Ukraine-Krieg: Umgang mit Flüchtenden und Rassismus

Es wird bereits gewarnt, dass Frauen und Kinder aufpassen sollen mit wem sie mitgehen damit sie nicht Menschenhändlern in die Arme laufen.
Zahlen kann dir keiner geben, aber mit Sicherheit ein wichtiger Grund, warum du 2015 wenig Frauen und Kinder gesehen hast.

Hallo Ulf und Philipp,

ich tue mich ehrlich gesagt mit der normativen Vorstellung schwer, dass jede Abweichung davon, jeden Flüchtenden auf der Welt gleich zu behandeln, Rassismus oder unzulässige Diskriminierung sei. Diese Vorstellung würde dazu führen, dass ich betroffene Familienmitglieder, Verwandte, Nachbarn oder Arbeitskollegen nicht besser behandeln dürfte als Menschen von der anderen Seite der Welt. Das finde ich nicht nur absurd, sondern unmenschlich - würde ich denjenigen, der mir näher steht, nicht eher unterstützen, dann wäre meine Beziehung zu ihm nichts wert. Die Ukraine steht uns sprachlich, geographisch und kulturell näher als z.B. Syrien (was bitte nicht als Geringschätzung von Syriens beachtlicher Kultur und Geschichte missverstanden werden soll). Dass sich diese Nähe in höhere Hilfsbereitschaft ausdrückt, ist kein Bug, sondern ein wünschenswertes Feature. (Das heißt nicht, dass meine Hilfsbereitschaft für Menschen von der anderen Seite der Welt Null sein darf oder soll; nur, dass Abstufungen zulässig sind).

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s. auch

Ich würde eher sagen: es ist ein prinzipiell unlösbares Spannungsfeld. Einerseits gebe ich dir Recht, dass es ein zutiefst menschliches Verhalten ist, Individuen, die uns besonders nahe stehen, anders zu behandeln. Auf der anderen Seite ist es ein Grundpfeiler unserer Moral, dass die Menschenwürde überall auf der Welt gleich viel wert ist. Ich erlebe, dass wir als Gesellschaft keine besonders logische oder konsequente Art haben, mit diesem Widerspruch umzugehen. Der Problematik wird meist ausgewichen oder sie wird tot geschwiegen.

Verstört hat mich das z.B. etwas beim Thema globale Impfstoff-Verteilung: als der Impfstoff in Deutschland knapp war, hatten wir eine hochaufgeladene moralische Diskussion um die Verteilung. Aber die Reichweite dieser Debatte ging genau bis zu Bundesgrenze. Als wir dann den Markt leer gekauft und genug Impfstoff hatten, konnte es mit der zweiten und dritten Dosis nicht schnell genug gehen. Trotz eindringlicher Apelle der WHO ist es uns ziemlich am *rsch vorbei gegangen, dass dieses Verhalten die Impfstoffknappheit im Rest der Welt verschärft hat. Ich verstehe, dass man zu dem Schluss kommen kann, dass die Impfung der eigenen Bevölkerung Vorrang hat. Aber dass dieses Spannungsfeld medial praktisch gar nicht thematisiert wurde – übrigens auch in der Lage nicht – fand ich erschreckend. Belohnt wurden wir mit der Delta-Variante.

Nun ist die Flucht vor Krieg und Terror nochmal eine andere Hausnummer als das Impfen. Stiller Konsens dürfte inzwischen sein, dass ein realistisches mittelfristiges Ziel der Weltgemeinschaft nicht gleiche Lebensbedingungen für alle sein kann, sondern flächendeckende Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Aber selbst das gestaltet sich schwierig. Man dürfte schnell zu dem Schluss kommen, dass wir die Standards der Unterstützung, die wir derzeit für die Ukraine aufbringen, global kaum leisten könnten.

So eine richtig perfekte Lösung scheint mir also in weiter Ferne. Dass wir allerdings an unserer Landesgrenze Flüchtlinge in solche sortieren, die uns nahe stehen und solche, die das weniger tun, erscheint mir so stark im Widerspruch zu unseren moralischen Prinzipien zu stehen, dass ich es ablehne. Um eine Brücke zu bauen könnte man auch sagen: dadurch, dass diese Menschen vor unserer Haustür stehen und um Hilfe bitten, sollten sie uns bereits nahe genug sein, damit wir uns zu dieser Hilfe verpflichtet fühlen. Dass es an anderen Orten der Welt ggf. Menschen gibt, die noch dringender diese Hilfe bräuchten, bleibt leider Teil des o.g. unlösbaren Spannungsfeldes.

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Es ist nicht genau erkennbar, worauf du dich jetzt beziehst.
Im ersten Thread ging es darum, dass Gaststudenten an der Grenze abgewiesen worden sein sollen, weil sie augenscheinlich keine ukrainischen Staatsbürger waren. Man kann ihnen schlecht vorwerfen, da zu sein, wo sie waren.

