Ukraine-Krieg: Übergewinnsteuer für Deutschland?

Zu der aktuellen Diskussion um eine Übergewinnsteuer hier mal der Hinweis, dass es sogar ein Paper des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages von 2021 zu dem Thema gibt:

Übergewinnsteuer – historische Hintergründe, aktuelle Diskussion
und rechtliche Fragen - © 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 023/21

Der Text bringt den Zweck ganz gut auf den Punkt:

Mit der Steuer wurden vor allem zwei Ziele verfolgt, nämlich das fiskalpolitische Ziel der Deckung eines außergewöhnlich hohen öffentlichen Finanzbedarfs und das weitere Ziel, Gewinne bestimmter Branchen abzuschöpfen, die entweder aufgrund oder während der Kriege erwirtschaftet wurden und daher als ungerecht empfunden wurden.

Historisch haben wohl bisher:

  • Frankreich
  • Großbritannien und
  • die USA

solche Übergewinnsteuern im 1. Weltkrieg eingeführt. Und denen ging es in der Folge auch deswegen nicht unbedingt schlecht.

In dem Paper wird auch sehr viel auf die verfassungsrechtlichen Fragen eingegangen. Hier kommt der wiss. Dienst offenbar zu dem Schluss, dass eine verfassungskonforme Ausgestaltung einer Übergewinnsteuer durchaus möglich ist (Kapitel 6.2.3.3.2.)

Persönlich halte ich so eine Übergewinn-Steuer für durchaus sinnvoll und auch für gerechtfertigt. Den der Staat stützt ja in Krisen, wie der Corona-Pandemie oder auch dem Ukarine-Krieg, Unternehmen durch Steuergelder, z.B. hier:

Folgen des Ukraine-Kriegs: Regierung legt Hilfspaket für Firmen auf - 08.04.2022 - tagesschau.de

Dadurch entstehen dem Staat Ausgaben.

Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen, die durch diese Krisen in besonderen Maße profitieren. Ich finde es daher durchaus gerechtfertigt, diesen Unternehmen einen gewissen Teil dieser Sonder-Gewinne abzunehmen um damit die Kosten für die anderen Unternehmen auszugleichen.

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Die Steuer auf Gewinne liegt auch jetzt schon sehr hoch in Deutschland.
Zudem sind Gewinne in gewissen Grenzen von den Unternehmen steuerbar. Als Unternehmen mit hohen antizipierten Gewinnen im Zuge des Ukraine-Kriegs würden bei drohender Einziehung von Übergewinnsteuern hohe Investitionen getätigt, die sich unter den alten Gewinnsteuersätzen nicht rechneten, unter den neuen aber schon.
Sprich es würden unnötig Preise hochgetrieben, indem beispielsweise BP LNG-Tanker aufkauft um den Gewinn zu schmälern. Wenn es keine Möglichkeit gibt die Gewinne zu behalten wird das Geld eben rausgehauen.
Eine Übergewinnsteuer für die Zukunft wird also umgangen werden und kann nur für die Vergangenheit vollumfänglich sein.
Die Hilfspakete für Unternehmen sind nur notwendig, weil der Staat Sanktionen auferlegt hat. Ohne die Sanktionen hätte es keine ausgleichenden Zahlungen gebraucht. Genauso wie bei der Pandemie: Ohne die staatlich angeordneten Schliessungen der Unternehmen hätten diese auch kein Anrecht auf Ausgleichszahlungen gehabt. Der störende Moment ging also in beiden Fällen vom Staat aus, nicht von den Unternehmen.
Zudem habe ich Sorgen, wie man „Kriegsgewinnler“ trennscharf verfassungskonform formuliert.

Habe ich noch nie von gehört und finde ich sehr spannend!

Also wie immer und kurz gesagt: der Staat soll sich gefälligst überall raus halten wenn ein Unternehmen Gewinne macht, egal wie diese Gewinne zustande kommen, aber bitte mit dem Geldkoffer bereit stehen wenn irgendwas schief geht.

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Guter Punkt, aber es geht nur in gewissen Grenzen.

Ja, das störende Moment für die Wirtschaft, aber das störende Moment für die Gesellschaft geht mitunter von den Unternehmen aus. Wenn sich die Gesellschaft entschließt, die eigenen Werte (was auch immer das sein soll, siehe Der Westen und seine Werte) zu verteidigen, dann schließt das auch die Wirtschaft ein, die von der Gesellschaftsstruktur profitiert. Auch wenn das manche gerne hätten, ist die Wirtschaft nicht von der Gesellschaft und ihren Institutionen und Werten entkoppelt und kann deswegen nicht machen, was sie will. Natürlich machen die Unternehmen alles, um den Gewinn zu maximieren (müssen sie ja), aber dafür gibt es dann Gesetze, die dem Einhalt gebieten sollen.

