Ukraine-Krieg: Welche strategischen Optionen der USA zeichnen sich ab?

Aus USA-Sicht stellt sich die Frage, was ihren globalen Machtanspruch eher gefährdet:

  1. ein Bündnis zwischen Russland und China
  2. ein Bündnis zwischen Russland und Europa
  3. ein Russland, dass sich als mächtig genug sieht um bündnisfrei zu bleiben.

Ich gehe davon aus, dass die US-Strategen genau wissen, welche dieser Optionen sie anstreben und wie sie den Ukraine-Konflikt nutzen wollen, um Russland von den anderen Optionen wegzulenken. Je nach gewählter Option, könnte das Engagement der USA eher Züge von Symbolpolitik oder von einem ausgewachsenen Stellvertreterkrieg annehmen.

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Die wahrscheinlichste Option geht in Richtung Nr.1, obwohl Russland hier zum Juniorpartner, wenn nicht sogar zum Vasallen wird. Die Machtgefälle, vor allem das wirtschaftliche, ist jetzt schon extrem assymetrisch.
Option Nr. 2 ist unmöglich, die geopolitischen, sicherheitspolitischeb und ideologischen Interessen/Ansichten Putins Russland sind im Widerspruch zu unseren.
Option Nr. 3 ist irrelevant. Russland, mit einer Volkswirtschaft die bereits 2021 kleiner war als die von Brasilien (siehe Link unten), ist keine ebenbürtige Bedrohung für die USA und somit auch uns als Westen. Das wusste auch Obama, als er Russland als „Regionalmacht“ betitelt hat. In den 2010er Jahren war es wahrscheinlich zu früh hierfür aber mittel- bis langfristig wird das der Fall sein (v.a. mit den jetzigen Sanktionen). Die künftige Auseinandersetzung wird mit China sein. Der strategische Shift der USA in den Indo-Pazifik begann bereits in den 2000ern.

Es geht hier nicht darum, welche Option sich bei den aktuellen Rahmenbedingungen am wahrscheinlichsten einstellen wird, sondern welche Option die US-Strategen anstreben.

Ich stimme zu, dass ein Bündnis zwischen Russland und China aktuell am wahrscheinlichsten erscheint. Ich habe aber auch den Eindruck, dass dieses Bündnis die gefährlichste Option für die USA darstellt, insbesondere wenn sich auch noch die meisten Staaten von Zentralasien bis nach Syrien diesem Bündnis anschließen würden. Falls die US-Strategen das ähnlich sehen, wären sie gut beraten mit Russland eher die Kooperation als die Konfrontation zu suchen.

Das hängt ggf langfristig auch von der jeweiligen Regierung der USA ab.
Unter Donald Trump wäre auch eine denkbare Option, Europa komplett an seinen Kumpel Wladimir fallen zu lassen und sich mit ihm gegen China zu verbünden. So hat man den teuren und unselbständigen Ballast auf dem Kontinent direkt vom Bein. (Sarkasmus Ende)

Machtpolitisch scheint mir das auch am sinnvollsten. Der Westen alleine wird wohl nur schwer ein ausreichendes Gegengewicht zu China (+Russland) bilden können. Nichtsdestotrotz erscheint mir das innenpolitisch schwer zu verkaufen.

In den USA (und auch vielen anderen NATO Ländern) gibt es eine gewisse Russo-Phobie und die ist mit dem Ukraine Krieg sicher (und berechtigt) nicht besser geworden.

Hypothese: Vielleicht pokert Putin genau darauf das Zünglein an der Waage zu sein. China scheint sich dessen bewusst und lässt das trotz massiver internationaler Verbrechen durchgehen (zumal es u.U. im eigenen machtpolitischen Interesse ist). Mit Einschränkungen würden wir so Russland in Chinas Arme treiben und damit unsere strategische Schwäche verschlimmern.

Ich glaube Deinen Standpunkt verstehe ich nicht ganz.

Strategen der USA werden ja sicherlich in ihren Überlegungen mit einbeziehen, für wie wahrscheinlich sie die Bereitschaft des russischen Regimes zu einer Koorperarion halten.

