Ich halte das auch für traurig und würde lieber in einer Welt leben, in der es überall Frieden, Freiheit und Grund- und Menschenrechte gäbe. Aber leider ist die Welt nicht so, und in den letzten Jahre habe ich den Eindruck, dass diese Werte eher auf dem Rückzug sind und totalitäre wirkmächtiger werden.
In dieser Realität halte ich es für notwendig, dass die, die diese Werte für wichtig halten, auch die militärische Stärke aufbauen, sie zu verteidigen.
Im Grunde möchte ich dir recht geben @der_Matti. Aber leider gilt das nur für den Blick mit unserer Westler-Brille. Genauso gibt es in den betroffenen Ländern auch nicht wenige Menschen, die die westlichen Interventionen ablehnten.
Nimm als Beispiel den syrischen „Bürger“-Krieg oder Libyen. Die Bevölkerung war keineswegs eindeutig gegen ihre Machthaber, sonst hätte dieser auch ohne uns keinen Rückhalt gehabt. Stattdessen haben wir uns auf die Seite von Rebellen gestellt, ebenso wie Russland 2014 in Luhansk und dem Donbass.
Zumal in Syrien ganz klar außenpolitische Gründe mit im Fokus standen. Russland hat dort wichtige Militärbasen (bspw. Tartus). Ein Regimechange hätte Russland deutlich geschwächt. Und Russland agiert dort legitim auf Bitte des syrischen Präsidenten. Von russischer Einmischung kann dort keine Rede sein.
Es gibt übrigens einen Grundsatz internationalen Rechts, nämlich sich aus rein inneren Angelegenheiten heraus zu halten (sofern es keine UN Resolution gibt).
Entschuldige, in meinem Satz fehlte ein Einschub. Ich habe ihn hinzugefügt. Richtig sollte es heißen
Und natürlich sehe ich das Problem mit der Uneinigkeit der UN. Zur Wahrheit gehört aber auch hier dazu, dass der Westen diese Waffe auch regelmäßig zieht, bspw. wenn es um berechtigte Kritik und Sanktionen gegen Israel geht.
Uns wäre sicher allen geholfen, wenn wir die Maske der Doppelmoral öfter absetzen würden.
Aber der Unterschied ist dann doch, dass die jetzige Unterstützung nicht im Geheimen stattfindet. Sie wird offen kommuniziert, weswegen man sich sehr vorsichtig herantasten musste, was „akzeptiert“ wird und was ggfs eine Eskalation ausgelöst hätte.
Die USA hatten jedes Recht, in Afghanistan ein Terror-Netzwerk zu zerschlagen, dass für Tausende tote Amerikaner verantwortlich war (und nebenbei noch ein Steinzeit-Regime, dass Menschen in Fußballstadien gesteinigt hat zumindest für 20 Jahre von der Macht im Staat weggehalten). In Syrien und Libyen hat man Aufständische gegen diktatorische Regime unterstützt, das im Falle Libyens jahrzehntelanger Sponsor des internationalen Terrorismus war. Einzig der Irak-Krieg war von Beginn an ein Riesen-Fehler.
Schön die Rechtsauffassung des kommunistischen Chinas geteilt. Ich sehe ein freies Land, was durch einen Aggressor existenziell gefährdet ist…wenn wir so ein Land nicht unterstützen, können wir internationale Politik auch ganz sein lassen.
Ein Präsident, der sein eigenes Volk mit Fassbomben bombardiert und Millionen in die Flucht getrieben hat. Die im Regelfall auch nicht mehr zurück möchten, weil sie dort auch nicht besonders willkommen sind.
Das ist alles relativ. Natürlich wurde das damals von offizieller Seite abgestritten. Aber es war ein offenes Geheimnis, dass sie stattgefunden hat. Und mit „offen“ meine ich nicht nur, dass die Gegenseite davon wusste, sondern dass es der Bevölkerung des jeweils unterstützenden Landes bekannt war (so sie es denn wissen wollte).
Ich könnte jetzt viel zu dem schreiben was du hier argumentierst. Aber ich glaube wir haben da grundlegend unterschiedliche Ansichten von Recht.
Für mich sollte Recht universell gelten. Wir können uns nicht herausnehmen gegen Recht zu verstoßen, nur weil es unsere liberal-demokratischen Ansichten in anderen Staaten verbreitet. Wir müssen uns darüber klar sein, dass unsere Ansichten historisch und auch global eher dem Sonderfall, nicht dem Normalfall entsprechen. Und das unsere Interventionen selten ein stabileres Land schafften. Stattdessen geht es vielen Menschen nach dem Abzug westlicher Truppen eher schlechter als zuvor.
Anyway, zur Taiwanfrage gab es schon etliche Diskussionen. Aus meiner Sicht hat @Daniel_K den Stand gut zusammengefasst.