Deswegen ja die Studie des wiss. Dienstes, die das untersucht.

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Was man bei der Ausgestaltung einer solchen Steuer beachten muss ist, dass man dadurch nicht diejenigen Wirtschaftsleistungen, die uns aus der Krise führen sollen, signifikant unattraktiver macht.
Impfstoffhersteller in der Corona-Krise und Rüstungskonzerne im Krieg werden durch die Aussicht auf hohe Gewinne zu Höchstleistungen angetrieben und letzteres soll ja so bleiben. Das heißt nicht, dass die Steuer deswegen Quatsch ist. Dasselbe Dilemma gibt’s ja auch bei der normalen Einkommenssteuer. Aber man muss es eben bei der Kosten-Nutzen Abwägung im Hinterkopf haben.

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Das ist natürlich ein valider Einwand.

In dem Papier des wiss. Dienstes wird ja kein konkreter Vorschlag gemacht aber es werden Zahlen aus der, damals aktuellen Diskussion, von 5% bis 90% des „Übergewinnes“ gemacht, der normale Gewinn wird wie bisher besteuert.

Als ein Beispiel nennst du ja zurecht Biontech. Die Tagesschau (Link) dazu:

Die Mainzer Unternehmen BionTech hat im vergangenen Jahr vor allem dank seines Corona-Impfstoffs einen Nettogewinn in Höhe von 10,3 Milliarden Euro erzielt. Im Jahr zuvor hatte das Plus noch bei 15,2 Millionen Euro gelegen. Der Umsatz sprang von 482 Millionen Euro auf knapp 19 Milliarden Euro.

Der Übergewinn wäre also hier also 10 Milliarden Euro. Würde man mit eine Übergewinnsteuer z.B. die Hälfte davon abschöpfen, blieben immer noch 5 Milliarden Euro übrig. Und Corona ist ja vermutlich noch nicht vorbei, da kommen also auch in Zukunft noch reichlich Gewinne für Biontech.

Was die Rüstungsbauer angeht, stimmt das natürlich auch. Aber auch die werden für gelieferte Panzer ja bezahlt. Und wie ich an anderer Stelle im Forum schon mal geschrieben habe, lässt sich Rheinmetall z.B. die 100 Marder für die Ukraine ca. 70 % besser bezahlen, als bei der letzten Lieferung 2019 nach Jordanien.

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Es sollen nur Unternehmen richtigerweise abgeschöpft werden, die nur auf Grund des Leids in der Ukraine verdienen und das sind eben die Mineralölkonzerne. Wer auf Grund von Innovation wie bspw Biontech hohe Gewinne einfährt bleibt außen vor.

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Ob man bei jedem Euro so klar definieren kann, ob er nur aufgrund des Leids in der Ukraine verdient wurde, ist für mich etwas fraglich. In der von mir wahrgenommenen öffentlichen Diskussion scheint mir aber z.B. unklar, in welcher Form die Rüstungsindustrie an so einer Steuer beteiligt werden sollte.

Definitiv. Die Frage ist für mich hier übrigens auch gar nicht, ob Biontec oder die Rüstungsindustrie „gerecht“ für das entlohnt werden, was sie an gesellschaftlichem Nutzen erbracht haben. Es geht lediglich darum, wie wir mit dem Mittel der Übergewinnsteuer den maximalen Gesellschaftlichen Nutzen erzielen. Und da stehen sich auf der einen Seite die finanziellen Einnahmen aus der Steuer und auf der anderen Seite die geringere Leistungsbereitschaft der Unternehmen gegenüber.

Konkretes Beispiel: Ein Rüstungskonzern soll Panzer an die Ukraine liefern (sei es als Ringtausch oder direkt). Scholz und die Bundesregierung diskutieren darüber Wochen- und Monatelang, bis eine Entscheidung gefallen ist. Dann dauert es noch etliche Wochen, bis ein entsprechender Auftrag erteilt ist. Derweil kostet jeder Tag, den die Panzer nicht in der Ukraine sind, Menschenleben. Es ist also extrem wichtig, dass die Panzer schnell fertig sind, wenn der Auftrag einmal da ist.

