Tod eines Fahrradaktivisten

Ein Aktivist für mehr Sicherheit für Fahrradfahrer ist bei der Art Verkehrsunfall ums Leben gekommen, vor der er jahrelang gewarnt hat, ohne bei den regionalen Behörden gehört zu werden.

10 „Gefällt mir“

Etwas mehr Hintergrundinfos.

Der getötete Fahrradfahrer war viele Jahre unter dem Unsernamen „Natenom“ aktiv in den sozialen Medien, wo er Videos von fast-Unfällen mit Autofahrern postete. Sein Fahrrad hatte er mit einem Abstandhalter ausgestattet, der von Autofahrern eher als Provokation interpretiert wurde und zu Aggression führte.

Er hat mehrmals versucht, Autofahrer wegen gefährlichen Verhaltens anzuzeigen oder die Behörden auf gefährliche Streckenabschnitte aufmerksam zu machen, wurde aber dafür angefeindet und/oder ignoriert. Er erreichte überregionale Aufmerksamkeit mit seinem Aktivismus und wurde mehrmals interviewt.

Er kam jetzt auf einer Strecke ums Leben, vor deren Gefährlichkeit er explizit gewarnt hatte.

Das Thema wäre ein guter Anlass, um in der Lage über autozentrierte Straßenplanung im ländlichen Raum zu reden. Und über die Uneinsichtigkeit von Autofahrern, sich gegenüber schwächeren Verkehrsteilnehmern umsichtig zu verhalten - „selber Schuld, wenn er nicht den Fahrradweg benutzt!“

Ebenfalls über die Formulierungen, die bis heute trotz jahrelanger Kritik in der Berichterstattung über Unfälle verwendet werden. In aller Regel werden in Zeitungs- und Polizeiberichten die Fahrradfahrer als aktiv handelnde, die Autofahrer aber als passiv betroffene Teilnehmer des Unfallgeschehens beschrieben. In Unfallberichten kollidieren Fahrradfahrer mit Autos, stürzen unter Lastwagen oder fahren in offene Autotüren - der Autofahrer kommt selten vor. Wie das Auto dort hingekommen ist, warum ein Lastwagenfahrer beim Abbiegen nicht aufgepasst hat oder von wem die Autotür geöffnet wurde, findet selten oder keine Erwähnung.

29 „Gefällt mir“

Ebenso könnte man darüber reden, wie die Autoindustrie jahrzehntelang „Dark PR“ Methoden benutzt hat, um die Gefährlichkeit des Autos im Verkehr herunterzuspielen und die eigene Verantwortung für die Sicherheit der eigenen Produkte zu leugnen.

Auch die nachträgliche Etablierung des Begriffs „Unfall“ gehört dazu - mit dieser Sprachregelung wird aus einer Verletzung oder einer Tötung ein gottgegebener Schicksalsschlag für einzelne, eigenverantwortliche Betroffene. Kein systemisches Problem, gegen das man als Gesellschaft mit Regulierung oder Strafen gegenüber der Industrie handlungsfähig wäre.

Mehr dazu in diesem empfehlenswerten Podcast-Interview.

7 „Gefällt mir“

Welchen Nutzen hätten wir wenn für den Fehler eines Senioren der einen Radfahrer übersieht Strafen an die Industrie verhängt werden? Wie würde dadurch der Straßenverkehr sicherer?

Damit bist Du ebenfalls in der Denkfalle, diesen Fall einfach nur als einen tragischen Fehler beim Zusammentreffen zweier Einzelpersonen abzutun, mit dem wir als Gesellschaft nichts zu tun haben.

  • Eine schlechte, weil konfliktsteigernde Straßenplanung,
  • eine liberale StVO,
  • eine laxe polizeiliche Durchsetzung der StVO,
  • und immer größere und schwere Fahrzeuge, deren Industriedesign bei einem Crash die Folgen für die Personen vor allem innerhalb aber nicht so sehr außerhalb des Fahrzeugs berücksichtigt,

haben auch in diesem konkreten Fall den Tod des Fahrradfahrers wahrscheinlicher gemacht.

An jedem dieser Punkte könnte man ansetzen, wenn man es denn wollte.

17 „Gefällt mir“

Nein. Ich sehe sehr wohl, dass die Gestaltung vieler Straßen eine Gefahr darstellt.

Nichts davon würde aber doch durch eine Strafe für die Industrie behoben, eingeschränkt vielleicht das Design. Das folgt aber ja auch gesetzlichen Vorgaben. Wenn ein schnelles Auto einen langsamen Radfahrer komplett übersieht ist das Design des Fahrzeugs aber ziemlich egal.

Ich bin selbst auf dem Rad unterwegs, früher viel Rennrad, heute eher MTB und im Alltag.

Ich habe dabei selbst schon viele gefährliche Situationen erlebt und gebe dir ja recht, dass sehr viel passieren muss. Generell ist es selten sicher wenn sehr unterschiedliche Teilnehmer aufeinandertreffen. Als Radfahrer wird man durch Autos und Fußgänger gefährdet, als Fußgänger durch Autos und Radfahrer etc.