Nochmal in Kürze, ich habe Sympathien für die menschenrechtliche Komponente unserer westlichen Interventionen. Aber man tut aus meiner Sicht gut daran, sich in die andere Position hineinzuversetzen. Und da kann ich jeden nachvollziehen, der der westlichen Welt Doppelmoral par excellence vorwirft.
Ich an deren Stelle würde dem Westen nicht vertrauen, dass dieser sich an eine Message wie „Militärische Intervention lohnt sich nicht, weil es internationale Interventionen militärischer Art zu befürchten gibt.“ selbst hält.
Man hat Libyen in die Steinzeit gebombt und nennt es Fortschritt, dass es dort jetzt immerhin wieder Sklavenmärkte gibt. Tut mir leid, aber gerade in Libyen kann ich den positiven Beitrag des Westens beim besten Willen nicht erkennen.
Das ist aber auch die Auffassung unserer Regierung, die die Ein-China-Politik unterstützt und die VR China als alleinigen Vertreter Chinas anerkennt. So lange es keine in gegenseitigem Einvernehmen getroffenen anderen Vereinbarungen gibt sind die 1945 von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges definierten Grenzen verbindlich, und Taiwan wurde damals China zugesprochen. Die demokratischen Errungenschaften Taiwans in allen Ehren, aber völkerrechtlich ist entweder Taiwan ein Teil Festlandchinas, oder Festlandchina ein Teil Taiwans.
So wie ich das sehe, begeht die Wagner-Gruppe gerade Kriegsverbrechen in Mali und Russland in der Ukraine.
Vielleicht sollte man sich darauf konzentrieren.
Ohne die chinesische Kriegsdrohung könnte Taiwan längst eine unabhängige Republik sein, die von der freien Welt auch anerkannt würde. Geradezu zynisch ist in diesem Fall der Hinweis auf das Völkerrecht, das ansonsten China nichts bedeutet, siehe seine genozidale Politik gegenüber Minderheiten. In der Zentrale der KPC lacht man sich über eine solche Haltung sicher kaputt.
Wir - daher der Westen - sehen uns als Verfechter des Völkerrechts, weil wir realisieren, wie wichtig ein stabiles Völkerrecht ist, gerade um Kriege zu verhindern. Das ist in der Ukraine leider gescheitert, gerade weil es leider mit Russland und China zwei mächtige Staaten gibt, die das Völkerrecht fragwürdig auslegen.
Was du nun forderst, ist, es genau so wie China und Russland zu tun. Dadurch wäre das Völkerrecht offiziell Tot und Begraben, weil dann China und Russland - mit Recht - sagen würden: „Ihr haltet euch an das Völkerrecht doch auch nur, wenn es euch in den Kram passt - warum sollten wir uns dann daran halten?!?“
So funktioniert das einfach nicht. Wir - daher der Westen - haben ein Interesse an der Stärkung des Völkerrechts. Deshalb können wir es nicht nach belieben brechen, weil wir dadurch das Völkerrecht nur noch weiter schwächen. Und das bedeutet dann eben auch, mal völkerrechtlich unschöne Resultate zu akzeptieren, ebenso wie wir in der Justiz in einem Rechtstaat hin und wieder Resultate akzeptieren müssen, die nicht mit unserem Rechtsempfinden übereinstimmen.
Für den ein oder anderen Teilnehmer hier müsste erst geklärt werden, ob die Wagner Gruppe in Mali nicht durch die „legitime“ Regierung „eingeladen“ wurde.
Sie legen sich das Völkerrecht nicht fragwürdig aus, sondern brechen es. Buchstäblich täglich.
Recht ohne die Möglichkeit es auch durchzusetzen, ist zahnlos. Sich daran zu binden, während andere es regelmäßig brechen, ist sinnlos.
Und um noch mal die Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen, hier ein Artikel aus dem letzten Jahr, der zeigt, dass in Syrien eher mehr westliche Intervention nötig gewesen wäre. Von Russlands Einsatz samt zahlloser Kriegsverbrechen in Syrien bis zur Invasion in der Ukraine führt eine gerade Linie.
Zitat von UN-Generalsekretär Guterres anlässlich seiner kommenden Agenda für den Frieden:
„Einsätze zur Friedenssicherung können nicht erfolgreich sein, wenn da kein Frieden ist, der zu bewahren ist.“
Damit beschreibt er das Dilemma der UN ganz treffend.
Wie hier im Thread schon erwähnt, funktioniert sowas nicht, wenn man mit einem festen westlichen Wertebild in die Welt zieht und versucht, dieses Bild 1:1 überzustülpen, ohne sich der kulturellen und historischen Gegebenheiten vor Ort klar zu sein, auch wenn sie uns nicht gefallen.
Der Friedensprozess wird realistischerweise ein oder zwei Generationen in Anspruch nehmen. Ein heutiger Verhandlungsansatz kann nur versuchen, diesen Friedensprozess einzuleitet und dafür wäre der erste Schritt einen - an Bedingungen geknüpften - Waffenstillstand zu erwirken.
