Steuergeld? Geld der Steuerzahler:innen?

Ihr redet in der Lage oft von Steuergeld, Geld der Steuerzahler:innen oder aus Steuermitteln, wenn es um Staatsausgaben geht. Das ist durch das politische Spektrum hindurch so üblich und unhinterfragt, aber ich glaube, dass damit bei genauerer Betrachtung eine problematische Weltsicht transportiert wird.

Erstens, das ist der theoretischere Aspekt, finanziert sich der Staat nicht nur aus Steuern, sondern auch durch Schulden. In Deutschland ist das quantitativ nicht so relevant (wegen Schuldenbremse, Währungsunion etc.), aber in den USA werden die meisten Großprojekte (Stimulus, Steuersenkungen, Militärausgaben, …) nicht durch das vielbeschworene taxpayer’s money finanziert, sondern durch von der Fed neu geschaffene US-Dollar.

Zweitens, und das finde ich noch wichtiger, zahlen nicht alle Bürger:innen Steuern (mal abgesehen von der Mehrwertsteuer). Das gilt für Arbeitslose, Studierende, Rentner:innen (die meisten zumindest) und alle, die nicht über den Einkommenssteuerfreibetrag hinauskommen. Das Reden vom Geld der Steuerzahler:innen suggeriert aber, dass bestimmte Ausgaben deshalb heikel sind, weil der Staat das Geld anderer Menschen ausgibt. Der Schritt ist dann nicht mehr weit, den Leuten mit viel Steuerzahlungen mehr Mitspracherecht einzugestehen. Ich finde, man sollte staatliches Geld nicht als etwas betrachten, das der Staat den Bürger:innen aus der Tasche gezogen hat und daher ihnen gegenüber besonders rechenschaftspflichtig ist. Stattdessen sollte man staatliches Geld als das Geld der Allgemeinheit begreifen, für das die staatlichen Akteure allen Bürger:innen gegenüber gemäß ihrer staatlichen Repräsentation (und vielleicht auch weitergehend, z.B. Kinder) rechenschaftspflichtig sind - unabhängig davon, ob und wie viel Steuern dafür „in Vorleistung“ gezahlt wurden.

Ich gebe gerne zu, dass das zu einem gewissen Grad Haarspalterei ist. Aber mir ist aufgefallen, dass diese Wortwahl ganz bestimmte politische Ideen transportieren kann und daher wollte ich euch zumindest mal anregen, darüber nachzudenken, in Zukunft z.B. von Staatsgeldern oder Geldern der Allgemeinheit zu reden :slight_smile:

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Die Umsatzsteuer macht 30,5% der Steuereinnahmen aus! Also ja, wir alle zahlen Steuern (wenn wir nicht grad absolute Selbstversorger sind). Interessant wäre vielleicht zu wissen, wie viel davon Umsatzsteuer auf „Luxusgüter“ ist und wie viel auf Waren des täglichen Bedarfs entfällt.

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Soweit sich staatliche Ausgaben nicht durch dadurch erreichte Überschüsse voll-finanzieren (was wohl eher die Ausnahme sein dürfte) müssen Schulden irgendwann zurückgezahlt werden — vom Steuerzahler.

Letztlich geht es um den m.E. gerechtfertigten Anspruch aller Bürger, dass die Politik mit den ihr anvertrauten Geldern verantwortlich und im Sinne der Bürger umgeht.

Finde den Vorschlag gut… Schwieriges und komplexes Thema - also vielleicht genau richtig für die Lage um da mal so richtig tief einzusteigen! :slight_smile:

Wir müssten uns sowieso mal die Frage stellen wie viel uns Dinge wert sind die nicht in diesen Zahlen auftauchen wie beipielsweise die Kinderbetreuung und andere unbezahlte Arbeit in der eigenen Familie, als auch gemeinnützige Arbeit und und und… Insbesondere da wir wissen, dass solche Arbeiten gesellschaftlich in mehrerer Hinsicht ungleich verteilt sind.

Ich meine mich dunkel daran zu erinnern dass das BIP (GDP) ein Relikt der amerikanischen Kriegswirtschaft ist weil man einfach wissen musste wie
hoch die Produktionskapazitäten waren. Dass man es danach dabei belassen hat weil es eine schöne einfache Zahl ist, ist verständlich, aber mit etwas Aufwand könnten wir das heute sicherlich besser…

Prinzipiell finde ich es richtig, dass man das Geld, sobald die Steuer mal bezahlt ist, nicht mehr als Geld des Steuerzahlys betrachtet (so ähnlich wie man das Geld, das das Fliesenlegy eingenommen hat, nicht mehr als Geld des Häuslebauys bezeichnen sollte).
Ich finde aber auch, dass Steuereinnahmen zweckgebunden sein sollten (Ich bezahle ja das Fliesenlegy auch nicht dafür, dass es meiner Nachbarin einen Laib Brot bringt). Wenn ich Abfallgebühren zahle, sollen die nicht zum Bau eines Hallenbades verwendet werden. Und wenn Straßen gebaut werden, dann sollen bitte die Nutzer der Straßen mittelbar dafür zahlen und nicht die Hundesteuerzahlys. Freilich ist das nicht in allen Fällen ganz einfach auszumachen. Oft wird man eher den potentiellen Nutzer zur Kasse bitten (den Autobesitzys für die Straße), und häufig wird man auch einen sehr indirekten Nutzen in Rechnung stellen müssen (von der Bildung unserer Kinder profitieren wir alle mehr oder weniger, also sollen alle mehr oder weniger dafür zahlen). Oft ist es auch schwer, die richtige Quelle anzuzapfen. Wie identifiziert und selektiert man die potentiellen Nutzniesys eines Opernhauses? Deswegen hat vielleicht das Konzept einer Mehrwertsteuer, dem ich vom Prinzip her sehr kritisch gegenüberstehe ein wenig Berechtigung, weil es halt alle trifft, und insbesondere diejenigen, die sich mehr leisten können.
Ganz klar trennen sollte man übrigens die Steuern und ihre Ausgaben, für die ein Verursachungsprinzip gelten sollte, von Versicherungen wie Kranken-, Arbeitslosen- oder Rentenversicherungen, für die ein Solidaritätsprinzip gelten muss. Hier sollen ja eben gerade nicht diejenigen zur Kasse gebeten werden, die davon profitieren, denn ob man eine Straße oder ein Opernhaus nutzt, kann man einigermaßen frei entscheiden, ob man die Leistung der Krankenkasse, Arbeitslosengeld oder Rente beziehen muss, halt nicht. Insofern halte ich es auch für grundfalsch, Steuereinnahmen zur Rentenfinanzierung zu verwenden.