Und wenn es um den Vergleich Syrer/Ukrainer gehen soll:
Ja, die Nachbarn sind in der Verantwortung. Die haben bei den Kriegen in Irak/Afghanistan/Syrien auch einiges geleistet.
Es stellt sich halt die Frage, welche moralische Verantwortung unsere Länder da tragen.
Ein Entwicklungsland, das teilweise nicht mal die eigenen Leute richtig ernähren kann, soll dann auch noch Hunderttausende Flüchtlinge aufnehmen, weil die UN/NATO/USA gerade den Nachbarn auseinander nimmt (unabhängig davon, ob begründet).
In meinen Augen sollten wir die Flüchtlinge nicht unbedingt aufnehmen, aber die Nachbarn entsprechend unterstützen, dass sie ihrer Aufgabe gerecht werden können.
Was in Lybien momentan passiert, meine ich damit explizit nicht.
Wir brauchen Lösungen, denn die Armut wird mit steigender Umweltzerstörung noch zunehmen.

Das scheint mir gerade eine beliebte Floskel zu sein, der erstaunlich wenig widersprochen wird. Mag schon sein, dass das auf dem kyrillischen Alphabet basierende Ukrainisch dem Deutschen gerade noch näher ist als Arabisch, und es mag ebenfalls sein, dass von München aus gesehen Aleppo noch ein paar Kilometer weiter weg ist als Donezk.

Aber was soll es denn bitte bedeuten, dass „uns“ die Ukraine „kulturell näher“ ist als Syrien? Was ist denn die Kultur der Ukraine? Welche Kriterien entscheiden über die generalisierte Akkulturationsfähigkeit einer so diversen Gesellschaft wie der der Ukraine im Vergleich zur syrischen?

Oder liegt es nicht viel näher anzunehmen, dass „kulturelle Nähe“ eine vermeintlich unverdächtige Konzeption ist, um zum Ausdruck zu bringen, dass es eben ganz überwiegend weiße Menschen sind, die gerade fliehen müssen?

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Das sind alles Personen, mit denen mich persönlich, emotional etwas verbindet. Natürlich kümmere ich mich zuerst um die. Aber warum sollte mir ein Mensch aus einem anderen Viertel meiner Stadt, den ich noch nie im Leben getroffen habe, eher am Herzen liegen als der vom anderen Ende der Welt? Die gleiche Kultur und Sprache als Argument ist da kaum tauglicher als die gleiche Hautfarbe. Beides ist Grundlage für Rassismus.

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Sehe ich nicht so. Der Mensch aus einem anderen Viertel meiner Stadt hat wahrscheinlich eher die gleichen Vorstellungen wie ich davon, wie das gesellschaftliche Miteinander gestaltet werden soll, als jemand von viel weiter weg (wobei „weiter weg“ hier nicht allein geografisch gemeint ist). Und übrigens hat ersterer mit viel höherer Wahrscheinlichkeit schon etwas für das hiesige Gemeinwesen geleistet und wird vermutlich auch in Zukunft eher in der Lage sein, das zu tun.

Also völlig unabhängig vom Rassismus, soll wohl Polen seine Aufnahmeverweigerung 2015/16 auch mit Blick auf die Situation in der Ukraine verweigert haben.

Viel entlarvender finde ich diejenigen die 2015/16 darauf bestanden haben, dass die Flüchtlinge in den jeweiligen Nachbarländern zu bleiben haben während jetzt Aufnahme und Weiterverteilung gefordert wird.

Als ob Polen, Ungarn u.s.w. nicht auch sichere Nachbarländer seien.

Zur Verdeutlichung: nicht mein Standpunkt.

Also helfen wir lieber Menschen, die

leisten? Dann ist das eben nicht Rassismus sondern Egoismus. Finden wir das besser?

Ich finde Wertschätzung von Leistungen für unser Gemeinwesen besser als Rassismus.

Für mich sind das nichts anderes als Vorurteile.

Sind dann Leistungen für unser Gemeinwesen höher zu beurteilen als die für das Gemeinwesen von Afghanistan, Syrien oder Eritrea? Wenn ja, dann sind wir wieder entweder bei Egoismus oder Rassismus.

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Es geht hier ja nicht einmal um Menschen aus einem anderen Stadtviertel, nicht mal aus dem gleichen Land.
Die Frage ist eher (warum) ist mir ein Fremder aus der Ukraine näher als ein Fremder aus Syrien. Und warum ist ein fremder Ukrainer mir näher als ein fremder Syrer der in der Ukraine war, wenn beide vom gleichen Ort und vor der gleichen Gefahr fliehen.
Die offensichtliche Antwort ist wohl eine oberflächliche Ähnlichkeit über Hautfarbe und die Illusion historischer Verbindung welche zwar auf nationaler Ebene bestehen mag aber faktisch kaum jemand lebendes was mit zutun hat.

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