Supersize my Bundestag

Hallo liebes Lage-Team.

Ich bin ein regelmäßiger Konsument eures Podcast. Auch wenn ich eure Einschätzung nicht immer voll teile, finde ich die detailreiche Aufarbeitung und die fundierte rechtliche Sicht verschiedener Themen sehr gut aufgearbeitet. Das gibt einem immer mal wieder was zu denken mit auf den Weg😄.

Da das Thema Wahlrechtsreförmchen hier zwar schon behandelt wurde, es aber bald aktive Anwendung finden wird, würde es mich interessieren wie die Wähler ihre 1. Und 2. Stimme verteilen müssten um den Bundestag mit der maximalen Anzahl an Mandatsträger*innen auszustatten. Möglichst so dass es keine Sitzplätze mehr gibt.
Ein Gedankenexperiment was wäre wenn😄.

Viele Grüße
Alexander

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Ist doch ganz einfach: eine Partei gewinnt mit den Erststimmen alle Wahlkreise, bekommt aber nur z. B. 20% der Zweitstimmen. Der Bundestag wird dann solange aufgestockt, bis die ca. 600 direkt gewählten Abgeordneten nur noch 20% des Parlaments ausmachen.

Fazit: gibt es eine Partei, die zwar dominant ist (=viele Wahlkreise gewinnt), aber dennoch nur einen kleinen Teil der Zweitstimmen erhält, führt die Dualität aus Direktwahl und Verhältniswahlrecht zu einem extrem aufgeblähten Parlament.

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Demzufolge kann es also einen unendlich großen Bundestag geben, wenn eine Partei, die überhaupt keine Zweitstimmen bekommt, mindestens vier Direktmandate erringt. Oder ist da die 5%-Hürde davor?

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Diese Ausgleichsmandate, welche den anderen Parteien gewährt werden, dienen ja dazu, die Zusammensetzung des Bundestags trotz errungener Überhangmandate den Mehrheitsverhältnissen der 2. Stimmen anzupassen. An den Mehrheitsverhältnissen ändert das demnach so gut wie nichts, egal wem ich die 1. Stimme gebe.
Sollte einem also egal sein, welcher Direktkandidat in den Bundestag kommt (ich unterstelle einmal dass dies bei den meisten Wählern der Fall ist) könnte man die 1. Stimme so verteilen, dass eine Partei, welche wahrscheinlich gerade so die 5% Hürde schafft. (Aktuell wären das wohl die Linken) möglichst viele Direktkandidaten holt. Dies würde den Bundestag demnach massiv aufblähen.

Um mal bei der Realität zu bleiben. Wenn eine Partei, welche traditionell viele Direktmandate holt (die CDU/CSU dürfte hier ein gutes Beispiel sein) eine geringe 2. Stimmenquote hat. (wonach es nach Umfrage ja aktuell aussieht) könnte dies auch schon zu einem massiven aufblähen des Bundestags führen oder? Wie man es dreht und wendet, der nächste Bundestag wir wohl größer als der jetzige. Ob wir China bei der Größe des Parlaments noch übertrumpfen können? Dann wären wir hierbei immerhin Weltmeister😄

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Dazu müsste man wohl genauer in den Gesetzestext schauen. Klar ist, dass der Bundestag im Fall von anormalen Wahlergebnissen sehr, sehr groß werden kann.

Nein, für eine Partei die drei Direktmandate erringt gilt die 5%-Hürde nicht, siehe CSU.

Ui, witzig. Wir haben zwar nur 299 Wahlkreise, aber mit Rechnung (299/0,2) würden wir bei 1500 Abgeordneten raus kommen :rofl:

Es gibt nur 299 Wahlkreise, also maximal 299 direkt gewählte Abgeordnete (die andere Hälfte der gesetzlichen 598 Sitze wird über die Landeslisten bestückt). In dem Beispiel hätte der Bundestag dann also 1495 Sitze. Wobei von denen vermutlich dann einige leer bleiben würden, da wahrscheinlich nicht alle Parteien Landeslisten haben die lang genug sind.

Die Sitze werden proportional nach Zweitstimmenergebnis zugeteilt; wer also keine Zweitstimmen erhält, bekommt auch keine Sitze. Diese Partei hätte dann also nur die vier direkt gewählten Abgeordneten.