In meiner Wahrnehmung wird ja sowohl in Russland als auch in China sehr intensiv (und auch sicher nicht ungerechtfertigt) die globale Dominanz vom sogenannten Westen als problematisch und überwindenswert beschrieben. Gleichzeitig sind diese beiden Parteien in einer gewissen Von China geführten Partnerschaft.
Was glaubst du, würde amerikanische Strategen glauben lassen, dass im russischen Regime ein mittelfristitig verlässlicher Partner zu finden sei?

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Wieso sollten sich diese Staaten den Chinesen anschließen? Da fehlt es an einer ganzen Bandbreite an weiteren Faktoren. Zum Beispiel regionale Machtfragen wie Saudis vs. Iraner; Verwestlichung von ehemaligen Ostblockstaaten usw usw.

Da ließt man schon beinahe heraus, dass es mal wieder die ominösen Kräfte in den USA sind, die für den russischen Krieg verantwortlich seien :sleeping:

Aber naja, dass die geo- und sicherheitspolitischen sowie ideologischen Unterschiede eine Kooperation unmöglich machen habe ich ja schon einmal geschrieben.

Ich werfe einfach mal den BRICS-Gipfel von gestern in den Raum.

BRICS (also Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) ist zwar aktuell nur eine mäßig gefestigte Interessengruppe, aber beim gestrigen BRICS-Gipfel wurde schon deutlich, dass diese Länder sich auch alle eher in pro-russisch positionieren und hier eine langfristige „anti-westliche“ Allianz entstehen könnte.

Dazu muss man sagen, dass mit Russland (144 Mio), Brasilien (214 Mio), Indien (1.380 Mio), China (1.412 Mio) und Südafrika (60 Mio) insgesamt über 3 Milliarden Menschen in den Gebieten dieser Interessengruppe leben - und diese Länder alle wirtschaftlich dabei sind, zur klassischen „ersten Welt“ aufzuschließen, also mittelfristig auch ökonomisch und militärisch ein starkes Gegengewicht zur NATO und „dem Westen“ bilden können.

Lange hat man gehofft, dass Russland vielleicht doch eher in Richtung Europa gehen könnte, weiterhin hofft man, dass Indien sich langfristig eher westlich orientiert, aber aktuell kann man da ein großes Fragezeichen dran machen.

Geopolitisch ist aus Seiten „des Westens“ und der NATO daher BRICS die größte Gefahr, den Status Quo der westlich-amerikanischen Vorherrschaft zu brechen und ein Zeitalter einer Allianz unter Führung Chinas zu beginnen.

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Wie Sie ja selbst sagen

sind [Russland und China] in einer gewissen von China geführten Partnerschaft.

Es ist für mich plausibel, dass Russland langfristig wieder mehr Souveränität erlangen möchte, d.h. sich nicht zu einseitig an China binden möchte. Dazu müsste es allerdings ein alternatives geopolitisches Regime geben, dass für Russland attraktiver wäre als die einseitige Bindung an China.

Dass sich Syrien, der Irak und der Iran eher an das Bündnis Russland-China als an den Westen anlehnen werden, erscheint mir aufgrund der bisherigen Behandlung dieser Staaten durch den Westen als naheliegend.
In Zentralasien überlappen sich die Einflusssphären Russlands und Chinas und die zentralasiatischen Republiken pflegen Beziehungen zu beiden Großmächten um nicht in eine einseitige Abhängigkeit zu geraten. Sollten sich Russland und China verbünden, so werden die zentralasiatischen Republiken wohl automatisch Teil dieses Bündnisses.

Ich sehe eher die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit als das baldige Zentrum des Weltgeschehens. Brasilien und Südafrika können sich aber sicherlich anschließen oder zumindest mit der SOZ kooperieren.

Dann bleiben die Saudis und Co. halt weiterhin USA-treu, wenn der Iran & friends sich den Chinesen anschließen. Ist halt das uralte Motto: der Feind meines Feindes ist mein Freund.

Sollen sie das machen. Die Inder werden sich dem Westen weiter annähern (das Timing des letzten QUAD Treffens zwischen den USA, Indien, Japan und Australien war kein Zufall). China ist deren natürlicher Rivale, jegliche strategische Zusammenarbeit auf einem höheren Levek zwischen diesen Ländern ist ausgeschlossen, was gut für uns ist.

