Taiwan und China / aus Sicht von Frau Strack-Zimmermann FDP

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Im oben verlinkten Podcast spricht Frau Strack-Zimmermann über das Verhältnis China und Taiwan.
Besonders der Anfang ist sehr interessant, da an dieser Stelle die Begrifflichkeit „ein Land zwei Systeme“ aus meiner Sicht zu sehr komischen Verrenkungen in der Sprache führt.
In letzter Konsequenz vermeidet sie ein paar Minuten später sogar die Aussage, das Taiwan ein Staat wäre, sondern bezeichnet es als Institution.

Aus meiner Sicht könnte man das langfristig mal in der Lage erörtern. Wenn man die Philosophie „ein Land zwei Systeme“ auf die Spitze treibt, könnte man Thailand ja auch genauso gut China geben und sich das ganze Theater drumherum sparen.
Man kann aus meiner Sicht nicht von einer funktionierenden Demokratie in Taiwan sprechen und dann diesem Bereich die Anerkennung als Staat nicht gewähren.

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Die Eigenschaft „Demokratie“ zu sein hat erst Mal nichts mit der Eigenschaft, Staat zu sein, zu tun…

Daher: Wir erkennen Diktaturen nicht die Anerkennung als „Staat“ ab, weil sie Diktaturen sind, ebenso wenig erkennen wir unabhängige Landesteile, die nach Demokratie streben, nicht deshalb automatisch als Staat an.

Wenn sich z.B. jetzt ein pro-westlicher Teil Russlands abspalten und zur Demokratie bekennen würde, würde daraus nicht automatisch folgen, dass dieser Teil international als eigener Staat anerkannt würde. Hier würde auch kein westlicher Staat eine Anerkennung vornehmen. Denn wir können das Vorgehen Russlands in der Ostukraine und der Krim nicht kritisieren und gleichzeitig exakt das gleiche tun, nur weil die Abspaltenden Teile in diesem Fall unserer Auffassung von einem „korrekten Staatswesen“, daher Demokratie, folgen.

Nahezu jedes größere Land hat Angst vor Unabhängigkeitsbestrebungen im eigenen Land (Spanien mit Katalonien, Deutschland mit Bayern, USA mit Kalifornien, Italien mit Südtirol, Rumänien mit Siebenbürgen und viele mehr…). Deshalb ist auch dem demokratischen Westen daran gelegen, den Status Quo aufrecht zu erhalten.

In Taiwan haben wir die Sondersituation, dass China nach dem Chinesischen Bürgerkrieg in zwei Teile geteilt wurde, die Sieger des Bürgerkriegs (die Kommunisten) haben die Kontrolle über das gesamte Festland-China errungen, die Verlierer ( Kuomintang) haben sich auf die Insel Formosa, jetzt Taiwan, zurückgezogen und konnten diese verteidigen.

Seit dem Ende des Bürgerkriegs haben beide Seiten den Anspruch auf ganz China gestellt, beide Seiten haben daher eine Ein-China-Politik verfolgt. In der ersten Zeit hat Taiwan daher Gesamt-China vor der UN vertreten, obwohl dort nur ein winziger Bruchteil der Bevölkerung dort lebte, während das riesige Festland-China keine Vertretung vor der UN hatte.

Hätte Taiwan zu dieser Zeit die kluge Entscheidung getroffen, etwaige Machtansprüche gegenüber China ruhen zu lassen und auf eine Eigenstaatlichkeit beharrt, sähe die Situation heute anders aus. Leider wollen aber beide Parteien genau das nicht. China hat sich letztlich vor der UN durchgesetzt. Taiwan hingegen hat noch lange Zeit später auch Machtansprüche gegenüber China vertreten.

Erst seit der Demokratisierungsprozesse ab 1987 hat Taiwan langsam die Ansprüche auf die Gesamt-Vertretung Chinas fallen gelassen und ist damit von einer Ein-China-Politik abgerückt, weil offensichtlich klar wurde, dass diese Ansprüche unmöglich durchsetzbar sein werden - daher: Wenn es jemals nur „ein China“ geben wird, dann wird das nicht unter Taiwanischer Führung sein. China hingegen hält weiterhin an einer Ein-China-Politik fest.

