Tabuthema Waffenlieferungen?

Ein schnelles Ende kann dieser Krieg nur dann finden, wenn einer der beiden Kontrahenten eine verheerende militärische Niederlage erleidet. Es also für eine Seite klar ist, dass es auf militärischer Ebene immer nur weiter bergab gehen wird. Jetzt die Waffen niederzulegen, das wäre für beide Parteien irrational.

Die Ukraine hat bereits zehntausende Tote, Schäden in Höhe von hunderten Mrd Euro, etc. zu beklagen. Aber ihr Militär ist nicht geschlagen, sondern im Gegenteil wird relativ zu den (weiterhin überlegenenden) russischen Streitkräften immer stärker. Es ist im Bereich des möglichen, gleich zwei für das Land existenziell wichtige Ziele zu erreichen: Russland auf Jahrzehnte von weiteren Angriffen abzuschrecken und sich ökonomisch, politisch und militärisch an den Westen zu binden. Wenn der Preis für diesen „Endsieg“ noch ein paar mehr Tote und zerstörte Gebäude sind, ist es das nicht wert?

Umgekehrt hat sich die russische Führung in eine ausweglose Lage gebracht. Das Militär hat furchtbare Verluste erlitten, die Beziehungen zum Westen sind zerrüttet, die Wirtschaft in einer tiefen Krise, in der Ukraine ist - außer mit Waffengewalt - keinerlei Einflussnahme mehr möglich. Wenn man jetzt die Waffen niederlegt, hat man außer ein paar Quadratkilometern erobertem Gebiet nichts zuweisen. Und steht künftig einer sich mit mit westlichen Waffensystemen hochrüstenden, rachedurstigen Ukraine gegenüber, deren Militär sich bei einer Neuauflage des Krieges begründete Hoffnungen auf einen Sieg machen könnte. Gleichzeitig sind die eigenen militärischen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft (und, so mein Eindruck, die Illusion der grundsätzlichen Überlegenheit gegenüber der Ukraine noch nicht verflogen).

Daher: wenn ein schnelles Ende des Krieges tatsächlich „unser“ Ziel ist, dann müssen wir der Ukraine jede Hilfe versagen und sie den Russen ausliefern.

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Habe kurz recherchiert und es gibt hierzu keine eindeutige, verlässlichen Zahlen, aber es ist von ca. 5000 zivilen Opfern die Rede plus ca. 3000 gefallene ukrainische Soldaten.

Aus meiner Sicht müsste man die Frage eher mit Nein beantworten.
Die Fragestellung impliziert, dass die Ukraine Russland besiegt und es sich deshalb lohnen könne, Menschenleben zu opfern. Da wir aber beide nicht wissen, ob dieses Ziel überhaupt erreichbar ist funktioniert die Argumentation aus meiner Sicht nicht.
Ich könnte mir sogar vorstellen, dass gerade in den am stärksten umkämpften Gebieten, wie zB in Mariupol vielen Ukrainern so einiges in Kauf nehmen würden, um die Angriffe zu stoppen - ggf. sogar eine russische Machtübernahme.

Ist das wirklich der einzige Weg? Ich bin der Meinung, dass Russland die Angriffe erst stoppen wird, wenn die russische Führung irgendeine Art Sieg verkünden kann. Was diese als Sieg verkaufen werden hängt sicher mit dem Preis zusammen, den Sie dafür zahlen müssen. Wenn initial das Ziel die Einnahme Kiews und damit der Ukraine war, dann ist es heute vielleicht die Einnahme des gesamten Donbass plus ggf. weitere Zugeständnisse der Ukraine wie zB deren Neutralität.

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Das hieße in letzter Konsequenz, die Ukraine hätte eher sich wehr- und kampflos der russischen Übernahme ergeben sollen, um des Friedens willen? Also man gibt dem Aggressor lieber seinen Willen und akzeptiert klaglos all dessen Bedingungen?
Mag nicht so gemeint sein, klingt aber in der Formulierung so…

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Dies schafft dann aber den „Präzedenzfall“, dass sich ein Angriffskrieg auf einen Nachbarn (unter mehr als fadenscheinigen Gründen) lohnt.

