Eine verbindliche Auskunft ist tatsächlich gebührenpflichtig
Tatsächlich ist es so wie @Hardtware andeutet: Auch Dir sollte Dein Finanzbeamter hilfreich zur Seite stehen, wenn Du Fragen hast. Nur wird es im Interview mit dem Steuerberater ja angedeutet: der durchschnittliche Arbeitnehmer hat wenig bis keinen Gestaltungsspielraum.
Ich finde es immer falsch, Leuten vorzuwerfen, die vom Gesetzgeber gegebenen Gestaltungsräume auszunutzen. Es ist löblich, dass Reiche wie Herr Christ auf die Möglichkeiten verzichten, weil sie gerne ihren Beitrag leisten.
Eigentlich ist es aber Aufgabe des Gesetzgebers die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass sich die Frage für Herrn Christ gar nicht stellt, da jeder nach seiner Leistungsfähigkeit geschröpft wird und keiner bevorzugt.
In dem Fall muss man aber natürlich unterscheiden: es ist nicht verwerflich, legale Steuertricks zu nutzen, verwerflich ist aber, auf die Politik Einfluss zu nehmen, dass diese legalen Steuertricks erst geschaffen werden oder diese gar bewusst als Angestellte in Gesetze zu schreiben, um sie danach in Vortragsreihen zu Geld zu machen.
Nachtrag: eine Szene möchte ich noch herausstellen.
Wenn der Capri-Sonne-Chef sagt, dass man nur reich werde durch harte Arbeit, er habe immer hart gearbeitet und eine Armlänge von ihm die Privatstewardess gerade einen Sitz des Privatjets mit einem Laken neu bezieht. Dann sei der Gedanke erlaubt, wie hart die wohl arbeiten muss, um auch mal reich zu sein.
Ich nehme an, dass hier verschiedene Definitionen von harter Arbeit im Raum stehen.
Also hast du deinen zuständigen Finanzbeamten nicht in ein Luxushotel zu einem opulenten Essen eingeladen und ihm eine vermutlich vierstellige Gage für die Beantwortung deiner Fragen gezahlt?
Nop, das wäre wider der Conpliance. Aber in der ZDF-Reportage wurde nichts entsprechendes erwähnt. Du spekulierst also, dass dies so ist.
Nochmal: Das Verhalten der Ministerialrätin ist mindestens moralisch höchst fragwürdig. Ich wundere mich auch, dass dies in der Art und Weise legal sein kann. Warten wir ab, was die Reportage und die Anfrage bei Frag den Staat bringt.
Ich denke, dass dies nicht mit ihren Aufgaben im Ministerium in Einklang sehen kann und hoffe, dass es Konsequenzen hat.
Ich bleibe aber dabei: Das Menschen versuchen auf legalem Weg ihre Steuern zu senken, ist absolut legitim. Gesetzeslücken und internationale Schlupflöcher muss die Politik schließen. Nichts anderes als Mindest-Unternehemenssteuer.
Aber mir sind auch drei Sätze aus der Reportage besonders im Gedächnis geblieben. Kann jeder für sich mal so stehen bleiben:
Die Deutschen sind kein Land der Eigenverantwortung
Es gibt viele wie Harald Christ, aber auch Andere.
Also bitte bleibt doch fair. Ich bin mir sicher wenn diese Finanzbeamten gegen Entgelt den einfachen Angestellten beraten würden wie man die Pendlerpauschale vorteilhaft absetzt oder Rentner Werner, der seine Rente mit der Vermietung einer Eigentumswohnung aufbessert, über optimierte Abschreibungsmodelle informiert, hättet ihr damit keinerlei Probleme.
Für mich ist das Beraten über die Tücken des deutschen Steuerrechts - sofern innerhalb des legalen Rahmens - völlig unproblematisch. Denn es wird ja nichts hinterzogen, sondern völlig rechtskonform gezahlt. Die Lösung wäre eine Überarbeitung und Bereinigung des überkomplexen deutschen Steuerrechts. Da wären wahrscheinlich sogar alle Gruppen dafür. Aber komischerweise reden wir Deutschen lieber über Sonderlocken für Edge Cases statt die Schaffung transparenter Verfahren.
Und nur zur Erinnerung. Hohe Einkommen (vor allem die im Angestellten Dienstverhältnis) tragen natürlich überproportional hohe Einkommenssteuerlasten, während 50% zum Gesamteinkommenssteueraufkommen quasi gar nicht beiträgt. Natürlich würde ich daher freuen wenn Superreiche stärker bei der Steuer herangezogen würden, so dass die Dezile 6 bis 10. entlastet würden, nur fehlt mir die Zuversicht. Stattdessen wird man dieses Geld dann doch lieber in Wahlgeschenke für Rentner (CDU), Bürgergeldempfänger (SPD) oder Grüne (Immobilienbesitzer und die Energiewirtschaft) stecken, statt den Mittelstand zu stärken.
