Steigerung der Impfquote

Wir müssen uns nicht darüber streiten, ob Aiwanger Recht hat. Ich finde ihn weder besonders sympatisch, noch teile ich seine Position. Das war aber auch gar nicht der Punkt, wie ich ja eben noch einmal betont habe.
Ich finde allerdings auch nicht, dass alle Menschen, die einer Impfung skeptisch gegenüberstehen, automatisch Querdenker sind - und halte Letztere aufgrund ihrer eher geringen Anzahl auch nicht für eine relevante Wähler:innenbasis - daher läuft dieser Vorwurf m. E. ins Leere.

Wenn Du meine Vergleiche als „absurd“ und „untauglich“ abtust, fände ich es schon interessant, wenigstens ein Argument dafür zu hören. Ich habe Beispiele genannt, in denen sich Menschen unvernünftig verhalten und dadurch ihre eigene Gesundheit und sogar die Gesundheit anderer gefährden. Was daran ist unpassend - denn genau das wird ja Leuten vorgeworfen, die sich nicht gegen Corona impfen lassen wollen.

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Die Werbung für ungesunde Ernährung ist halt nicht in irgendeiner Weise vergleichbar. An ungesunder Ernährung kann ich mich nicht als Unbeteiligter anstecken. Es werden auch nicht dadurch gefährdete in Gefahr gebracht. Dass es da Defizite gibt, die leider von dem Ernährungsministerium im Sinne der Industrie nicht angefasst wird, möchte ich nicht bestreiten, ist aber eine ganz andere Baustelle.

Selbst Herr Aiwanger würde sich nicht hinstellen, und sagen, dass er sich nach vier Maß Bier noch in das Auto setzen würde und das eine individuelle Entscheidung sei und nicht verboten werden dürfe.

Der Nutzen der Impfung ist schwarz auf weiß belegt in unzähligen Studien. Menschen werden von einer potenziell tödlichen Erkrankung geschützt.
Und dennoch stellt sich Herr Aiwanger hin, und stellt einen dicken Kopf und etwas Fieber für schlimmer als die Folgen der Erkrankung.

Klar ist es, dass er die Impfung nicht ganz ablehnen will, schließlich kann es sein, dass auch Geimpfte seine Kleinpartei wählen.

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Ich habe auch nicht behauptet, dass man durch falsche Ernährung irgendjemanden „anstecken“ könnte. Nochmal: Ich habe Beispiele für eine gesundheitliche Gefährdung Dritter durch unvernünftiges Verhalten Einzelner genannt. Das gilt m. E. für

  • zu schnelles (ich könnte ergänzen: unachtsames) Fahren mit Autos mit der nachweislichen Folge einer erhöhten Gefahr von Unfällen und damit von Verletzten oder gar Toten.
  • übermäßiger Alkoholkonsum mit und daraus folgende Verhaltensänderungen wie Selbstüberschätzung oder Aggressivität (nicht nur beim Autofahren) mit nachweislichen Folgen wie (häuslicher) Gewalt, vermehrten Unfällen etc.
  • enger Kontakt zu anderen Menschen trotz Symptomen einer potenziell gefährlichen Atemwegserkrankung (z. B. Influenza)
  • Werbung (= Förderung des Absatzes) von nachweislich gesundheitsschädlichen Lebensmitteln, die bei besonderer Disposition (z. B. Risiko für Diabetis oder Bluthochdruck etc.) die Gesundheit ebenso nachweislich gefährden.

Dass es bei den Beispielen um unterschiedliche Sachverhalte (aka „Baustellen“ geht, ist banal). Aber Du hast m. E. immer noch kein Argument genannt, warum diese Beispiele anders gewichtet werden sollten, als die Entscheidung, sich nicht gegen Corona impfen zu lassen.
Und natürlich gibt es außer Aiwanger noch zahllose Politiker:innen, die öffentlich für unvernünftiges Verhalten plädieren, beispielsweise indem sie auf sogenannten Bierfesten auftreten - um mal bei der CSU zu bleiben. Und nun sage bitte nicht, dass die Ausgabe von Bier in Ein-Liter-Gefäßen etwas mit vernünftigem Konsum zu tun habe :wink:

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Aber genau das ist der Unterschied. Und deshalb sind diese Beispiele nicht vergleichbar.

Ich gehe mal ganz anders daran. Wo ist dieses Verhalten gesellschaftlich bitte akzeptiert? Es wird sogar strafrechtlich sanktioniert zu schnell zu fahren ( leider viel zu lasch nur).
Such gewalttätiges Verhalten durch Alkohol ist kein gewünschtes Verhalten und wird strafrechtlich verfolgt, insbesondere häusliche Gewalt.
Das mit anderen Krankheiten mag teilweise stimmen, allerdings nicht überall soweit ich weiß. Wenn ich mit einer Infektionskrankheit ins Büro gehe darf mein Arbeitgeber mich heim schicken.
Der Werbung kann ich mich verweigern, der Infektion leider nicht.

