Die Umfragewerte sinken weiter, die Ablehnung in großen Teilen der Bevölkerung ist enorm, und v.a. Politikerinnen der Grünen sind regelrechte Hasspersonen.
Ricarda Lang schlägt daher vor, sich weniger dem Kampf gegen Rechts zu widmen, und sich wieder mehr auf Zitat „welche politischen Ziele sie verfolgt und wie sie sich die Zukunft vorstellt“ fokussieren. (Gemeint die Grüne als Partei).
Aber reicht das? Ich frage mich ernsthaft, ob es aktuell bei der Stimmung im Land einen realistischen Weg zu über 15%, hin zu 20% gibt. Wie will man gegen eine solche Stimmung ankommen?
Es ist ja nicht nur der blinde Hass der den Grünen
schadet, sondern auch einfach fragliche Entscheidungen. Die Realos haben gezeigt dass die für Soziales im Zweifel so viel übrig haben wie die FDP und das rächt sich bei vielen Bürgern. Ich bin von den fragwürdigen Förderungen und dem verhindern sozialer Maßnahmen auch von Grünen Realos und SPD zumindest wie viele andere nachhaltig enttäuscht und hoffe inständig dass es nicht Schwarz-Grün im Bund wird. Ich denke dann wird die Gruppe der Normalverdiener noch mehr ausbluten als jetzt schon während die Vermögende grinsend Steuergeschenke und Subventionen abgreifen.
In Teilen der Bevölkerung ist der Hass auf die Grünen zweifellos groß.
Das hängt wohl auch damit zusammen, dass grüne Themen entweder auf der Prioritätenliste nach unten rücken (z. B. Klimakriseneindämmung) - auch medial -oder dass die ehemals grünentypische gruppenbezogene Menschenfreundlichkeit entweder nicht mehr kenntlich wird oder im Zuge des gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks (ein besonders krasses Beispiel hier) häufiger abgelehnt wird.
Gleichwohl haben die Grünen bei der Europawahl dieses Jahres nur 2,8 Prozentpunkte gegenüber der Bundestagswahl 2021 verloren.
Folglich sollte man jetzt auch nicht überdramatisieren.
Das Auf und Ab der Grünen hat wohl viel mit Themenkonjunkturen zu tun.
Also sind wir beim Klimageld. Bleibt die Frage der Finanzierung, ohne dass es die anderen Parteien als Steuererhöhung framen können (Stichwort Abschaffung Dienstwagenprivileg, Steuern auf Diesel).
Ansonsten würde ich das Thema Infrastruktur sehr stark fokussieren, und sich als wahrscheinlich einzige Partei klar gegen die Schuldenbremse positionieren.
Ok, das triggert mich jetzt: Wer hat denn aktuell von den Parteien im Bundestag etwas für Soziales „übrig“? Das kann nun wirklich nicht der ausschlaggebene Grund für den Hass auf die Grünen sein.
Soziales spielt für mich auch nur eine Nebenrolle. Ja, das Klimageld kam nie, und der CO2 Preis ist dadurch nichts anderes als eine Steuererhöhung, und ja, beim sog. Heizungsgesetz hatten viele sicherlich Angst, finanziell unter die Räder zu kommen.
Aber die größte Ablehnung kommt doch gegenüber dem massiven Verändersdruck, den die Grünen von allen verlangen, von der gefühlten Bevormundung und dem Ruf als „Anti Spaß Partei“ (kein Fleisch mehr, keinen V8, kein 200 auf der Autobahn (ich übertreibe)).
Und was man sicherlich nicht unterschätzen sollte das Thema Atomausstieg, und die Entscheidung dafür Kohlekraftwerke reaktiviert zu haben.
Das Ergebnis bei der Europawahl sollte aber dramatisiert werden, wenn man in einer Altersgruppe (16- bis 24-jährige) minus 23 Prozent eingefahren hat und folglich fast ein Viertel der jungen Wähler verloren hat. Das war eine komplette Katastrophe für die Grünen.
Der stärkste Hass & Ablehnung gegenüber den Grünen kommt, meiner Meinung nach, eh von denjenigen, die sowieso nie Grün gewählt haben oder hätten. Das ist folglich nicht der (Haupt-)Grund für die schlechten Umfragewerte und da kommt die Beobachtung aus der Europawahl & die Aussagen von @Tris dazu.
Das Auftreten der Grünen in der Ampel ist alles andere als das, was sie über Jahre versprochen & propagiert haben. Da fließt sowohl das nicht vorhandene Klimageld mit ein, die aktuelle Flüchtlingspolitik, aber auch sowas wie das Heizungsgesetz.
Ich denke, das hat massiv Wähler vergrault, wie eben bei der Europawahl ersichtlich.
Erst jüngst hat Robert Habeck mal den Zusammenhang hergestellt:
Ein ganz interessantes Format zu grüner Politik ist „Pick Your Battle“ der Heinrich-Böll-Stiftung (u. a. mit den notorischen Grünenbashern Helene Bubrowski und Robin Alexander). Das Gespräch mit Bernd Ulrich (Die Zeit ) habe ich mal ausgewählt:
Wichtig in puncto Kommunikation ist auch noch ein positives Zukunftsbild:
Die Parteiführung übernimmt keine Verantwortung für eine Serie an miserablen Wahlergebnissen (außer „wir müssen jetzt besser kommunizieren“). Diese Aufgabe ist einfach zu groß für die beiden.