Welches Signal sendet dies an Putin? Wird er „Satisfaktion“ empfinden und von einer weiteren imperialistischen Außenpolitik mit militärischen Mitteln absehen, wenn er hier Erfolg hat?

Dann können wir uns auf den nächsten Krieg in der Ukraine oder dem Baltikum, Kasachstan, oder sonst wo einstellen.

Weiterer Punkt: in den besetzten Gebieten (auch im Donbass und der Krim seit 2014) verschwinden Regimekritiker eigenartigerweise oft und tauchen manchmal später tot und mit Folterspuren wieder auf. Bereits jetzt gibt es zudem zahlreiche Hinweise auf systematische Kriegsverbrechen in den von russischen Soldaten besetzten Gebieten in der Ukraine. Somit sind auch bei einer Übergabe von Territorien an Russland zahlreiche Todesopfer zu erwarten. Haben Sie dies in ihrer Argumentation einkalkuliert?

Würde Ihre Argumentation (Menschenleben um praktisch jeden Preis retten) weiterhin gelten, wenn Putin die NATO bzw, Deutschland direkt angreift?

Zum Zwecke der Diskussion: Putin fordert nach einem Einmarsch in Ostdeutschland Mecklenburg-Vorpommern für Russland, da er dort eine bedrängte Manuela vor deutschen Faschisten schützen muss. Ansonsten droht er Berlin zu beschießen. Würden Sie dann auch dem Schutz von Menschenleben den Vorzug geben? Oder ist hier die Lage anders, denn es handelt sich um deutschen Boden und die Ukrainern können ja schon mal etwas abgeben?

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Eine inständige Bitte: Erspart uns ab jetzt diese rhetorischen Primitivfragen aus der Klamottenkiste der früheren Kreiswehrersatzämter, mit deren Hilfe Wehrdienstverweigerern nachgewiesen werden sollte, dass sie ja gar keine Pazifisten seien…

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… unangemessen, das hat hier niemand geäußert!

Ich denke das disqualifiziert für Fortsetzung einer sachlichen Debatte. Trotzdem nochmal die Erinnerung das meine wesentlichen Argumente Menschenleben und die Verhinderung einer weiteren Eskalation des Krieges sind.

Und deshalb interessiert mich der Diskurs über alternative Lösungen.

An alternativen Lösungen wäre auch ich interessiert. Nur habe ich bisher noch von keiner einzigen vielversprechenden alternativen Lösung gehört oder gelesen.

In der ganzen Sache gibt es ein unumstößliches Faktum: Die Ukraine ersucht um Waffenlieferungen. Das Motiv ist ziemlich klar: Die möchten sich nicht unterjochen lassen. Auch ich hätte keinen Bock, in einem Land wie Russland zu leben oder mich von Russland gar unterjochen zu lassen.

Ja, der offene Krieg würde nach einer Kapitulation von unseren Bildschirmen verschwinden. Aber befriedet wäre dort garnichts. Freiheit gäbe es dort nicht mehr. Und dass das Sterben aufhören würde ist mitnichten gewiss. Die bisherige Menschheitsgeschichte lehrt uns hier eher das Gegenteil.

Eigentlich spricht nichts dafür, dass es keine Todesopfer mehr geben würde, wenn die Ukraine kapitulierte; also den Russen unterläge. Es wäre nicht das erste Mal in der Menschheitsgeschichte, dass es dann zu politischer Verfolgung, zu Internierungslagern und zur brachialen Unterdrückung der unterjochten Bevölkerung auf der einen Seite und zum Partisanenkrieg, zu Bombenanschlägen und sonstigem Widerstand im Untergrund auf der anderen Seite käme.

Ich denke mal, „die ganze Welt“ sucht gerade nach alternativen Lösungen.

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Das Grundproblem wird immer deutlicher: einerseits kann man Putin mit seiner aggressiven Intervention nicht einfach gewähren lassen. Wenn er das Gefühl hat, diese Art der „Politik“ ist ein gangbarer Weg, was sollte ihn davon anhalten, es in anderen Ländern ähnlich anzugehen?
Andererseits kommt man in Russland um Putin nicht herum, und wir wissen alle nicht wie er reagieren wird, wenn der Druck zu gross wird.Menschenleben oder -rechte stehen auf seiner Agenda zumindest nicht allzuweit oben.
Eine alternative Lösung ist wohl nicht „mal eben“ aus dem Hut zu zaubern. Putin das Gesicht wahren lassen, aber ihm keinen „Erfolg“ zugestehen ist grad nah an der Quadratur des Kreises.