Man sieht viele der Beispiele passen nicht oder sollten wohl krasserer Folgen haben. Derzeit haben Impfmuffel und Verbreiter von Fake News wie Aiwanger doch ein entspanntes Leben weil sie keine Nachteile haben. Sie stecken ungewollt Ungeimpfte wie Schwangere an, verursachen hohe Kosten und spalten die Gesellschaft. Diese Menschen sollten auch keine Prämien bekommen sondern endlich für die Tests bezahlen und nicht die Allgemeinheit. Die Wirtschaft scheint da schon zu reagieren, z.B. dürfen beim 1.FC Köln nur noch Genese und Geimpfte ins Stadion.

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Mit „gesellschaftlich akzeptiert“ meine ich, dass Menschen die

  • die mit dem Auto die zulässige Höchstgeschwindigkeit übertreten
  • die sich besaufen
  • die bei Grippe im Zug, im Großraumbüro oder im Konzert sitzen
  • die Werbung für gesundheitsschädliche Produkte machen oder erlauben

weder sozial geächtet, noch noch als „Gefährder“ gebrandmarkt werden. Niemand fordert von ihnen, im Interesse des Gemeinwohls oder unter Verweis auf einen gesellschaftlichen Konsens der Rationalität ihr Verhalten zu ändern oder sich öffentlich davon zu distanzieren. Und keines der genannten Beispiele ist per se strafbar oder auch nur eine Ordnungswidrigkeit - obwohl die genannten Folgen allgemein bekannt sind. Alle beschriebenen Verhaltensweisen verursachen - um Deine Formulierung zu benutzen - „hohe Kosten“, doch spaltet keine dieser Verhaltensweisen „die Gesellschaft“ - Genau das meine ich mit zweierlei Maß.

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Sowas würde ich mir auch für die Hochschulen wünschen. Wir kehren Mitte August zurück in die Präsenz und müssen dann in sehr kleinen Räumen zu zwölft sitzen. Es gilt die 3G-Regel. Da meine zweite Impfung zu dem Zeitpunkt erst 10 Tage zurückliegt, brauch ich auch einen Schnelltest. Mitte August kann man sich auch an der Hochschule selber impfen lassen. Spätestens wenn wir im November in der prognostizierten Winterwelle sind würde ich mir eine 2G-Regel wünschen. Dann hatte wirklich jeder Studierender die Chance sich impfen zu lassen. Die Schnelltests sind in meinen Augen einfach nicht zuverlässig genug.

Auch wenn ich nicht jedes einzelne Beispiel passend finde, kann ich deinen Punkt nachvollziehen. In einigen Bereichen lassen wir unvernünftiges Verhaltener Einzelner (sei es juristisch oder gesellschaftlich) zu, auch wenn sie die Dritte gefährden. Und das ist auch gut so (zumindest in Maßen).

Jedoch wird man genau so gut Beispiele finden, wo die Gefährdung so groß wird, dass das Verhalten sowohl juristisch als auch gesellschaftlich nicht toleriert wird (s. Masern-Impfung). Die Frage ist also nicht, ob eine Nicht-Impfung der restlichen Gesellschaft schadet, sondern wie stark. Je nach Bewertung letzterer Frage, lässt sich auch unterschiedlich über das Verhalten von Nicht-Geimpften urteilen.

Das einzige Argument, was für eine deutliche Unterscheidung zwischen den genannten Beispielen und einer Impfverweigerung in meinen Augen in Frage kommt, ist, dass Corona zu einer Überlastung des Gesundheitswesens und somit zu der Notwendigkeit von Nicht-Pharmazeutische-Interventionen führen könnte. Ich weiß, wir haben das schon 1000 Mal im Forum besprochen, aber es ist mE immer wieder wichtig, sich das Ziel der Pandemiebekämpfung deutlich zu machen - insbesondere vor dem Hintergrund des Übergangs der Pandemie zur Endemie (zumindestens in reichen Ländern wie DE). Eine Überlastung wäre durchaus ein größerer Schaden als bei „bei Grippe im Zug, im Großraumbüro oder im Konzert zu sitzen“ (Grippewelle 2017/18 mal ausgeklammert :wink:). Ob eine solche Überlastung jetzt aber überhaupt noch droht ist eine andere Frage, die ich nicht beantworten kann. Je nach Antwort auf diese Frage, kann die Bewertung des Verhaltens von Nicht-Impfwilligen von „hochgradig unsolidarisch“ bis „dumm, aber egal für den Rest“ reichen…

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Ich dachte wenn alle anderen geimpft sind wäre der eine Ungeimpfte im Raum dann egal. Hab ich etwas misverstanden? Wo ist das Problem?