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Wenn die CSU alle Direktwahlkreise in Bayern gewinnen sollte und CDU/CSU insgesamt bei unter 20% landen, könnte der Bundestag locker vierstellig werden. Ist echt erschreckend, dass man obwohl man Jahre (!) Zeit hatte nur so einen Minimalkompromiss beschlossen hat.

Spannend fände ich auch die Idee, dass die Wahlbeteiligung mit einfließt. D.h. der Bundestag ist nur dann „vollständig“ besetzt, wenn auch 100% Wahlbeteiligung vorhanden ist. Bei geringerer Wahlbeteiligung entsprechend weniger. (evtl. nicht linear, aber das Prinzip sollte klar sein)
Demokratie lebt vom Mitmachen - und wenn selbst die Wähler immer weniger mitmachen, halte ich das für bedenklich.
Da einen gewissen Anreiz zu schaffen halte ich für eine gute Idee.

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Genau, allerdings gibt es in Deutschland nur 299 Direktmandate. Der gesuchte Extremfall wäre also: eine beliebige Partei erhält genau 5,00 % der Zweitstimmen, gewinnt aber alle Direktmandate bundesweit. Dann müsste der Bundestag mit - einmal tief Luft holen - insges. 5681 Abgeordneten der anderen Parteien aufgefüllt werden, damit die 299 direkt gewählten Kandidaten genau 5% der Mitglieder des Bundestags entsprechen. Die Gesamtzahl: 5980 Menschen. Rechnet jemand zum Spaß noch die Kosten aus? Am besten inklusive der neuen Räumlichkeiten

Ja, eben: Und da diese Partei schon vier Abgeordnete hätte, müsste jede andere Partei, die mindestens eine Zweitstimme bekommen hat, mindestens 4:0*1 Sitze bekommen. Und das sind halt unendlich viele. Mit anderen Worten: Der Proportionalitätsfaktor ist 4:0

Ja, wenn die Union (und teilweise SPD) Vorteile sieht, nimmt sie es mit politischer Sauberkeit nicht so genau, solange die Minderheit kein Mittel dagegen findet. Deprimierend diese Unkultur!

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Das ist halt das grundsätzliche Problem. Da muss man nicht erst Luhmann und die Systemtheorie bemühen, um zu verstehen, warum die Parteien, die hier profitieren, ihr eigenes System unter keinen Umständen zerstören werden. Warum sollten sie auch?

Das ist eines der großen Paradoxe in der Demokratie - eine Regel, von der die Mehrheit profitiert und welche der Minderheit schadet und welche dazu dient, die Macht der Mehrheit zu erhalten, kann auf demokratischem Wege nur sehr schwer geändert werden. Denn die Wahlgerechtigkeit hat für den Wähler kaum eine Priorität - und der Wähler von CDU und SPD will möglicherweise ja auch, dass dieser „Vorteil“ des eigenen Lagers erhalten bleibt. Kurzum: Keiner wird CDU oder SPD nicht wählen, weil sie diese unfaire Regelung der Überhangsmandate nicht bekämpft.

Und genau deshalb brauchten wir in dieser Angelegenheit das BVerfG, welches der Politik klar gemacht hat, dass Überhangmandate ausgeglichen werden müssen. Ich hoffe, dass es in der Hauptsachenentscheidung zur Wahlrechtsreform auch Klartext sprechen und die Regelung, dass die ersten drei Überhangmandate nicht ausgeglichen werden müssen, kippen wird. Denn das ist genau so eine Regelung, die nur der CDU (und selten der SPD), aber niemals einer kleinen Partei helfen kann. Ein antidemokratischer Fehler im System, nicht mehr, nicht weniger.

Das zentrale Problem ist und bleibt die CSU. Die Überhangmandate der CDU können teilweise ja noch zwischen den Landeslisten ausgeglichen werden, aber da die CSU leider als eigene Partei akzeptiert wird, scheitert das gesamte System hier.

Ich fordere schon länger, dass diese Sonderrolle der CSU abgeschafft gehört. Die CSU sollte bei Wahlen wie ein Landesverband der CDU behandelt werden und damit Basta! Sie sollte generell wie ein autonomerer Landesverband der CDU behandelt werden, in allen Angelegenheiten.

Man stelle sich vor, so etwas wie die CSU gäbe es auch in anderen Bundesländern oder anderen Parteien. Unser ganzes Wahlsystem gerät schon durch diese eine Partei an seine Grenzen, eine weitere solche Konstellation würde bedeuten, dass der Bundestag standardmäßig über 1000 Abgeordnete verfügen würde.