Welche sollten das sein? Es müssten nicht-Nato Länder sein.

Das kann sein und angesichts des aktuellen Kriegverlaufs ist das auch nicht unwahrscheinlich, aber zumindest die annektierte Krim bestätigt dieses Szenario nicht in der von Dir geschilderten Härte (und ja, ich kenne die Berichte zur Repression von Krimtartaren).

Die These würde ich nicht ohne zu zögern unterschreiben, aber ich denke ich weiß wie es gemeint ist.
Mir fällt eben nur auf, dass Alternativen sehr schnell als nicht realisierbar, unrealistisch, etc. abgetan werden und ich gebe auch zu, dass auch ich keinen zu Ende durchdachten Plan präsentieren kann. Trotzdem ist mir nicht klar, woher die Sicherheit genommen wird, dass die Lieferung weiterer schwerer Waffen das Problem lösen soll?

Dem stimme ich voll zu. Und es ist eben ein schmaler Grat zwischen Unterstützung und Eskalation…

Zum Beispiel die Republik Moldau, so wie es die russische Kriegspropaganda seit Jahren vorbereitet und wie es dort als reales Bedrohungsszenario empfunden wird.

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Ehrlich gesagt sind das doch leere Drohungen von Putin. Das letzte, woran er Interesse hat, ist, jetzt noch einen Krieg mit der NATO zu haben. Wir sollten uns davon nicht kirre machen lassen. An unserer Vorsicht hat nur einer Interesse: Putin selbst. In unserem Interesse ist eine starke Ukraine!

Edit: redaktionell

Man mag gar nicht glauben, wo plötzlich überall russischsprachige Menschen von Unterdrückung befreit werden müssen…ob NATO oder nicht ist ab einem gewissen Punkt egal, wenn man sich überlegen fühlt - ob rational oder nicht.

Allein in der Stadt Mariupol, die vom Krieg wohl mit Abstand am Härtesten getroffen wurde, geht man von 10.000+ toten Zivilisten aus. Auch wenn die Zahlen erst nach Ende der Kampfhandlungen verlässlich sein werden, ist jetzt schon absehbar, dass es sehr, sehr viele Opfer sein werden.

Für einen Angreifer, der nicht in allen Belangen überlegen ist (wie wir das in der jüngeren Vergangenheit in den von den USA geführten Kriegen gesehen haben), ist der Kampf gegen gut verschanzte Verteidiger eine verlustreiche Angelegenheit. Allein die durch öffentlich gemachte Photos und Videos dokumentierten Verluste der russischen Streitkräfte belaufen sich inzwischen auf über 3000 Fahr- und Flugzeuge.

Wenn der Krieg in dieser Intensität weitergeht und die ukrainische Seite weiterhin vom Westen mit Waffen unterstützt wird, dann werden die Russen irgendwann ihren Angriffskrieg einstellen und selbst zur Verteidigung übergehen müssen. Schlicht weil ihnen das Kriegsgerät und das Personal ausgeht. Ohne eine Kriegswirtschaft wie im Zweiten Weltkrieg im Rücken kann man nicht jeden Tag zig Panzer, Truppentransporter, Lastwagen, etc. verlieren. Gleiches gilt für das Personal.

Schon jetzt haben die Ukrainer laut US-Quellen mehr funktionstüchtige Panzer als die Russen in der Ukraine. Wenn sie noch bei der Artillerie nachziehen und die russische Luftwaffe ausreichend schwächen, dann wäre es mit einem Mal die russische Seite, die - zumindest auf dem Papier - unterlegen ist.

Daher: es geht gar nicht mehr darum, die russische Regierung von irgendwas zu überzeugen. Wenn ihnen demnächst kein militärischer Durchbruch gelingt und die Ukrainer kampfwillig bleiben, dann ist es möglich, sie in einem konventionellen Krieg in die Knie zu zwingen. (Damit ist natürlich nicht gemeint, dass die ukrainische Armee dann bald vor Moskau steht. Aber auf ukrainischem Staatsgebiet werden die Russen dann größe Mühe haben, ihre jetzigen Positionen halten zu können.)