Ich finde nur die Debatte sollte nicht „wir gegen die“ geführt werden sondern es braucht ein für alle Seiten vernünftiges Gesamtkonzept.

4 „Gefällt mir“

Es gab mehrere Skandale, wo die Autoindustrie wissentlich tödliche/gefährliche Produkte verkauft hat, ohne dass es anschließend wirklich angemessen schmerzhafte Strafen gab. Das Thema ist Jahrzehnte alt. Natürlich gibt es Regulierung durch den Staat, aber m.M.n. immer noch nicht genügend. Die Produktkategorie Auto wäre sicherer, wenn die Autoindustrie mehr Verantwortung für Designfehler übernehmen müsste.

1 „Gefällt mir“

Tatsächlich sehe ich hier andere Punkte als effizientere Hebel.

Das fängt mit Kleinigkeiten an, wie der Platzierung von Schildern und Werbetafeln, dem Freischneiden von Radwegen, sodass diese einsehbar bleiben und geht dann über Beleuchtung, die Gestaltung von Kreuzungen bis hin zu einer kompletten unabhängigen Infrastruktur.

Denn der Unfall der gar nicht erst passiert ist 1000 mal sicherer als der, bei dem es auf Details im Design ankommt ob er tödlich endet oder nicht.

1 „Gefällt mir“

Ein Hintergrundbericht hinter der Paywall:

Zitate aus dem Text:

Die meisten, die gerade wütend sind, zeigen nicht auf Autofahrer, sondern auf die Behörden.
[…] Man hätte Mandalka doch schützen können, schützen müssen, »aber wir haben halt anders entschieden als Gesellschaft«. Dass es genau dieser 77-Jährige war, der Mandalka totgefahren hat, das sei Zufall, sagt Lucas. »Aber dass dieser Unfall passiert ist, das ist kein Zufall.«

1 „Gefällt mir“

Gutes Thema. Ich vermisse in Debatten um Klimakleber, die Leben durch ihre Proteste gefährden würden, total den Punkt, dass wir einfach seit Jahrzehnten hinnehmen, dass jedes Jahr eine zweistellige Anzahl an Fahrradfahrern im Straßenverkehr durch Unfälle mit Autofahrern sterben. Darüber wird so gut wie nie diskutiert, weil offenbar jedes Einschränken der Autofahrer ein so unbeliebtes politisches Thema ist. Kann echt nicht angehen, dass Opportunismus in der Politik solche Themen liegenlässt und politische Mehrheiten über das Leben der Fahrradfahrer stellen.

12 „Gefällt mir“

Ich glaube wir sollten hier nicht grundsätzlich Sicherheit von Radfahrern und Einschränkungen von Autofahrern miteinander verknüpfen.

Es gibt Bereiche, vor allem Städtische mit wenig Platz, da wird man die Sicherheit von Radfahrern und auch Fußgängern nur mit Einschränkungen für den motorisierten Verkehr deutlich verbessern können.

Es gibt aber auch Stellen, da ließe sich die Sicherheit ganz ohne Einschränkungen schon signifikant erhöhen.

Und dann gibt es Bereiche da sind Einschränkungen für Autofahrer in der Realität gar keine. So gibt es bei uns einen Abschnitt da wurden aus 2 Fahrspuren eine zugunsten einer breiten Radspur. Autoverkehr läuft da besser als zuvor, weil vorher viele Spurwechsel in beide Richtungen wegen Abbiegen den Verkehrsfluss gebremst haben. Das ist jetzt nicht mehr der Fall.

Und da gibt es ja auch aus dem Ausland Erfahrungen, dass oft die zwei Spuren für Autos gar nichts bringen, weil die Gestaltung der Kreuzungen das eigentliche Problem ist. Hier würde ich mit wünschen, dass mehr versucht wird aus Ländern zu lernen die schon gezeigt haben, dass eine signifikante Verbesserung der Situation für Radfahrer und Fußgänger mit nur moderaten Einschränkungen für Autos möglich sind.

10 „Gefällt mir“

Das Ding ist ja auch das es in anderen Ländern soviel besser beim Fahrradverkehr läuft als bei uns. Da wird dann lieber vor Gerichten geklagt um Fahrradstrassen wieder rückgängig macht als eine geeignete Fahrradinfrastruktur zu schaffen. Das es anders geht zeigen ja viele niederländische Städte oder auch Kopenhagen.

Ich fahre auch viel Rad (min. 5000 km im Jahr) und hatte da auch schon sehr viele Nahtoderfahrungen. Es würde für alle besser wenn Autofahrer bewusst wäre welches Privilig sie mit ihrer Fahrzeugkarossiere haben im Gegensatz zu den ohne Knautschzonen unterwegs seienden Radfahrer.