Genau das sehe ich auch als einzigen trifftigen Grund an. Und ich kann mich nicht daran erinnern dazu Studien gesehen zu haben, wie dies bei einer Impfquote von ca. 60% aussieht. Wir haben die Situationen in den anderen „Wellen“ vor Augen, aber da hatten wir auch bei weitem nicht die Impfquote die wir nun haben.

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Wenn die Gefährdung für die Allgemeinheit so groß ist dann soll die Impfpflicht her und gut ist.

Wenn die Impfung freiwillig bleibt dann muss ich den Argumenten, wenn auch nicht ganz passend, von @kaigallup zustimmen. Das müssen wir dann in einer diversen Gesellschaft aushalten.

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Wenn Du mit „zuverlässig“ meinst, dass mit größtmöglicher Wahrscheinlichkeit Infektionen ausgeschlossen werden sollen, dann müssten sich auch Geimpfte und Genesen testen lassen - und zwar bei Delta möglichst mit einem PCR-Test, der nicht älter ist als 12 Stunden (also 2G+G). Die Frage ist nur, ob das dann vom Verhältnis zwischen Aufwand und potenziellem Risiko noch angemessen ist - ganz abgesehen von den unterschiedlichen Maßstäben die ich bereits thematisierte.

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Ich kann gar nicht auf alles eingehen, will nur ein paar Punkte heraus-/klarstellen. @WilliWuff hätte seinen Standpunkt auch selbst deutlich machen können, dann müssten wir nicht „vermuten“, was er meinen könnte.

Da du ja selbst hier immer so viel Wert legst auf präzise Argumentationen, gezielte Differenzierungen, wissenschaftliche Evidenz, neue Studien und den allerneusten Forschungsstand etc. legst, erwarte ich dann aber auch, dass du mich sauber zitierst: Es ist nicht mein Argument, sondern das von Wolfram Henn. Ich habe geschrieben: „Da hat er einen Punkt.“ Das ist kein Ausdruck absoluter und uneingeschränkter Zustimmung. Ich verlinke auch das entsprechende Interview, dann können sich alle selbst ein Bild machen (es ging in dem entsprechenden Punkt übrigens um den Wegfall kostenloser Tests, nicht direkt, aber indirekt, um die Impfung).

Zu Punkt 1, Impflicht: Eine (allgemeine) Impflicht finde ich ebenfalls schwierig und lehne sie ab. Das Impfen ist eine persönliche Entscheidung – was aber nicht heißt, dass man nicht mit den entsprechenden Konsequenzen umgehen muss. Ich verstehe auch nicht, warum die Politik das ohne Not so oft betont hat (und Helge Braun und andere neuerdings ins Testballon-Geschäft eingestiegen sind), dass es das nicht geben wird. Als Politiker, zumal in einer Krise, sollte man nie etwas ausschließen, das ist einfach nicht möglich und in gewisser Weise unehrlich. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es kommen wird.

Zu Punkt 2, Aiwanger: Auch hier bist du leider sehr selektiv unterwegs, was du ja sonst auch nicht bist (s. o.), schade. Das Interview dauert 17 Minuten und da ich davon ausgehe, dass wir das gleiche Interview gehört haben, können wir beide hoffentlich zu der Übereinkunft kommen, dass er mehr gesagt hat als: „Ich möchte mich nicht impfen lassen!“ – was in Ordnung und völlig ok wäre, würde er nicht bspw. über „massive Impfnebenwirkungen“, bei denen ihm die Spucke wegbleibe (ohne auszuführen, was er eigentlich meint), schwadronieren. Eine gefährliche Mischung aus Desinformation und Unwissen war das. Die Reaktionen waren daher entsprechend und auch angemessen.
Sich dazu, seiner persönlichen Entscheidung, nicht öffentlich zu äußern war nicht seine Idee? Seriously? Wieso hat er dann dieses Interview gegeben? Er wusste genau, wie es ankommen und in welchen Kreisen es jubelnd aufgenommen wird. Er hätte auch sagen können: „Darüber will ich nicht sprechen“, das wäre ok gewesen. Hat er aber nicht. Seine Begründungen, Annahmen, was auch immer sind fachlich nicht haltbar. Was er daraus macht, ist seine Entscheidung. Aber er streut, gezielt oder nicht, Falschinformationen und verunsichert viele Leute nur noch mehr. Umso mehr erfreut hat es mich, dass am Tag darauf mit Carsten Watzl ein Wissenschaftler im DLF zu Wort kam, der die Aussagen kritisch eingeordnet hat. Chrupalla hat im ARD-Sommerinterview da cleverer agiert, deswegen kann ich bei Aiwanger schon etwas wie eine Agenda erkennen.
Am unterhaltsamsten fand ich übrigens die Stelle als er sagte, dass er als Diplom-Agraringenieur (FH) „Naturwissenschaftler“ sei… Na ja.