Du hast die Doku offensichtlich nicht gesehen und bist direkt auf das Framing reingefallen.
Nimmt man statt Steuern die Abgaben sieht es ganz anders aus, dann landen mittlere Einkommen bei 48%. Auch wird berichtet, dass seit 1996 der Spitzensteuersatz nur einen Weg kennt: nach unten. Dazu kommen immer niedrigere Unternehmenssteuern.
Außerdem habe ich ja weiter oben schon geschrieben und auch im Vermögenssteuerthread: dass Einkommen aus Arbeit stark besteuert werden, darf nicht darüber hinweg täuschen, dass das für andere Einkommen nicht gilt.
Dabei müsste es genau umgekehrt sein: je leistungsloser, desto höher besteuern.
Das Einkommen aus Arbeit hat eine natürliche Grenze: mehr als 24 Stunden hat der Tag nicht. Leistungsloses Einkommen wächst aber immer weiter und potenziert sich. Vermögen wird damit immer mehr und die Ungleichheit wächst immer weiter.
Ein Steuersystem, das nicht nur so komplex ist, dass es ohne teure Berater gar nicht vollständig durchdrungen werden kann, sondern auch noch Mitarbeiter im Finanzministerium hat, die gezielt Lücken für Reiche in die Gesetze schreiben, verschärft die Situation. Und wenn die Reichen keine Steuern zahlen, ist klar, dass es die trifft, die deren Möglichkeiten nicht haben: dich als Angestellten.
Und neu ist das auch nicht: bei cum-ex kam genau das gleiche raus, nämlich, dass im Zusammenspiel mit Banken genau diese Lücken Eingang ins Gesetz fanden und als dass Gesetz neu gefasst wurde, neue Lücken geschaffen wurden, die die gleichen Möglichkeiten auf neuen Wegen schafften. Konsequenzen gab es bisher keine. Dass nun Leute vor Gericht stehen, wurde nur durch einen Kniff möglich: indem das Finanzamt argumentiert, dass selbst legale Steuertricks illegal werden, wenn sie nur aufgrund der Steuergestaltung getätigt werden.
Nein. Gegen Entgelt ganz sicher nicht. Als Beamter darfst du nichts, aber auch wirklich gar nichts annehmen, auch keinen Werbekugelschreiber. Ich hab als Beamtin noch nicht mal eine kleine Topfblume angenommen. Trotzdem stehst du den Bürger:innen natürlich mit Rat und Tat zur Seite.
Aber wir sprechen hier nicht von normalen Ratschlägen im Rahmen einer Informationspflicht, sondern von Steuervermeidung im großen Stil.
Dazu zu beraten ist Aufgabe von Steuerberatern und nicht von Finanzbeamten in hohen Positionen, die an der Vorbereitung von Gesetzen beteiligt sind. Wenn sie diese Gesetze selbst mitschreibt und dann Tipps zur Umgehung gibt, kannte sie die Schlupflöcher und hätte an einer Änderung des Gesetzestextes zur Schließung des Schlupfloches beitragen können. Daran hat sie aber kein Interesse, da sie Geld mit Vorträgen bei der entsprechenden Klientel verdient.
Es gehört schon viel Naivität dazu, den Haken bei der Sache nicht zu sehen. Man macht den Bock zum Gärtner.
Soweit ich weiß, bestand CumEx in der Erstattung NICHT gezahlter Steuern.
Das war noch nicht mal legal oder doch?
Zitat aus em Artikel von ZDF:
„Aber die Beamtin beruhigt: Sie sagt, sie habe „ihre Werkzeugkästen“. Die Mandanten der Berater, also die Superreichen, könnten ruhig schlafen. Am Ende kündigt sie noch einen besonderen Service für die zahlenden Gäste an: Sie hat nicht nur diese Neuregelung, sondern alle Entscheidungen der Finanzverwaltung, die die Berater der Superreichen interessieren könnten, schriftlich zusammengefasst.“
Und das ist genau das, was mich stört. Die Beamtin macht sich eins mit ihrem Klientel, sie klüngelt. Sie denkt glaube ich auch, sie wäre gleiche unter gleichen. Dabei ist sie ARM. Und welche Werkzeugkästen? Wem dient sie, uns allen, dem Staat. Oder den wenigen Superreichen. Was ist hier die Grundeinstellung?
Das ist nicht einfach nur ein neutraler Vortrag. Sie schadet damit dir, mir, uns allen!