9 „Gefällt mir“

Ich bin total erschüttert. Es war nur eine Frage der Zeit. Reiner Zufall, dass ihn jetzt ein 77jähriger auf dem Gewissen hat und nicht einer der Sadisten, die ihn absichtlich zu nah überholt haben. Was ist das für ein Rechtsstaat? Was ist das mit dem „mangelnden öffentlichen Interesse? Ich fühle mich ohnmächtig und finde die Situation schwächerer Verkehrsteilnehmender im Straßenverkehr unerträglich.

9 „Gefällt mir“

Der ADFC Pforzheim-Enzkreis sammelt Geld zur Unterstützung der Hinterbliebenen: Spendenaufruf Natenom – Fahrradstadt-Pforzheim.

3 „Gefällt mir“

Bleibt die Frage, ob da der Staatsanwalt nun endlich gegen die Akteure in den Amtsstuben und Polizei vorgeht, oder ist das die gleiche Abteilung, die die bisherigen Verfahren infolge der Anzeigen eingestellt haben? Ich hoffe, dass die Angehörigen die Arbeit auf dem juristischen Weg fortsetzen und von dem Staat infolge der Inkompetenz seiner Verantwortlichen einen ordentlichen Batzen Schmerzensgeld bekommen.

PS: ich habe selbst einen Fall in der weiteren Familie, bei dem sich nach der Tötung nichts an der offensichtlich mangelhaften Infrastruktur geändert hat. Es musste sich nicht mal eine einzige Person dafür rechtfertigen. Sicher ein Zufall, dass es auf dem sächsischen Land war…

5 „Gefällt mir“

Richtig. Aber, Tempolimit und Grössenbeschränkung von Autos würden IMMER die Sicherheit von Radfahrern, Fussgängern, und anderen Autofahrern erhöhen, und zwar deutlich. Wie immer, alles gleichzeitig regeln und nicht das eine für das andere weglassen, nur weil eine Massnahme offensichtlich oder auch nur vermutlich eine grössere Wirkung hat als das Andere.

4 „Gefällt mir“

Erstens habe ich nirgends das eine gegen das andere ausgespielt sondern lediglich ein Beispiel dafür gebracht, dass es Massnahmen gibt die vermeintlich das Auto beschneiden, in Wahrheit aber gar keinen großen negativen Einfluss haben und zweitens ist die Aussage man müsse alles machen unrealistisch.

Wir sind in einer Situation in der Bürgerentscheide große Pläne in einigen Orten verhindern (z.B. Halle). Daraus die Lehre zu ziehen dann machen wir Änderungen halt noch größer wäre doch alles andere als zielführend.

Wenn wir auf absehbare Zeit Verbesserungen wollen, dann muss man sich auch realistische Ziele setzen und nicht das Motto Ganz oder gar nicht vorne anstellen.

Selbst die Orte in den Niederlanden oder Dänemark die bei uns als Vorbild gelten haben nicht alles geregelt.

Bei Tempolimit innerorts gehe ich aber mit. Da besteht auch akut Handlungsbedarf. Viele Straßen sind ohnehin mit 50 nicht sicher zu befahren, was viele aber nicht daran hindert es doch zu tun.

Edit: war vorwiegend auf die Grössenbeschränkung bezogen, die meines Erachtens wenig bringt da der große Teil der großen Fahrzeuge ja dann doch Lieferverkehr ist und ich jetzt nicht unbedingt den Familienvan bekämpfen will nur weil ein paar Leute meinen einem X7 zum einkaufen zu brauchen.

Daher wäre mein Fokus auf Tempolimit, mehr Platz für Rad und Fuß und übersichtlichere Gestaltung vieler Bereiche.

Du hast schon Recht was die Praxis betrifft. Aber die Maximallösung sollte dennoch in der Diskussion bleiben als Fernziel.

2 „Gefällt mir“

Wobei die ja bei jedem anders aussieht. Die einen wollen das Auto aus weiten Teilen der Städte komplett verbannen, andere (dazu gehöre ich) lediglich deutlich reduzieren.

Ich denke wenn man sich an Städten in den Niederlanden orientiert in denen es schon sehr gut funktioniert ohne die Autos komplett auszusperren, dann kann man schon einen Punkt kommen der für alle praktikabel ist und wohl fast eine Win-Win Situation darstellt bei der das grösste Kontra wäre, dass sich einige in ihren Gewohnheiten etwas ändern müssten.

Ich war dieses Jahr das erste mal in Holland und dort nur mit dem Fahrrad unterwegs. Neben den fantastischen Radwegen ist mir auch aufgefallen, dass die Autofahrer extrem rücksichtsvoll zu sein schienen im Vergleich zu Deutschland. Dabei wohne ich in Karlsruhe, das immerhin 2 Jahre sogar vor Münster und Freiburg auf Platz 1 bei den fahrradfreundlichen Städten bis 500.000 Einwohnern war. ADFC-Fahrradklima-Test - Ergebnisse
Die Note ist allerdings nur befriedigend und das passt aus meiner Sicht auch. Gut ist wirklich anders.

1 „Gefällt mir“