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Ich könnte mir vorstellen - ich bin sicher kein außenpolitischer Experte - dass us-amerikanische Strategen ein Russisches Regime, von dem sie erwarten dass es versucht die chinesische und us-amerikanische Großmacht gegeneinander auszuspielen ( insb. Vor dem Hintergrund der teritorialexpansiven russischen Vorgehen der letzten anderthalb Jahrzehnte) nicht als mittelfristig verlässlichen Partner ansieht :wink:

Die BRICS sehe ich im Gegenteil eher unproblematisch. Einerseits, weil die große Macht der BRICS immer irgendwo in der Zukunft verortet wird, diese aber zum Teil seit Dekaden nicht wirklich liefern. Brasilien, Russland und Südafrika bewegen sich seit den 90ern ökonomisch nicht von der Stelle und es gibt in allen drei Ländern eigentlich auch wenig Grund anzunehmen, dass plötzlich ein Entwicklungsschub einsetzt. Die Länder kämpfen entweder innenpolitisch an ihrer Polarisierung oder sind fortschrittsfeindliche Autokratien oder beides.

Andererseits teilen diese Länder wenige strategische Interessen. Im Gegenteil, haben sie teilweise jahrzehntelang schwelende Grenzkonflikte (China/Indien). Es gibt auch hier keinen Grund anzunehmen, dass die BRICS jemals so geeint auftreten können, wie es der Westen tut, wenn es mal wieder hart auf hart kommt.

Letztlich muss man auch bei China und Indien sehen, dass ihre Zukunft noch nicht feststeht. Wir stehen am Ende eines brachialen Wirtschaftswachstums in China und es ist unklar, wie genau es weitergeht bzw. ob China den Westen tatsächlich richtig einholen wird. Kaufkraftbereingt liegt das BIP pro Kopf in China erst bei 17.000$ während es in den USA bei 63.000$ liegt. Schon noch ein weiter Weg. Dabei hilft nicht, dass es sich ebenfalls um ein autokratisches System handelt, dass gerne auf falschen Entscheidungen beharrt (siehe Zero-Covid-Strategie). Da ist nicht alles Gold was glänzt.

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Ich vermute, dass die USA hier in einen Konflikt gezogen werden, den sie eigentlich gar nicht haben wollen. Wie Obama mit dem Verweis auf die „Regionalmacht“ schon andeutete, betrachten die USA andere Weltregionen und Länder als strategisch bedeutsamer.

Es dürfte den USA lange Zeit eigentlich relativ egal gewesen sein, ob Russland nun ein engeres Bündnis mit China, Europa oder anderweitig sucht, da man sich wahrscheinlich darüber im Klaren war, dass Russland zu einer engen Bündnispolitik sowieso nicht fähig ist und man Machtblöcke wie im kalten Krieg auch aktuell nicht zwangsläufig kommen sieht. Russland ist nicht mehr der große Gegner, der die Sowjetunion einst gewesen ist. Das Land ist unwichtig und schafft es lediglich durch Waffengewalt sich in die Schlagzeilen zu bringen.

Für die USA dürfte die eigentlich Frage daher sein: wie kriegt man diesen Störenfried kaltgestellt, der amerikanische Kräfte unnötig bindet und damit von wichtigeren Entwicklungen ablenkt? Für die Beantwortung dieser Frage ist es egal ob bzw. mit wem Russland ein „Bündnis“ sucht.

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BRICS ist eine lose Zusammenkunft dieser Nationen die nicht einmal durch diese Mitglieder selbst „erfunden“ wurde, sondern einem Goldman Sachs Angestellten^^.
Es gibt dort keine engen wirtschaftlichen, politischen geschweige denn ideologischen Gemeinsamkeiten.

Allein der Konflikt zwischen den wirtschaftlich größten Mitgliedern China und Indien macht das ganze kaum relevant. Es ist zb. viel wahrscheinlicher, dass QUAD (eine strategische Partnerschaft zwischen USA, Japan, Indien und Australien) ein regionales Gegengewicht zu China darstellen wird.

Die multipolare Weltordnung ist eben komplizierter als das Blocksystem des kalten Krieges.

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