Gerade aktuell: Die Niederlande liefern 12 ihrer 24 Panzerhaubitze 2000 an die Ukraine. Deutschland hat über 100 dieser Systeme. Davon können wir aber leider, leider keine abgeben. Ist nicht mehr zu verstehen …

Wäre noch die Frage einerseits, wie viele dieser 100 Panzerhaubitzen 2000 sind aktuell einsatzfähig?
Zudem stellt sich mir die Frage, wenn wir jetzt alles großzügig abgeben, was die Bundeswehr an aktuell funktionsfähigem Großgerät hat, wie wichtig ist uns eine einsatzbereite Bundeswehr? 100 Milliarden Euro schiessen nicht, fahren nicht und fliegen nicht. Bis ein Schützenpanzer Puma von der Industrie (samt damit verbundener Bürokratie) einsatzbereit geliefert wird, da reden wir nicht von Wochen oder Monaten, eher von Jahren. Und das ist noch ein vergleichsweise kleines Gerät.
Im Moment hat die Bundeswehr schon gewisse Schwierigkeiten, die NATO-Abstellungen zu gewährleisten, da wird schon teils in der ganzen Truppe zusammengesucht.
Ich finde die Vorstellung, wir geben alles schnell und breitwillig ab, weil wir das alles nicht brauchen, etwas kurz gedacht…

Die offiziellen Berichte des Verteidigungsministeriums kann man hier:

runter laden und speziell den aktuellsten Bericht mit dem „Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft“ bekommt man hier:

Man darf da aber keine exakten Zahlen erwarten, wie es scheint. Die einzige konkrete Angabe zur materiellen Bereitschaft habe ich bei Punkt 32 gefunden („Systeme in der Reife- bis Sättigungsphase“), zu denen auch die Panzerhaubitze 2000 gehört:

Die Hauptwaffensysteme aus diesem Cluster weisen eine stabile Entwicklung der materiellen Einsatzbereitschaft auf und liegen derzeit mit durchschnittlich 76% bei einem verlässlich hohen Wert.

Leider gehören zu dieser Gruppe auch noch haufenweise andere Systeme:

32 Systeme in der Reife- bis Sättigungsphase:
KPz LEOPARD 2, GTK BOXER, TPz FUCHS, FENNEK,
PzH 2000, MARS, KEILER, DACHS, EUROFIGHTER,
HERON TP, PATRIOT, leFlaSys, A320 Familie,
A340/A350 Familie, GLOBAL 5000/6000, Fregatten,
EGV, ENOK/WOLF SSA, EAGLE IV/V, DINGO,
DURO/YAK, MULTI FSA 15t, TEP 90, MSE Rettungs-
station, San-Kfz EAGLE IV BAT, San-Kfz FUCHS,
San-Kfz BOXER, SATCOM-Bodenstation, Verlegefähige
Netze, TPz FUCHS CIR, EAGLE CIR, DINGO CIR.

Wirklich aussagekräftig für die PzH 2000 als Einzelsystem, ist die Zahl also nicht.

Wozu hat die Bundeswehr denn 100 schwere Artilleriegeschützte? Um uns vor einem Großangriff durch Bodentruppen zu schützen, nehme ich an. Wer kommt als dabei als Angreifer in Frage? Einzig und allein Russland. Solange die russische Armee in der Ukraine beschäftigt ist, wird sie jedoch sicher nicht Deutschland oder die NATO mit Bodentruppen angreifen.

Warum also nicht, wie die Niederländer, ein paar dieser sehr leistungsfähigen Geschütze abgeben und sie somit genau dem Verwendungszweck zuführen, für den sie einst maßgeblich entwickelt wurden?

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Läuft dann wieder auf den Punkt hinaus, dass wir im Moment die Bundeswehr nicht brauchen, da uns ja keinerlei Gefahr droht.
Und die NATO Verpflichtungen sind dann wohl auch nicht so wichtig.
Eine Meinung in Deutschland scheint somit zu sein, im Grunde brauchen wir keine Armee, da wir uns ja ohnehin nie aktiv involvieren wollen, sondern lieber „nur“ Geld und Waffen liefern, also passiv bleiben. Ist das so?