Die Waffenstillstandsverhandlungen können aber nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten den Eindruck haben, dass sich dadurch das zukünftige Kräfteverhältnis nicht zu ihren Ungunsten verschiebt bzw. nicht schneller verschiebt, als bei einer Fortführung der Kampfhandlungen.
Bei einem jetzigen, bedingungslosen Waffenstillstand würde die Ukraine zunehmend mit westlichen Waffen versorgt werden, den Kampfwert ihrer Truppen durch die Schulung an diesen Waffen erhöhen und außerdem Verteidigungsstellungen auf-/ausbauen können. Auf russischer Seite sehen ich hingegen nicht so signifikante Vorteile, im Gegenteil ist sie nun vom Angriff in die Verteidigung übergegangen, was die Opferzahl drastisch reduziert und sicherlich auch zu einem Anstieg der Moral bei den Soldaten und der Zivilgesellschaft geführt hat.
Welche Waffenstillstandsbedingungen können also für Russland annehmbar sein? Es müsste ein Regime der Rüstungskontrolle eingeführt werden mit dem Ziel, das aktuelle Kräfteverhältnis zu erhalten. Allerdings wird Russland sich sicherlich nicht auf einen bilateralen Vertrag mit der Ukraine einlassen, sondern die NATO bzw. USA als Verhandlungspartner fordern. Darauf wiederum kann sich die USA nicht einlassen bzw. muss fordern, dass auch China sich dieser Rüstungskontrolle anschließt. China wiederum sieht, dass sich das Kräfteverhältnis kontinuierlich zu ihren Gunsten verschiebt und hat daher wenig Interesse, das aktuelle Kräfteverhältnis zu erhalten.
Fazit: Keine kurzfristige Verhandlungslösung in Sicht.
Worst case Szenario: der westliche Nachschub zur Ukraine reicht nicht aus, Russland startet eine erfolgreiche Offensive und zwingt die Ukraine zur Kapitulation. Die ganze Ukraine wird von Russland besetzt und zu russischem Staatsgebiet erklärt, im Land finden von Russland initiierte „Säuberungsaktionen“ statt.
Wie würden die westlichen Staaten und die NATO/USA damit umgehen?
Sorry, aber welchen Sinn hat es, sich hier über das „what if“ irgendwelcher Fantasieszenarien zu unterhalten? Russland hat auf Jahre absehbar keine Offensivkapazitäten, um auch nur einen ähnlichen Angriff auf die Ukraine zu wiederholen wie im Februar 2022 - geschweige denn einen erfolgreicheren Angriff. Russland tut derzeit alles, was es kann, um der Ukraine zu schaden: Drohnen- und Raketenangriffe auf kritische Infrastruktur (Energie- und Wasserversorgung), Nahrungsmittelvorräte und Wohngebiete, Zerstörung von Staudämmen, massenhafte Verminung und Artilleriebeschuss etc. pp. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Russland zu irgendwas „Schlimmeren“ in der Lage wäre, was diesem Ziel nutzen würde, es aber gerade aus irgendwelchen Gründen nicht tut.
Viel wahrscheinlicher ist das Szenario, dass der Krieg de facto „einfriert“, weil die Ukraine langfristig nicht genügend Unterstützung bekommt und der Abnutzungskrieg irgendwo in der Nähe der heutigen Front zu einem Stellungskrieg wird.
Nun, der Gedanke dahinter war, das man zu Beginn des Afghanistan-Konfliktes auch die Taliban für dauerhaft irrelevant bezeichnet hat.
Die Frage ist halt eher, ob man Gegner nicht manchmal zu schnell abschreibt.
Aber gut, bedeutet im Grunde, jegliche Diskussion ist im Grunde überflüssig, da wir es eh nur abwarten können und keinerlei Einfluss Möglichkeiten haben.
Zwischen „komplett irrelevant“ und „Russland schafft in absehbarer Zeit das, woran sie im Februar 2022 krachend gescheitert sind“ gibt es ja realistsiche Szenarien in Hülle und Fülle. Ich habe nichts gegen Diskussionen, auch gerne mal über Szenarien, die nur möglich sind, aber den von Dir skizzierten „worst case“ finde ich schon extrem unwahrscheinlich.
Ich finde es nur gefährlich. Russland jetzt schon abzuschreiben. Dann wären ja die Verteidigungsaufeendungen der NATO quasi unnötig, wenn von Russland langfristig keine Offensuvgefahr ausgeht.
Ich habe nie etwas von „abschreiben“ gesagt und auch nicht von langfristigen Perspektiven. Aber was langfristig in Russland passieren könnte, ist wirklich eine ganz andere Frage als die möglichen Szenarien für das Ende der aktuellen russischen Agression gegen die Ukraine.