Ukraine-Krieg: Umgang mit Flüchtenden und Rassismus

In den verschiedenen sozialen Netzwerken gibt es diverse Berichte von schwarzen Menschen & Indern, die an der Grenze aufgehalten und an der Flucht behindert werden. Insbesondere an der Grenze zu Polen soll es große Probleme geben.
Mittlerweile berichtet darüber auch der Independent:

Inder werden am Grenzübergang aufgehalten - mutmaßlich aufgrund der Position Indiens im Konflikt:

„BaazNews has spoken to Sikhs waiting to cross the Poland-Ukraine border but have noticed preference being given to white refugees. Some have been waiting for 3 days now and believe it may be Ukraine holding them back due to India’s stance on the conflict“ (Twitter-Thread)

1Ukrainian military tries to prevent Indian students from leaving. Students from Kerala, India report that the Ukrainian military fired in the air, beat students up, & rammed cars into their midst to prevent them from crossing the border to Poland" (Twitter)

„They’re instructed to remain where they are because India didn’t support Ukraine“ (Twitter-Thread)

Sammlung von Beiträgen/Meldungen: Busse an die polnische Grenze haben es mutmaßlich verweigert, schwarze Menschen mitzunehmen, Sicherheitskräfte haben wohl Schwarze aus Zügen rausgeschmissen oder sie am Einsteigen gehindert

reddit.com/r/BlackPeopleTwitter - The current situation for black/African students in Poland and Ukraine

Tweets/Videos/Quellen von Betroffenen (1)
Tweets/Videos/Quellen von Betroffenen (2)
„The Polish border isn’t open to all. BBC News ran a report on Zambian students being refused entry, reports of Indian students also having problems and the report below on Nigerian students. It’s impossible not to describe this as racism.“ (Twitter-Thread)

WDR/Twitter - „Was erleben Angehörige von Drittstaaten an der Grenze zwischen #Polen und #Ukraine? Ein Medizin-Student aus #Pakistan, der in #Odessa studierte, heute früh in Polen. Dass er von ukr Soldaten geschlagen wurde, sagte er mir als die Kamera aus war.“

Polen dementiert die Vorwürfe:

Die EU und Polen haben verkündet, dass alle Geflüchteten offiziell willkommen sind, auch Afrikaner:innen und andere Nicht-Europäer:innen
Hoffen wir, dass das auch der Realität entspricht. Es gibt wohl auch Uneinigkeit darüber, ob die momentanen Probleme primär von den polnischen oder den ukrainischen Soldaten ausgehen.

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Das hat mich gestern auch sehr aufgeregt aber es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass es sich dabei um eine Desinformationskampagne russischer Trollfabriken handelt, da man mit diesem Thema besonders gut die US-Bevölkerung spalten kann.

Haber leider die entsprechenden Tweets nicht mehr und es sind nur Vermutungen die geäußert werden aber es scheint das Helfer*innen oft nicht zu den Hilfesuchenden durch kommen sondern lediglich die Aufforderung erhalten die Posts zu retweeten und es gibt auch Videomaterial ankommender Flüchtlinge in Polen.

Normalerweise werden mir kaum Fehlinformationen in die Timeline gespült und es ist für mich wirklich beeindruckend wie schwer es ist Realität und Fake auseinander zu halten wenn diese erstmal in der eigenen bubble sind. Das hat ttsächlich auch meine Meinung zu Coronaleugnern noch einmal etwas geändert…

Es gibt zahlreiche Berichte über eine derartige Disskriminierung und Rassifizierung. Sie sollen von ukrainischer Seite ausgegangen sein- nicht nur an den Grenzen, sondern auch an den Zügen raus aus Kiev. Diese Rassismus-Vorwürfe als Falschinformationen einzuordnen, halte ich aufgrund der zahlreichen Zeugenberichte für verfehlt. Es gibt Tweets und Interviews der betroffenen Personen im Internet, die zum Teil journalistisch begleitet wurden. Dass die Diskriminierung von Seiten polnischer Beamtinnen ausgeht, ist tatsächlich aufgrund der aktuellen Informationenlage zu bezweifeln (auch wenn ihre Flüchtlingspolitik sonst höchst menschenfeindlich ist).
Für konkrete Quellen verweise ich auf Malcolm Ohanwe (instagram: malcolmohanwe), der das journalistisch begleitet hat. Der Grenzübergang hat sich für viele nun verbessert, was sicherlich auch am Einsatz von Aktivist
innen und Wachrütteln afrikanischer und anderer Botschaften und Konsulate sowie verbesserter Koordination liegt.