In der Praxis wird das dadurch erreicht, dass der Rüstungskonzern auf eigenes Risiko bereits anfängt Maßnahmen in die Wege zu leiten, sobald auch nur die Chance besteht, dass dieser Auftrag zustande kommt. Das macht der Konzern aber natürlich nur, wenn das Ausfall- und Gewinnrisiko in einem entsprechenden Verhältnis stehen. Logisch, denn nur wenn ich (bei mehreren Aufträgen) entsprechend hohe Renditen in Aussicht habe, kann ich einen doch nicht zustande gekommenen Auftrag, für den ich aber schon investiert habe, finanziell kompensieren. Und da gilt so ziemlich ohne jede Schranke: je höher die Gewinnerwartung, desto höher die Risikobereitschaft. Ist die Gewinnerwartung hoch, dann ist (bildlich gesprochen) der halbe Panzer schon fertig, bevor eine Zusage da ist.

Heißt wie gesagt nicht, dass die Steuer keinen Sinn macht. Die Übergewinnsteuer im 2. Weltkrieg war ja auch sinnvoll und zwar, weil die Einnahmen daraus wichtiger waren als etwaige Beschleunigungseffekte bei der Wirtschaft.

Noch besser wäre es, wenn der Staat keinen Bailout-Geldkoffer hätte. Wenn die Bürger und Unternehmen den Staat aber der Staat nicht die Bürger und Unternehmen finanzieren würde. Denn im aktuellen System gibt es ein „Race to the Bottom“ - je schlechter man dasteht desto mehr Geld bekommt man vom Staat (Unternehmen: Karstadt/ Land:Berlin/ Bürgergeld: Alg2). Oder sogar weitergehend: Spanien/Italien/Griechenland hat kein Interesse an soliden Finanzen, solang es über das europäische Pendant des Länderfinanzausgleichs alimentiert wird.

Gesetze sind keine Einbahnstraße. Wenn der Staat sagt er ist für die Volksgesundheit zuständig, dann muss er bei einem Einbruch der Volksgesundheit eben auch entschädigen.

Soweit ich das verstehe wird doch gar nicht der komplette Übergewinn abgeschöpft. Wenn ich in dem Jahr zuvor 100 Euro Gewinn gemacht habe und der mit 10€ versteuert wird habe ich 90€ in der Tasche. Wenn ich dann dieses Jahr 200€ Mache, weil ich zu den Gewinnern der Situation zähle, werden die ersten 100€ versteuert wie zuvor und die nächsten 100 mit z.b 50%. Das heißt ich habe dann immernoch 140€ statt 90€ und trotzdem kann der Staat hiermit anderen Leuten helfen die unverschuldet in der Krise Probleme haben. Wieso sollte sich das für mich nicht lohnen🤔

Und gebe ich mehr aus damit ich nicht mehr Gewinn habe ist das doch auch super. Das Geld bleibt in Bewegung und wird dann ja ebenso versteuert. Und die Firmen stellen sich besser für die Zukunft auf. Ich sehe echt 0 Nachteile.

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Was ist denn hier die Volksgesundheit? Die irrsinnigen Gewinne einiger weniger Ölkonzerne, die kartellartig die Preise künstlich hochtreiben?
Und natürlich sind Gesetze keine Einbahnstraße, aber meiner Meinung nach ist der Einfluss und die Schonung der Wirtschaft in und durch die Politik viel zu hoch. Aber ich weiß schon, dass du da anderer Meinung bist, dass der Staat die Wirtschaft abschnürt. Da sind wir unterschiedlicher Meinung.

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Das ist natürlich irgendwo richtig. Andererseits muss die Steuer ja so gerecht wie möglich sein und auch verfassungskonform sein. Und eine Einschränkung auf bestimmte Branchen wird da schwierig, vermute ich.

Nehmen wir mal an, Deutschland würde jetzt eine Übergewinnsteuer beschließen, die auf Übergewinne des ersten Halbjahres 2022 gegenüber erstes Halbjahr 2021 gilt. Dann wäre Biontech schon mal raus, denn die haben ihren großen Gewinnsprung ja schon letztes Jahr gehabt.

Und auch sonst gibt es vermutlich wenige Unternehmen, die 2022 besser dastehen als 2021. Hinzu kommt, dass der wiss. Dienst (sry dass ich immerwieder mit dem Paper komme) einen Freibetrag vorschlägt, damit überhaupt nur große Gewinne erfasst werden. Außerdem fallen dadurch viele Klein- und Mittelständler schon mal raus.

Das macht auch vom Gerechtigkeitsgefühlt her Sinn, keine KMUs mit der Übergewinnsteuer zu belegen, denn die bekommen ja auch eher selten Staatshilfen.