Deutschland wird hier in der Anerkennung Taiwans nicht vorpreschen, wenn nicht mal die USA im Kalten Krieg diesen Schritt gegangen sind, was logisch gewesen wäre im Hinblick darauf, dass China Kommunistisch war. In diesem Sinne ist das Verhalten Strack-Zimmermanns absolut verständlich. Und die USA wissen ganz genau, dass eine Anerkennung Taiwans möglicherweise den bisher eher kalten Konflikt heiß werden lassen könnte, indem China sich gezwungen sehen könnte, Tatsachen zu schaffen.

Die Anerkennung Taiwans wird daher - wenn überhaupt - nur kollektiv vom gesamten Westen geschehen, weil die wirtschaftlichen Auswirkungen mindestens ein Wirtschaftskrieg mit China wären. Daher wird es so weiter laufen wie bisher: Die USA und andere westliche Staaten werden Taiwan nach allen Kräften aufrüsten, damit der Preis einer Invasion für China zu hoch wird. Gleichzeitig wird Taiwans Wirtschaft maßgeblich unterstützt, um die Demokratisierungsprozesse und die West-Bindung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten.

China weiß sehr genau, dass es Taiwan aktuell nur über Propaganda erobern kann, indem eine pro-chinesische Stimmung in Taiwan erzeugt wird. Eine Eroberung mit Gewalt würde die gesamte Infrastruktur in Taiwan zerstören, die China so gerne erobern würde - und die globalen politischen Verwerfungen wären diesen Preis nicht wert.

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Ich denke, es geht China bei Taiwan nicht um die Wirtschaft sondern um Geostrategie. Selbst ein völlig zerstörtes und entvölkertes, aber festlandchinesisches Taiwan wäre von extremen Wert für China. Siehe auch

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Beides. Taiwan gehört je nach Statistik wirtschaftlich zu den 20-30 stärksten Ökonomien dieser Welt und konzentriert gerade im Bereich Mikroelektronik einen großen Teil des internationalen Know Hows und der Produktionsstätten im Land. Da die USA zunehmend versuchen, China den Zugriff auf moderne Chips zu verwehren, dürfte das Land ein sehr ausgeprägtes Interesse an den diesbezüglichen Fähigkeiten Taiwans haben.

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Da gibt‘s einen Begriff für: Taiwan ist ein De-Facto-Regime - ein Territorium mit allen Merkmalen eines Staates aber ohne diplomatische Anerkennung. Davon gibt es einige auf dieser Welt, darunter das Eine oder Andere für dessen diplomatische Anerkennung man ähnlich gut argumentieren könnte.

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Kannst Du dafür ein paar Beispiele nennen? Es gibt jedenfalls sonst keine Region mit so großer Bevölkerung, so etablierten und stabilen Strukturen und einer derartigen wirtschaftlichen Unabhängigkeit.

Als erstes fällt mir da Somaliland ein. Das Land hat sich 1991 von Somalia abgespalten, als dieses in den Bürgerkrieg abrutschte, aus dem sich Somaliland weitgehend erfolgreich raushalten konnte. Seit 30 Jahren ist es politisch stabil und auf dem Weg zur Demokratie, und mit 3,5Mio Einwohnern auch nicht gerade klein.
Kosovo gilt ebenfalls oft als De-facto-Regime, da es von fast der Hälfte aller Staaten nicht anerkannt wird - darunter einige EU-Staaten - und keine Aussicht hat, in die UNO aufgenommen zu werden.
Und ich denke, dass sich viele der Argumente für eine Unabhängigkeit Taiwans auf Nordzypern und Abchasien übertragen lassen. Das ist noch ein Grund hier vorsichtig vorzugehen, wenn man nicht einen weiteren Präzedenzfall für die Abspaltung einer Region schaffen will, der von interessierter Seite für ihre Zwecke ausgenutzt werden kann (Stichwort: Krim).

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Danke für diese Beispiele!