Hoffentlich ist der Krieg bald vorbei und alle Menschen aus der Ukraine in Sicherheit und Frieden. Danach muss sich die Gesellschaft aber auf jeden Fall die Frage stellen, warum eine solche Solidarität nicht auf die gleiche Weise Menschen südlich des Äquators geschenkt wird. Nicht falsch verstehen: jede Nation sollte die größtmögliche Unterstützung bei einem solch bösartigen Angriff erfahren und die internationale Gemeinschaft tut gerade genau das richtige. Ich bin in Gedanken selbstverständlich bei der Ukraine und trage meinen Teil bei, um zu helfen. Aber leider endet in Europa die Empathie häufig bei anderen Hautfarben als der Weißen (siehe aktuelle Lagen in Syrien, Afghanistan, Iraq, Äthiopien, Sudan…) und selbst innerhalb eines Krieges, macht es sehrwohl einen Unterschied, welcher Herkunft man ist.

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Zusätzlich zu den diversen Einzelberichten auf Social Media haben mittlerweile mehrere deutsche Zeitungen auch darüber berichtet, deinen Fake-News-Vorwurf möchte ich deswegen eindeutig zurückweisen.

WELT - Studierende aus der Ukraine erfahren Rassismus auf der Flucht

Frankfurter Rundschau - Rassismus-Vorwürfe von Geflüchteten: Grenzübertritt wegen Hautfarbe verweigert?

Watson.ch - «Als letztes die Afrikaner» – Rassismus-Vorwürfe an ukrainischer Grenze

Eine wie ich finde gute Stellungnahme dazu:

(Übersichtlichere Darstellung des Threads bei ThreadReader)

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Letztendlich berufen sich die verlinkten Artikel auch nur auf andere Quellen.
Die Deutschlandfunkkorrespondentin konnte derartiges jedenfalls nicht bestätigen, fügte aber hinzu, dass die Schlangen der Wartenden allgemein immer länger würden und manche bereis zwei Tage warten würden.

Ich glaube aber, dass es Einzelfälle gibt.
Wir alle wissen ja, dass der polnische und auch der ukrainische Grenzschutz Kontrollen normalerweise regressiver handhabt. Da kann nicht jeder aus seiner Haut, nur weil der Krieg jetzt nebenan ist.

Ich würde sagen, die Summe machts. Auch wenn die Welt, die BBC, der independent, die IndiaTimes und Baaz News jeweils nur mit ein oder zwei glaubwürdigen Betroffenen gesprochen haben, macht das in der Summe schon ein halbwegs seriöses Bild, auch wenn sie sich darüber hinaus dann manchmal gegenseitig referenzieren.

Die Welt hat einen O-Ton, watson beruft sich auf soziale Netzwerke und die Frankfuter Rundschau beruft sich auf tmz.com.

Der O-Ton relativiert es übrigens auch ein bisschen, finde ich.
Der Betroffene wurde im Zug von ukrainischen Frauen beschimpft, er solle den Zug verlassen, was er anscheinend nicht gemacht hat.
Er hat aber Verständnis geäußert, dass die Frauen sagen, dass Frauen und Kinder ein Vorrecht vor Männern hätten. Was ihn störte war, dass einige dieser Frauen und Kinder Haustiere dabei hatten.
Ich verstehe aber, wenn jemand seinen vierbeinigen Freund nicht allein im Kriegsgebiet zurück lassen möchte.

Danke für das update, das war aber nicht als Vorwurf gemeint sondern als Vorsicht im Umgang mit unverifizierten Informationen und als solche formuliert.

Schönen Abend! :slight_smile:

Ich fasse jetzt nochmal alle bisherigen Quellen zusammen:

  1. The Independent - direktes Gespräch/Kontakt mit 3 Personen (unabhängig voneinander) aus Nigeria, zitiert einen Bericht des Jamaica Gleaner über 24 Jamaicanische Flüchtende, Bericht einer weiteren Person unbekannter Herkunft und Reaktion eines nigerianischen Politikers

  2. India Times - berichtet über mehrere hundert indische Studierende, bezieht sich auf The News Minute und die indische Botschaft

  3. The News Minute hat mit einer Person direkt gesprochen und bezieht sich sich weiterhin auf PTI, die größte Presseagentur Indiens

  4. Baaz News bezieht sich auf eine undefinierte Menge an Indern, mit denen sie direkt gesprochen haben

  5. Mathrubhumi News, ein indischer Nachrichtensender, berichtet und zeigt das Videomaterial und einen Bericht einer Betroffenen vor Ort.