Habeck ist Wirtschaftsminister und vertritt öffentlich keinen Plan, wie wir aus der miserablen Lage wieder herausfinden könnten.
Lisa Paus und ihre „eine Kindergrundsicherung kostet zwischen 3 und 8 Milliarden Euro, braucht 5.000 Stellen und unterwegs finden wir einfach gemeinsam heraus wofür“.
Baerbock hat ihren Traumjob, aber Außenpolitik gewinnt in Krisenzeiten keine Stimmen.
Es gibt bei den Grünen wirklich niemanden mehr, der irgendeinen Elan, Spirit oder Lust für was Neues ausstrahlt.
Svenja Schulze… ja, was macht die eigentlich beruflich?
Es sind ja nicht die gleichen Leute. Die Grünen-Wähler 2019 sind ja fünf Jahre älter geworden und somit im Wesentlichen aus der Altersgruppe herausgewachsen. Und die 16- und 17-Jährigen durften bei der letzten Europawahl noch nicht wählen. Folglich sind nicht mal die Altersgruppen identisch. Der Vergleich ist also mehr als problematisch.
Aber kann Enttäuschung in Hass enden? Hier auf handwerkliche Fehler hinzuweisen, greift aus meiner Sicht zu kurz.
Warum kommen Menschen auf die Idee Frau Lang alles mögliche zu „wünschen“?
Hass ist ein großes Wort.
Ärger über politische Entscheidungen erklären meines Erachtens nicht Hass.
Ich denke, der Hass wurde durch die allgemeine Hetze gegen die Grünen geschürt. BILD und viele Politiker:innen haben sie als Feindbild aufgebaut. Sogar kürzlich noch Herr Kretschmer, obwohl sein eigentlicher Feind die AfD hätte sein müssen.
Ach, und bei Ricarda Lang wird das Ganze dann noch mit Frauenfeindlichkeit etc. befeuert.
In gewisser Hinsicht schon, weil sie genau diese Wählergruppe enttäuscht haben.
Nicht mehr und nicht weniger, einfach nur darauf zu verweisen, dass das eine Ausnahme war und eigentlich alles halb so schlimm ist, halte ich für falsch.
Ich denke hier muss man unterscheiden, weil wie ich oben schon schrieb der Hass kommt eben genau nicht von enttäuschten Wähler/innen, sondern von anderen Akteuren. Das gab es aber auch schon vorher und trotzdem standen die Grünen deutlich besser dar.
Deshalb muss man eben schon auf die handwerklichen, aber insbesondere auf die kommunikativen Fehler verweisen.
Wobei bei Kretschmer zu beachten war, er war im Wahlkampf. Da ist die Polarisierung ein notwendiges Werkzeug. Es kann ja nicht jede Partei mit dem Spruch Wahlkampf machen: „Hinter dem Erfolg von diesem Mann (CDU Kretschmer) steckt eine starke Frau, die es kann (SPD Spitzenkandidatin)“.
Den Hass auf die Grünen - den ich genauso erlebt habe, als sie mit Schröder an der Regierung waren - sollte man nicht mit dem Wahlverhalten junger Leute vermischen. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.
Wenn die Grünen regieren, scheint eine Maschinerie der Abwehr anzulaufen, die aus ihrer Sicht vorausschauend das schlimmste verhindern möchte, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist und der Konservatismus vor die Hunde geht.
Damals hatten sie mit Joschka Fischer jemanden, der die Medien in seinem Sinne bespielte und die Angriffe mit Selbstironie ins Gegenteil verkehrte.
Die heutigen Grünen wirken dagegen wie Getriebene.
Ich sehe zwei unterschiedliche Themen, die nur bedingt etwas miteinander zu tun haben:
Wahlergebnisse
Ich sehe die Grünen nicht als Volks-, sondern als Zukunftspartei. Ihre Rolle ist, zukunftsorientierte Politik voranzutreiben. Ob das in der letzten Legislaturperiode gelungen ist, darüber kann man streiten. Aber es deckelt die erreichbaren Wahlergebnisse und 20% empfinde ich fast schon als ambitioniert.
So oder so geht es hier aber um die Zufriedenheit der Wählerschaft der Grünen mit ihrer Performance in der Regierung und die auch schon im Podcast angesprochene „Issue Ownership“ der Grünen bei Themen, die aktuell medial und gesellschaftlich hochgespielt werden. Auf letzteres haben die Grünen selbst nur begrenzten Einfluss.
Hass
Das ist für mich ein komplett separates Thema. Die außerordentliche Gewalt und Stimmungsmache gegen Grüne Politiker:innen ist in keiner Weise durch ihre Politik oder ihr persönliches Verhalten zu erklären.
Entsprechend führe ich das auf eine sehr gezielte Kampagne (rechts-)konservativer Kräfte in Politik und Medien zurück. Ich interpretiere das als bewussten Abwehrkampf wirtschaftlicher Interessenvertreter und eines konservativen Gesellschaftsbilds.
Ich denke gerade letzteres sollte man nicht unterschätzen. Ja, die Grünen stehen für Umweltschutz und einer entsprechenden Einhegung der Wirtschaft. Nachdem sich die Linke selbst demontiert hat, sind sie aber auch die einzige parlamentarische Kraft, die ernsthaft und aus großer innerer Überzeugung LGBTQ*-Rechte, gesellschaftliche Diversität, Gleichberechtigung usw. zur eigenen Identität gemacht hat.