Das ist schlicht kriminell und korrupt. Bin ja mal gespannt was passiert. Mindestens Entlassung aus dem Dienst. Man könnte wegen Staatsschädigendem Verhalten auch die Pension kürzen. Sollen sich ihre Kunden doch um die kümmern.
Das ist das Problem. Es war legal, deshalb musste das Gesetz von 2002 in 2007 noch mal nachgebessert werden.
In 2007 wurde dann eine neue Lücke hineingeschrieben, die die Steuerumgehung möglich machte, wenn einer der Beteiligten im Ausland saß. Hier ist allerdings umstritten, ob diese Transaktionen eventuell tatsächlich illegal sind.
Hier kam es mal raus, wie oft bleiben solche Lücken aber bestehen, weil sie nicht so ekzessiv genutzt werden und auch von niemand durchblickt werden.
War es das wirklich? Ich dachte es gab Urteile, dass diese Praktik auch vor der Gesetzesänderung illegal war, weil auch ohne ein explizites Verbot klar ist, dass man sich nichts Rückerstatten lassen kann was man nie ausgelegt hat.
Oder verwechsle ich da was?
In dem ganz oben verlinkten Artikel steht, die Dame habe „nicht in dienstlicher Eigenschaft“ gesprochen. Und die Möglichkeit, dass sie das pro bono auf eigene Kosten aus reinem Spaß an der Freude getan hat, würde ich einfach mal als abwegig ansehen.
Äh, doch!
Nochmal: Wenn ein Angestellter im öffentlichen Dienst jetzt in der Weihnachtszeit von irgendwem als Dank für gute Zusammenarbeit oder hilfreiche Dienstleistung im abgelaufenen Jahr eine Flasche Wein annimmt, oder einen 10-Euro-Schein, oder eine Packung Pralinen mit einem Einkaufspreis über 1,80 Euro oder so, kann er dafür abgemahnt oder sogar entlassen werden. Aber wenn er stattdessen einfach ein Vielfaches davon bekommt, und dafür die Person zusätzlich am Wochenende zu Hause besucht und einen Vortrag darüber hält, wie sie im kommenden Jahr z.B. günstiger an lukrative Ausschreibungen kommt, soll das auf einmal legal sein? You’re kdding me.
Die bestehende "über"komplexe Steuergesetzgebung ist ja nicht vom Himmel gefallen. Ganz offensichtlich war da mal (und nicht nur einmal) irgendjemand im Gegenteil für diese Komplexität, und gegen Bereinigung.
Auf welcher rechtlichen Grundlage beurteilst du die Legalität dieses Vortrags eigentlich? Auch Beamte dürfen Nebentätigkeiten ausüben, freilich nur nach Genehmigung, aber dass eine Ministerialrätin dafür schlau genug ist, unterstelle ich einfach mal. Vielleicht ist sie nebenberuflich als Speakerin auf solchen Veranstaltungen unterwegs. Solange sie nicht mehr als 40% ihres Gehaltes dafür bekommt, ist das zulässig.
ist nicht auch eine zeitliche Komponente neben ihrem vollzeitjob eine Regelung, die eingehalten werden muss?
Ansonsten kann ich nur darauf verweisen, dass Beamtinnen und beamte wirklich nichts annehmen dürfen und erst recht darf der Nebenjob keine Interessenskonflikte nach sich ziehen.
Als nicht dienstlich getarnter Auftritt tricks zum steuern sparen für superreiche zu geben, kann legal sein, aber ein Interessenskonflikte ist es alle mal. Wenn, dann müsste sie es für alle Bevölkerungsschichten machen und selbst das wäre vermutlich ein Interessenskonflikt.
Ich beurteile ihn danach, dass sie „nicht in Eigenschaft als Finanzbeamtin“ auftritt und dann Interna ausplaudert („habe das selbst erst am Dienstag erfahren“).
Dazu kommt, dass sie in dem Vortrag offen zugibt, auf die Gesetzgebung derart Einfluss zu nehmen, dass Superreiche „gut schlafen“ können.
Aber ganz allgemein: @otzenpunk spricht es ja an: auf der einen Seite darf ein Müllmann keine Weihnachtsgeschenke in bar annehmen, auf der anderen Seite halten hochrangige Beamte und Bundestagsabgeordnete Vorträge und streichen dafür bis zu vierstellige Honorare ein.
Offensichtlich herrscht da eine Mitnahmementalität, die nur damit zu erklären ist, dass die, die davon profitieren, bewusst fragwürdige Konstellationen in Kauf nehmen, weil sie auf persönliche Vorteile nicht verzichten wollen.