  6. Diverse (!) Twitter-Threads und Reddit-Posts mit Videos und Augenzeugenberichten

  7. Big News Network zitiert einen indischen Beamten in Polen der Teile der Vorwürfe bestätigt.

  8. WDR-Journalistin interviewt einen pakistanischen Studenten der Vorwürfe erhebt

  9. WELT interviewt eine Person, die von individuellem Rassismus im Zug berichtet

  10. FR bezieht sich nicht nur auf TMZ, sondern berichtet u.a. auch, dass der Vorsitzende der Afrikanischen Union, der senegalesische Präsident, der Leiter der Kommission der Afrikanischen Union und der nigerianische Außenminister sich jeweils besorgt zu dem Thema äußerten.

  11. Der nigerianische Präsident hat zu dem Thema gesprichen und sich auf Videos, „first-hand evidence“ und direkten Kontakt mit Beamten des nigerianischen Konsulats bezogen. Die Afrikanische Union hat ein offizielles Statement veröffentlicht

  12. BBC hat mit mehreren nigerianischen Betroffenen gesprochen, die Vorwürfe erheben

Filippo Grandi, der „Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen“ (=Chef des UNHCR), sagt, das es Rassismus an der Grenze gebe und das, soweit er das beurteilen kann, keine (!) russische Desinformation ist. Das UNHCR habe die Vorwürfe wahrgenommen und verfolge diese:

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Wie in dem Video der Welt und auch von @PG_FFM angesprochen, scheint es wirklich von ukrainischer Seite auszugehen.
Das ist ganz klar zu verurteilen, aber leider bittere Realität dass auf der Flucht jeder sich selbst der nächste ist.

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Ich finde es auch krass, wie unterschiedlich die öffentliche Berichterstattung sowie öffentliche Meinung allgemein im Bezug auf den aktuellen Flüchtlingsstrom aus der Ukraine im Vergleich mit den überwiegend arabischischen / nord-afrikanischen Menschen 2015/16 ist. Besonders bei Ländern wie Polen oder Ungarn ist es wirklich sehr entlarvend, aber insbesondere auch hier. Und wie Ulf gesagt hat, man kommt nicht umhin zu sagen, dass das zum größten Teil Rassismus bzgl. Hautfarbe, Kultur, Religion ist, dass die Ukrainer jetzt ganz anders behandelt werden als die Flüchtenden damals.

Aber ich versuche eigentlich auch immer, meinem Gegenüber möglichst die besten Motive zu unterstellen, statt die schlechtesten (z.B. Rassismus). Also, auf die aktuelle Situation übertragen, ein paar Gedanken; Dinge, die jetzt anders sind.

  1. Die Berichte bzgl. Rassimus sind so vielfältig, aber gerade beim Grenzübertritt von Männern denke ich mir: Kein Ukrainer im wehrfähigen Alter darf gerade das Land verlassen; wenn nicht gleich geklärt werden kann, ob diejenigen eine ukrainische Staatsbürgerschaft haben, kann ich mir in Anbetracht des sicherlich großen Chaos, einer langen Schlange, übermüdeten Grenzbeamten auch durchaus vorstellen, dass es da ohne Rassismus zu unschönen Szenen kommt. Womöglich sprechen die Ausreisenden kein ukrainisch / russisch sowie die Beamten kein englisch – vielleicht bin ich naiv, idk.

  2. Es gibt ganz klar ein Gut und ein Böse, einen Aggressor und einen Angegriffenen. Im Beispiel Syrien / Libyen etc. gab es auf der einen Seite Diktatoren wie Assad oder Gaddafi. Auf der anderen ISIS und andere islamistische Gruppierungen. Wie konform z.B. die Kurden mit westlichen Werten sind, kann ich nicht einschätzen, aber ich habe die starke Vermutung, dass es hier nur sehr wenige Gruppierungen gibt, die man als Westen gerne auf Grund von gemeinsamen Werten unterstützen möchte.

  3. Hatte man damals in großen Teilen der Bevölkerung damals große sorge vor islamistischen Terror-Anschlägen. Und es ist einfach Fakt, dass dieser Faktor bei den Ukrainern komplett wegfällt.

  4. Die Flüchtenden kommen ziemlich unmittelbar mit Kriegsbeginn, also wo die Bevölkerung noch empathisch ist. Angenommen, der Konflikt köchelt noch zwei Jahre vor sich hin und beherrscht nicht mehr jede Schlagzeile. Wahrscheinlich nimmt damit die Spendenbereitschaft und der Aufnahme-Wille auch ab.

  5. Ich will mich hier nicht wie ein AfD Pressesprecher fühlen, aber ich halte es auch für eine plausible Annahme, dass die Integration von Ukrainern leichter sein sollte, da deren Alltags-Realität weniger von der unseren abweicht als bspw. in Syrien oder im Irak. Zumindest kann man so argumentieren.