Allerdings kann man im Fall von Taiwan ja nicht wirklich von einer Abspaltung sprechen, jedenfalls ist der Fall mit keinem der von Dir genannten vergleichbar.

(Kurz zur Geschichte: Taiwan war Teil Chinas, aber nicht der Republik Chinas, bevor es ein halbes Jahrhundert lang unter japanische Kolonialverwaltung kam. Nach dem 2. Weltkrieg wurde es wieder chinesisch, diesmal Teil der Republik. Aber nur vier Jahre später wurde es dann zum einzigen Überbleibsel dieser Republik, während sich auf dem Festland die Volksrepublik etablierte.)

Ich verstehe aber Dein Argument und die Gefahr, dass interessierte Parteien den Unterschied nicht sehen oder absichtlich nicht differenzieren. Als größere Gefahr sehe ich die oben schon geäußerte, dass eine Anerkennung von Taiwan der Volksrepublik nicht nur einen Anlass sondern einen richtigen Grund geben würde zur Aggression.

(Edit: Tippfehler)

Ja, Taiwan war nie Teil der Volksrepublik Chinas, da diese erst später gegründet wurde, aber die DDR war auch nie Teil der Bundesrepublik Deutschland, trotzdem hätte auch 1990 niemand bei klarem Verstand gesagt, dass die DDR nicht Teil Deutschlands wäre bzw. kein Anspruch der BRD auf Wiedervereinigung mit der DDR bestehe.

International gilt hier das Prinzip der Staaten-Nachfolge und da haben wir bei China/Taiwan einen Sonderfall: Der chinesische Bürgerkrieg zwischen den Kommunisten und den Kuomintang führte dazu, dass die Verlierer dieses Krieges, die Kuomintang, sich auf Taiwan zurückgezogen haben und dort den vorherigen Staat China („Republik China“) weitergeführt haben (wie gesagt mit dem Anspruch, ganz China zu beherrschen, auch wenn sie faktisch den Anspruch über Festland-China verloren haben), während die Sieger des Krieges ebenfalls den Anspruch hatten, die „Republik China“ weiterzuführen, allerdings nun unter dem Namen der „Volksrepublik China“. Diese Umbenennung ist letztlich völkerrechtlich nicht relevant - die „Bundesrepublik Deutschland“ ist trotz Umbenennung weiterhin der Nachfolgestaat des „Deutschen Reiches“, das hätte auch gegolten, wenn die DDR sich offiziell weiterhin „Deutsches Reich“ genannt hätte. Über ein Festklammern am alten Namen wird jedenfalls keine Legitimität auf den Anspruch, der Nachfolgestaat zu sein, erzeugt.

Fakt ist, dass Taiwan von rund 1680 bis 1900 zusammen mit China Teil der Qing-Dynastie war, also für über 200 Jahre. Durch einen Angriffskrieg Japans wurde Taiwan um 1900 erobert und war bis zur Niederlage Japans im zweiten Weltkrieg von Japan besetzt, vor 1680 war Taiwan unter Niederländischer und Spanischer Kolonialherrschaft. Japan wurde übrigens in den Kapitulationsverhandlungen nach dem Ende des zweiten Weltkriegs verpflichtet, Formosa an China zurückzugeben, aber China war im Bürgerkrieg und die Flucht der Kuomintang nach Formosa hat dann eben die heute bestehende Situation geschaffen.

Die lange gemeinsame Zeit unter den Qing-Dynastie, welche damals „China“ war, begründet jedenfalls historisch relativ klar, dass beide Landesteile Teil von China sind, vor allem, weil es historisch auf der Insel Formosa (jetzt Taiwan) nie einen eigenen, unabhängigen Staat gab, sondern nur Besatzungen (durch Kolonialmächte und später Japan).

Die Aussage, „Taiwan war nie Teil der Volksrepublik China“, die man leider viel zu oft hört, ignoriert völlig das völkerrechtliche Prinzip der Staatennachfolge.

