisch zur zweiten Amtssprache zu machen. Wenn das Nachbarland die sprachliche Prägung der Bevölkerung nicht zum eigenen Vorteil ausnutzen will, ist das auch alles gut und richtig so.
Dummerweise zeigt Russland, dass es bereit ist, russischsprachige Minderheiten gezielt aufzuwiegeln, um die eigenen imperialistischen Ambitionen zu verfolgen. Ob man in dieser Situation die „fremde“ Sprache unterdrückt oder fördert, man kann es eigentlich nur falsch machen, eine ideale Lösung gibt es für dieses Dilemma nicht.