Der Vergleich hinkt. Das Geld, das das Fliesenlegy bekommt ist gerade nicht zweckgebunden. Das Fliesenlegy kann mit dem Geld in den Urlaub fahren oder ein Auto kaufen oder an Ärzte ohne Grenzen spenden…

Interessanter ist die Leistung, die du für das Geld bekommst: Beim Fliesenlegy bekommst du deine Fliesen gelegt. Beim Staat gibt es so ein Leistungs-Gegenleistungsprinzip nicht (wäre es so, gäbe es nicht nur Leute, die sich kein Fliesenlegy leisten können sondern auch Leute, die sich keinen Staat leisten können). Wenn es aber etwas an „Leistung“ gibt, was der Staat gibt, dann ist es „das Gesamtpaket Staat“ als solches, das man nicht in beliebig viele kleine Leistung-Gegenleistung-Pakete aufdröseln kann. Der Staat ist mehr als die Summe seiner Einzelinteressen und nach meinem Idealbild ist die Budgethoheit des demokratisch legitimierten Gesetzgebers hierfür zentral.

Es ist auch nicht demokratisch, wenn alle nur das bezahlen, was sie selbst vom Staat nutzen. Denn dann verschieben sich die Machtverhältnisse von der „Mehrheit der Köpfe“ hin zur „Mehrheit des Geldes“.

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Das ist nur insofern richtig, als es sich auf den Gewinn bezieht, den es damit macht. Den kann es verwenden wie es will. Aber die Gegenleistung ist klar definiert. Der Vergleich hinkt daher nur deshalb weil der Staat sich an mir natürlich nicht bereichern soll.

Das ist zum Teil richtig. Ich meine, man muss hier dreierlei tun: Erstens, die, die mehr leisten können, auch stärker zur Kasse bitten (wobei auch hier der Grundgedanke ist: die haben schon mehr profitiert, also sollen sie auch mehr dafür zahlen) und zweitens nicht nur den unmittelbaren Nutzen berücksichtigen. Daher ist es völlig in Ordnung, wenn sich große Firmen, die die Infrastruktur mehr belasten, größere Umweltschäden hervorrufen oder von gut ausgebildeten Mitarbeitern profitieren, an den Kosten dafür entsprechend stärker beteiligen. Das gleiche gilt dann für deren Inhaber oder leitende Angestellte, die natürlich auch nur deswegen gut verdienen, weil ihre Firmen unter Nutzung von Infrastruktur, Umwelt und Bildung gute Geschäfte machen.
Ich weiß, es wird schwierig, das nachher noch auseinanderzudröseln, wer bei einer Firma angestellt ist, die vom Tourismus profitiert oder vom Flughafen in der Nachbarschaft, und dann seine Einkommensteuer entsprechend zu verteilen, aber ich glaube, als Maxime kann der Gedanke schon stehenbleiben.
Drittens aber, und das ist in dem Zusammenhang der wichtigste Punkt: Man darf nicht vom Steuerzahly bestimmen lassen (jedenfalls nicht nach dem Motto „one Euro, one vote“), wofür das Geld ausgegeben wird, sondern es muss zunächst in einem demokratischen Prozess geklärt werden, was benötigt wird, und dann muss man feststellen, wer davon profitiert und dafür bezahlen soll. Wobei es, um nicht missverstanden zu werden, hier nicht auf die Reihenfolge ankommt, sondern auf den Entscheidungsprozess.

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Das hab’ ich ja noch nie gehört. Welcher Staat zahlt denn seine Schulden zurück?

Ok, das ist nicht ganz ernst gemeint. Aber selbst die schwarze Null bedeutet ja nicht, dass der Staat keine Schulden mehr hat, sondern dass er keine neuen macht. Also zurückgezahlt wird da nix, höchstens vielleicht umgeschuldet.

Oder?

Da es auch in LdN 283 wieder behauptet wurde:
Nein, Staaten zahlen ihre Schulden nicht wieder zurück, sondern schulden um.
Also zahlen auch nicht nur die Steuerzahler die Rentenerhöhung.
Nur die Steuerzahler würden es zahlen wenn der Bundeshaushalt (und alle Nebenhaushalte) durch Steuereinnahmen gedeckt sind - und das trifft auf die Bundeshaushalte 2020, 2021, 2022 und nach aktuellen Prognosen auch 2023 eben nicht zu.
Im übrigen plant das Bundesfinanzministerium bis mindestens 2026 mit Neuverschuldungen in jedem Jahr.

Die Rentenerhöhung wird durch eine Ausweitung der Geldmenge - also per Definition Inflation - finanziert. Damit zahlen alle den Euro verwendenden durch einen Kaufkraftverlust diese Rentenerhöhung - und nicht nur die Steuerzahler.