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Die Volksgesundheit bezog sich auf die Pandemie. Der Staat hat das exklusive Recht, aber auch die Pflicht, für die Gesundheit seiner Bürger zu sorgen. Wenn er dem nicht nachkommt ist er zur Entschädigung verpflichtet.
Bezüglich Co2 im Volksgesundheitskontext wäre ich auch der Meinung, dass der Staat keinen Preis unter seinen Kosten nehmen dürfte. Es gibt genügend anerkannte Studien, die einen Preis von 200+€ an Schäden je Tonne Co2 berechnen. Trotzdem verkauft der Staat die Verschmutzungslizenz für 25€ je Tonne. Nicht nur hat der Staat somit ein Monopol auf die Verschmutzungslizenzen, er verkauft sie sogar unter seinem Einkaufspreis. Schade, dass da das Kartellamt nicht eingreift.

Die angenommen Zahlen sind schonmal höchst unrealistisch.
Realistische Zahlen sind:
Ein Unternehmen macht 100€ Gewinn und zahlt darauf 30% Steuern i.H.v. 30€.
Die verbleibenden 70€ werden an die Aktionäre ausgeschüttet und von diesen mit 25% versteuert.
Der Staat bekommt also insgesamt 47,5€ von den 100€, die Aktionäre 52,5€.

Jetzt könnte natürlich der Staat eine Übergewinnsteuer erheben und z.B. die Steuern von 30% auf 60% verdoppeln. Dann würden im ersten Schritt 60€ an den Staat gehen und nur noch 40€ an die Aktionäre ausgeschüttet und wiederum versteuert mit 25%.
Der Staat bekommt also insgesamt 70€ von den 100€, die Aktionäre 30€.

Damit der Unternehmenswert bei einer solchen erhöhten Übergewinnsteuer nicht einbricht würde es sinn ergeben möglichst den Unternehmenswert zu erhöhen und keinen Gewinn auszuweisen. Wenn das Unternehmen also auf 100€ Gewinn zusteuert sollte lieber schnell alles Geld ausgegeben werden.
Schnell Geld ausgegeben treibt die Inflation, da für die Inflationsberechnung auch die Geldumlaufgeschwindigkeit mit einfliesst.
Wenn nun also das Unternehmen um seinen Gewinn zu minimieren das Geld an ein anderes Unternehmen gibt, welches ebenso versucht seinen Gewinn zu minimieren, wird auch dieses Unternehmen versuchen das Geld schnell wieder loszuwerden damit es nicht gewinnwirksam wird.

Irgendwie kann der Staat es dir aber auch nicht recht machen, oder? Schließt er Unternehmen, muss er zahlen, tut er dies nicht, dann soll er auch zahlen.

Okay jetzt wird es endgültig wild. Sag Bescheid, wenn du mit dem im Kreis drehen fertig bist. :rofl:

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Das liegt daran, dass @lib gezielt Desinformation und Nebelkerzen verbreitet ohne auf Argumente einzugehen und daher machen Gespräche mit ihm keinen Sinn.

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Das sehe ich nicht so.

Gerade am Beispiel BionTech lässt es sich doch schön sehen: 50% „Übergewinnsteuer“ wären glaube ich nicht unbedingt Bremse für die Leistungsbereitschaft oder Investitionsbereitschaft.

Es geht ja schließlich nicht darum jeden Euro des Gewinns abzuschöpfen sondern eben einen Teil.

Und mit den 5MRD von BionTech hätte sich so manche Coronahilfe refinanzieren lassen.

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Lustig.

Wenn er seiner Pflicht nicht nachkommt ist er zu Entschädigung verpflichtet. Gut

Auf der anderen Seite schreibst du aber dass diejenigen die von den Maßnahmen betroffen sind ein Anrecht auf Entschädigung haben.

Egal wie der Staat es also macht, soll er zahlen. Natürlich soll er dazu keine Steuern einnehmen/erhöhen und erst recht nicht Geld drucken.

Magst du also auch noch erklären wo das Geld dass der Staat bei dir in jedem Fall zahlen soll herkommen soll?

Alternativ kannst du natürlich auch die Quadratur des Kreises erklären.

Je nachdem welche Aufgabe dir einfacher erscheint.

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Und Biontech wäre derzeit gar nicht betroffen, da sie durch eine bahnbrechende Innovation diese krasse Gewinnsteigerungen geschafft haben und eben nicht nur weil der Preis weit über Maß erhöht wurde.