Taiwan ist das Resultat einer Spaltung eines Landes durch einen Bürgerkrieg - und das ist genau die Art von Unabhängigkeitsbestrebung, vor der viele Staaten, darunter sowohl China und Russland als auch halb Europa und die USA, tierische Angst haben. Deshalb hat man hier auch stets auf eine Wiedervereinigung gepocht. Erst als Taiwan dann ab 1987 langsam demokratisch wurde und China zunehmend autoritärer wurde, entstand langsam die Meinung, man müsse Taiwan anerkennen, obwohl es dafür keine völkerrechtliche Grundlage gibt (wie gesagt, es gibt keinen Vorrang der Demokratie im Völkerrecht… Völkerrecht ist der Minimalkompromiss zwischen Autokratien wie China und Russland, den Demokratien im Westen und den Entwicklungsländern im globalen Süden… es basiert auf einer Festlegung von Werten, denen sich alle Länder der Welt verpflichtet sehen, da passt eine politisch-ideologische Prägung wie der Vorrang der Demokratie einfach nicht rein…).

Im Idealfall wird der Konflikt über die Aufrüstung und wirtschaftliche Unterstützung Taiwans noch über Jahrzehnte ruhig gestellt und die Geschichte erledigt sich irgendwann von selbst, entweder, weil China den Kampf um die Köpfe gewinnt und einen Kompromiss zur Wiedervereinigung erreichen kann (unwahrscheinlich!), weil China nach einer Revolution das System wechselt und dadurch eine Wiedervereinigung oder ein Verzicht auf Taiwan möglich wird (auch unwahrscheinlich) oder weil China irgendwann unter seiner eigenen Größe an den damit verbundenen Wachstumsschmerzen zusammenbricht (etwas wahrscheinlicher, dieses Reich langfristig zusammen zu halten wird nicht einfacher werden). Vermutlich ändert sich aber einfach auf viele Jahrzehnte gar nichts und der Konflikt bleibt langfristig eingefroren, womit denke ich alle leben können.

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Du hast in allem, was Du sagst, recht, auch

ist richtig. Allerdings: Ich mag mich irren, aber ich glaube, für eine Anerkennung eines Staates, der sich (durch Abspaltung natürlich - wie auch sonst) neu bildet, gibt es eigentlich nie eine völkerrechtliche Grundlage.

Ich will auch gar nicht auf der historischen Zugehörigkeit Taiwans zu China herumreiten. Mag durchaus sein, dass die Volksrepublik oder aber die Republik China Rechtsnachfolger des Qing-Kaiserreichs ist, aber das ist, die Geopolitik mal außen vor gelassen, für alle praktischen Belange ziemlich irrelevant. Taiwan, die taiwanesische Bevölkerung, die taiwanesische Wirtschaft, die taiwanesische Politik agieren und funktionieren genau so, wie sie es in einem unabhängigen Staat tun würden, und das gleiche gilt übrigens auch für das Festland.

Auch nach der einfachen Definition (Staatsgebiet, Staatsvolk, Staatsgewalt) ist Taiwan ein Staat, und ein erfolgreicher dazu. Trotzdem wird er, derzeit mit gutem Grund, allgemein nicht anerkannt. Und dieser Grund ist einfach die drohende Agression Chinas (und eben nicht das Völkerrecht).

(Edit: Tippfehler)

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Ein stattgefundener oder drohender Genozid ist vom Großteil der Welt als Grund für eine Abspaltung anerkannt, auch von Russland und China. Das ist ja auch der Grund, warum Russland diese aberwitzigen, absurden Begründungen für seinen Angriffskrieg in der Ostukraine gebracht hat - hier war sich Putin ja nicht zu schade, zu behaupten, es hätte hier einen Völkermord gegeben oder dieser werde von der Ukraine vorbereitet.