Es war von Anfang an ein Fehler, diese Sonderkonstellation von CDU/CSU überhaupt zugelassen wurde… Entweder, ihr seid EINE Partei, oder ihr seid ZWEI Parteien, dann aber gefälligst auch mit allen Nachteilen. Dieses Cherrypicking nach dem Motto „Wir sind immer das, was uns gerade am meisten Vorteile einbringt“ ist einfach ein Fehler im System.

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Nein, diese Partei würde schlicht nicht miteinbezogen. Die von ihr errungenen vier Direktmandate würden schon am Anfang vor der Verteilung gemäß Zweitstimmen an die übrigen Parteien abgezogen (also nur 594 statt 598 Sitze verteilt), und bei möglichen Ausgleichsmandaten ginge sie leer aus, da hiermit ja die Größenverhältnisse des Zweitstimmenergebnisses wiederhergestellt werden sollen.

Ginge es nicht nich extremer? Das ist doch an sich das CSU-Problem (nur real nicht ganz so krass). Die Partei erreicht sehr viele Direktmandate, aber kommt nicht über 5%. Da sie aber mehr als drei Direktmandate hat wird für die Sitzverteilung nun der wirklich erreichte Zweitstimmenanteil verwendet.

Im Extremfall wären das 0 Zweitstimmen. Das ergäbe dann wohl einen unendlich großen Bundestag, weil alle anderen ja quasi unendlich Sitze mehr benötigen, um das auszugleichen. Wohl noch mehr Phantasie, als das erste Beispiel, aber es soll auch nur zeigen, dass man sich da etwas gebastelt hat, was im Extremfall wirklich nicht mehr abgebildet werden kann, weil es zu wenige Menschen gibt, die ins Parlament einziehen könnten.

Zumindest interpretiere ich Paragraph 6 Absatz 3 des Bundeswahlgesetzes so. § 6 BWahlG - Einzelnorm. Das sorgt ja auch für das krasse Problem mit der CSU. Je weniger Zweitstimmen sie bekommen, desto größer der Bundestag. So bitter er ist, aber man muss da ja fast hoffen, dass sie deutlich über 30-35% landen, damit der Bundestag kleiner wird. Bei den Erststimmen ist es ja eher unrealistisch, dass es da zu einem deutlichen Einbruch kommt.

Das die CSU sich nur durch ihre Sonderrolle als Landespartei welche gleichzeitig eine Bundespartei ist in Bayern überhaupt so dominant an der Macht halten kann ist ein offenes Geheimnis. Wenn ich in Bayern leben würde würde ich auch die CSU wählen. Egal welchem politischen Lager man angehört. Eine Landespartei welche die Interessen des Landes auch als Bundespartei (und oft auch als Teil der Bundesregierung) vertreten und durchsetzen kann. Was gibts besseres.

Bezüglich der Überhangmandate und ausgleichsmandate gebe ich dir recht. Solange die Parteien welche es ändern könnten, am meisten davon profitieren, wird sich hier nur schwerlich was ändern.
Daher auch meine Idee, dass alle denen der Direktkandidat egal ist, einfach den Kandidaten der Linkspartei ( als wahrscheinlich schwächste Partei) zu wählen um den Bundestag maximal aufzublähen. Denn erst wenn es im Bundestag so richtig schön übervoll und ungemütlich wird, wir sich hier etwas ändern.
Mann müsste nur einen viralen Aufruf in den Sozialen Netzwerken starten und schauen was passiert😄

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Schöne Matheaufgabe, aber realistischer als der Fall, dass eine Partei über 200.000 Ersttimmen, aber keine einzige Zweitstimme bekommt dürfte wohl der Fall sein, dass sämtliche Erst- und Zweitstimmen an eine Partei gehen :wink:

Falls eine Partei aber mindestens 3 Direktmandate erhält, gilt für sie die 5% Hürde nicht mehr. Somit müsste ihr Zweitstimmen-Anteil trotzdem proportional mitwachsen. Damit explodiert die Größe schon sehr stark (wenn auch nicht unendlich). :smile:

Ich will nicht, dass noch mehr Autobahnspuren und Startbahnen in Bayern mit Bundesmitteln gebaut werden. Deshalb wähle ich die CSU NICHT! Meine Interessen sind so sehr nicht das was die CSU vorhat. Deine Aussage ist kurzsichtig, lokalegoistisch und auf lange Sicht bringt sie schlechte Ergebnisse für Alle.

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