Das sind so meine Gedanken dazu. Aber ich stimme auch allen hier zu, dass der Kontrast wirklich ist zwischen der Berichterstattung 2015 und der jetzigen totalen Empathie.

Ich hoffe mal, dass @elpenor und @J4hr3ndt es mitbekommen haben, dass nicht nur ihr Beitrag jeweils geschlossen wurde, sondern hier auch das Thema schon besprochen wird. :slight_smile:

Am Ende der geschlossenen Beiträge gibt es den Link auf dieses Thema hier :wink:

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Und es bestaetigt das Bild, das man aus den Geschichten von Isaak Babel hat. Das Leben der Leute, die irgendwie nicht dazugehoerten oder wenigstens im Verdacht standen, neutral zu sein, war zur Zeit seiner Reiterarmee nichts wert. Vor allem in Galizien. Man traut es sich angesichts der russischen Propaganda kaum zu sagen. Auch weil unsere Begriffe dort vielleicht nicht passen und die Ukrainer sowieso andere Sorgen haben. Vielleicht radikatisieren auch die Verhaeltnisse. Nigeria hat seine Studenten mit drei Flugzeugen jedenfalls sofort ausgeflogen

Ich finde, man braucht gar nicht bis 2015 zu gehen, um diese erschütternden Widersprüche zu finden. Aus Weißrussland bietet die Festung Europa den Flüchtenden einen kalten, menschenfeindlichen Anblick von dicht bewachtem NATO-Draht. Von der Jahrzente alten Lage im Mittelmeer ganz zu schweigen.

Die Berichterstattung diffamiert diese Menschen als »Flüchtlingswellen«, im Fall von Weißrussland versteigert sich das ZDF gar zu der Aussage, »Migranten werden hier als Waffe missbraucht.« Teile der Bevölkerung verunglimpfen sie oft im gleichen Satz als »Wirtschafts-« bzw. »iPhone-Flüchtlinge« (was denn nun?). Erschreckend viele Deutsche und Europäer empfinden diese paar zehntausend Menschen regelmäßig als Bedrohung für ihren Wohlstand.

Wie viel ein gemeinsamer Feind wie Putin doch bewirken kann: im Hass auf Russland und Putin vereint, weht auf einmal ein ganz anderer Wind: die Versorgung und Aufnahme der Ukrainischen Flüchtlenden kann gar nicht schnell genug gehen, jedenfalls, solange sie nicht das Pech haben, auch anderen bestehenden Feindbildern anzugehören.

So begrüßenswert diese Aufnahmekultur ist und man sie allen wünschen würde, die egal aus welchem Grund den Weg nach Europa antreten: leider bleibt mehr als ein bitterer Beigeschmack angesichts der tausenden anderer, denen Europa nach wie vor keine menschenwürdige Behandlung entgegenbringt, wenn sie hier überhaupt lebend ankommen.

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Grundsätzlich gebe ich dir Recht, dass die europäische Flüchtlingspolitik von Heuchelei und doppelten Standards geprägt ist.
Ich finde aber, dass die Krise an der Grenze zu Belarus im vergangenen Jahr nicht mit der aktuellen Situation von aus der Ukraine geflohenen Menschen vergleichbar ist. Damals sind viele tausend Menschen, überwiegend aus dem Irak, nach Belarus geflogen, weil sie der Korruption und dem ökonomischen Niedergang dort entfliehen wollten und den Versprechungen von schneller Weiterreise in die EU geglaubt haben. Ausgestattet mit Visa aus Belarus, das sich für die verhängten Sanktionen an der EU rächen wollte.
Das rechtfertigt nicht die Verweigerung von Versorgung und fairen Asylverfahren besonders durch Polen, erklärt aber auch die unterschiedliche Aufnahme- und Hilfsbereitschaft.

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Hallo erstmal,
kann man hier auch gefühlte Fakten äußern die nicht verifiziert sind.

Ich bin in Berlin Neukölln aufgewachsen und habe absolut nichts gegen Migranten bzw. Ausländer.
Doch sehe ich hier noch weitere gefühlte Gründe warum die Hilfsbereitschaft größer ist.
Jetzt fliehen mehrheitlich Frauen mit Kindern und ältere Männer.
Die die ihr Land verteidigen können bleiben dort bzw. fahren sogar aus dem Ausland in Ihr Heimatland zurück um es zu verteidigen obwohl die Lage (aussichtslos ist).
Das habe ich früher (2015) nicht so empfunden.
Und ich glaube die Zahlen würden das bestätigen.

Genauso werden heute Offizielle Grenzübergänge genutzt.

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