Auch die Anerkennung des Kosovo u.a. durch Deutschland wird völkerrechtlich damit begründet, dass die Serben einen Genozid an den Albanern begangen haben und es den Kosovo-Albanern deshalb nicht zugemutet werden könne, weiterhin Teil Serbiens zu sein. Aber an diesem Beispiel zeigt sich auch, dass es natürlich immer die Frage ist, ab wann man von einem Völkermord spricht. Denn u.a. Spanien hat - übrigens auch relativ unverhohlen offiziell - deshalb den Kosovo bisher nicht anerkannt, weil es befürchtet, dass diese Anerkennung den Katalanen und Basken neuen Aufwind für eigene Unabhängigkeitsbestrebungen geben könnte. Ähnliches gilt für Rumänien (Siebenbürgen) und Slowakei (Unabhängigkeitsbestrebungen der ungarischen Minderheit). Desto aktueller Unabhängigkeitsbestrebungen in einem Land sind, desto weniger wird es geneigt sein, selbst eine wegen Genozid legitime Unabhängigkeit anzuerkennen.

Das ist letztlich, was ich zu Beginn sagte:

Als China noch kein global player war, daher von 1950 bis 1970, hätte Taiwan vermutlich relativ einfach eine Unabhängigkeit erklären und vom Rest der Welt anerkannt werden können. Doch zu dieser Zeit bestand auch Taiwan noch auf der Ein-China-Politik (unter Führung Taiwans). Jetzt hat sich dieses Fenster geschlossen, weil China jetzt zu groß und wirtschaftlich zu bedeutend ist, um China durch die Anerkennung vor den Kopf zu stoßen.

Dennoch würde ich dabei bleiben, dass die Nicht-Anerkennung Taiwans zwei Gründe hat:

  • Man will das wirtschaftlich wichtige China nicht verärgern (für die meisten Länder der primäre Grund)
  • Man will eigenen Unabhängigkeitsbewegungen keinen Aufwind verleihen (für die meisten Länder der sekundäre Grund, der jedoch in seiner Bedeutung steigt, desto stärkere Separatismus-Bewegungen es im eigenen Land gibt. Damit ist es für manche Länder auch der primäre Grund.)
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Klar. Wie Daniel_K gesagt hat: Das ist der klassische Fall DDR-BRD, Nord- und Südkorea, Nord- und Südvietnam. Ein Überbleibsel aus den Zeiten, als der Kalte Krieg noch heiß war. Es ist aber auch der Fall Nord- und Südzypern. Ohne kräftige Unterstützung durch die USA hätte sich die Chinesische Nationalpartei auf Taiwan genauso wenig halten können, wie die Republik Nordzypern ohne Unterstützung der Türkei überleben könnte.
Letztlich ist ein Blick auf Politik und Geschichte der Insel gerade aus deutscher Perspektive interessant. Dass es nach der Übergabe Taiwans von Japan an China keine 18 Monate gedauert hat, bis die Insel im offenen Aufstand gegen die neuen Machthaber war (228-Zwischenfall) klingt zwar erstmal überraschend. Mit Blick auf die deutsche Geschichte ab 1990 kann man aber erahnen, was da passiert ist. Wenn Abgeordnete der amtierenden Regierung die Flagge ihres Landes mit der Nazifahne vergleichen (Freddy Lim: „Stellen Sie sich vor, über dem Deutschland von heute, mit all seinen demokratischen Errungenschaften, würde immer noch die Fahne mit der Swastika wehen…“) oder die Forderung aufgestellt wird, sich doch erstmal von der Republik China unabhängig zu machen - um die Volksrepublik könne man sich danach kümmern. Dann ist das auf den ersten Blick vielleicht verwirrend und überraschend. Aber Ja: man kann es verstehen und nachvollziehen.
Soundtrack zu diesem Posting: 大象體操ElephantGym _ 中途Midway - Musik aus Taiwan.

Grundsätzlich Zustimmung zu deinem Post, aber wie kannst du Freddy Lim zitieren und danach einen Musiktipp geben, der nicht von der Band stammt, deren Sänger Freddy Lim ist :smiley:

Daher hier der Kontrast-Musiktipp für die anderen Metalheads hier im Forum.

Das war halt das, was gerade im Hintergrund lief. Das war der Algorithmus, da kann ich nix für :man_shrugging:

Äh, doch. Bougainville 2019. Wenn das einmal durch ist, sollte niemand ein Problem damit haben. Oder Südsudan 2011.

Äh, ja, nein, doch. Das Völkerrecht ist auch ein Grund. Ich finde es faszinierend, dass die von Stalin im Kaukasus und Zentralasien gezogenen Grenzen immer als sakrosankt und unantastbar dargestellt werden, die von den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs definierten Grenzen Chinas aber diskutabel sind. Auf der Potsdamer Konferenz 1945 ist Taiwan China zugeschlagen worden, basierend auf der Tatsache, dass es von (spätestens) 1680 bis 1895 zu China gehört hat, und in Anerkennung der von China geleisteten Kriegsopfer (Rape of Nanking usw.). Dem ging eine analoge Entscheidung der Konferenz von Teheran 1943 voraus. Das Völkerrecht geht von der Gültigkeit der nach Ende des Zweiten Weltkriegs gezogenen Grenzen aus. Jede Abweichung davon ist nur valide, wenn alle beteiligten Parteien zugestimmt haben. Nigeria hat seine Unabhängigkeit erklärt und UK schickt einen Botschafter? Prima! Nordzypern hat sich für unabhängig erklärt und Südzypern ignoriert das? Vergiss es! Völkerrechtlich ist die Republik China ein Teil der Volksrepublik China. Oder umgekehrt. Deine Wahl.
PS: Ich habe den taiwanesischen Soundtrack vergessen: Jesse von Flesh Juicer singt Turn the sun off關閉太陽 - begleitet von Chthonic und Freddy Lim.

Ostdeutschland nach 1990 war in einer sehr viel anderen Situation als Taiwan 1947. Taiwan war damals nach ungefähr fünfzig Jahren Besatzung - in deren letzten Jahren sich Japan und damit gezwungenermaßen auch Taiwan im Krieg mit China befunden hatte - in eine Freiheit entlassen worden, die die taiwanesische Bevölkerung zunächst etwas orientierungslos ließ. Die Vertreter der Republik China sind freudig willkommen geheißen worden, haben sich aber bald wie neue Besatzer aufgeführt, und sind den Taiwanesen auch mit sehr viel Misstrauen begegnet, u.a. weil diese naturgemäß recht japanisch erzogen worden waren - viele hatten in der Schule Japanisch gelernt, und auch sonst nicht Chinesisch gesprochen, sondern den taiwanesischen Dialekt (der sich von Mandarin mindestens so sehr unterscheidet wie Niederländisch von Deutsch). Der damalige Gouverneur der Insel hat sich auch nicht um eine Integration Taiwans bemüht, sondern eher um seine eigene Bereicherung. Dazu kam die Landreform, die langfristig der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes zwar gedient hat, aber kurzfristig zu vielen Ungerechtigkeiten und Enttäuschungen geführt hat.

Im 228 Incident hat sich diese Situation entladen: Die Taiwanesen, die Ihre Hoffnung auf Freiheit enttäuscht sahen probten den Aufstand, der aber blutig niedergeschlagen wurde. Danach war die Situation zwar befriedet, aber natürlich war das ein Zwangsfrieden, und das Kriegsrecht hat sein übriges getan.

Also ja: Es gibt noch sehr viele Ressentiments der Taiwanesen gegenüber den Vertretern insbesondere der Guo Min Tang, aber das ist ein ganz anderes Kaliber als die Abneigung oder Bevormundung zwischen Ossis uns Wessis.

(Nachträgliche Korrektur: Die Landreform hat erst später stattgefunden.)

Und genau was Du da schilderst meinte ich mit „man kann es erahnen“.

Minnan bzw. Hokkien ist halt eine eigene Sprache, die heute von ca. 45Mio Menschen gesprochen wird, vor allem in der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian.

Ich würde sagen, das Völkerrecht ist eine Begründung, die herangezogen wird, um das zu unterlassen, was man eigentlich gerne täte, sich aber nicht traut, weil man (zurecht) Angst vor der Aggression Chinas hat. Aber vielleicht ist das nur mein Eindruck, weswegen es sich nicht lohnt, weiter drüber zu diskutieren.