Ich persönlich würde Aiwanger auch nie „Querdenker-Rhetorik“ unterstellen (das war nicht auf mich bezogen, weiß ich, ich will nur meinen Standpunkt deutlich machen), das führt zu vergifteten Diskursen, ist viel zu pauschal und diese Schubladen bringen auch nicht weiter und sind einer guten sowie sachlichen Diskussion nicht zuträglich. Natürlich sind Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, nicht automatisch Querdenker. Ich habe erlebt, was bei PEGIDA passiert ist, als man Menschen einfach als „Nazis“ tituliert hat, ohne sich mit diesen Menschen zu beschäftigen, geschweige denn zu unterhalten. Mal abgesehen davon, dass es eine unzulässige Verharmlosung ist.

Ich verstehe irgendwie gar nicht, warum und wie du die Kategorien ‚illegitim‘ und ‚illegal‘ hier (und weiter unten) einführst und begründest; das war nie Thema und hat niemand behauptet. Erscheint mir sehr, sehr weit hergeholt. Dann nenne ich etwaige Positionen eben nicht mehr ‚unvernünftig‘, sondern einfach ‚dumm‘ und ‚gefährlich‘ – ist das dann besser als ‚unvernünftig‘?
Im Übrigen finde ich deinen Grippe-Vergleich nicht tragbar. Natürlich kann man den Vergleich machen, aber ich finde ihn sehr unpassend. Grundsätzliches zum Thema, was man wie vergleichen und/oder gleichsetzen kann, darf und sollte, erspare ich mir.

Grundsätzlich erkenne ich dein Argument, dass wir als Gesellschaft auch anderes schädliches, unvernünftiges Verhalten akzeptieren und wenig/nichts unternehmen, an. Allerdings versucht der Staat riskantes und unvernünftiges Verhalten auch zu unterbinden – oder jedenfalls unattraktiver zu machen – was genau auf deine Beispiele abzielt: Tabaksteuer, Alkoholsteuer (die wurde und wird übrigens auch mit deinen genannten Argumenten gerechtfertigt) and so on. Wir könnten jetzt grundsätzlich über Sinn und Unsinn des ‚Libertären Paternalismus‘ diskutieren, mache und will ich aber nicht. Es ist halt, wie so oft, eine Abwägung zwischen individuellen Freiheits- und Persönlichkeitsrechten, allgemeiner Handlungsfreiheit und den Rechten anderer bzw. der Gesellschaft.

Zuletzt empfehle ich zwecks Corona/Delta mal einen Blick in die USA. Ich bin mir sicher, dass wir in den nächsten Wochen und Monaten ähnliche Diskussionen haben werden, eigentlich alles wie letztes Jahr auch schon.

Im Weiteren werde ich mich auf das Lesen beschränken und nicht mehr kommentieren, denke/hoffe ich.

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So einfach ist es leider nicht. Die Impfung schützt vor einem schweren Verlauf, nicht vor einer Infektion. Und Long Covid kann man auch nach einem leichten Verlauf ohne Krankenhausaufenthalt bekommen.

Danke für die Antwort. Nach der m. E. viel zu langen Diskussion um einen eigentlich banalen Vergleich kehren wir wieder zu den wichtigen Fragen zurück, nämlich: Was ist eigentlich das Ziel der Impfkampage und welche Rolle spielt die Impfquote dabei.

Eine Gefahr für die Gesundheit Einzelner und durch eine eventuell daraus folgende Überlastung des Gesundheitswesens entsteht nicht per se durch eine fehlende Impfung, sondern dadurch, dass sich Menschen mit vergleichsweise hohem Risiko für eine schwere Erkrankung infizieren. Das passiert nach einer Impfung sehr viel seltener, ist aber nicht gänzlich ausgeschlossen. Dabei ist (neben Vorerkrankungen) das Alter ein sehr viel gewichtigerer Faktor als die Impfung. Eine ungeimpfte 50-Jährige hat kein höheres Risiko als eine geimpfte 80-jährige. Daher ist die pauschale Dichotomisierung zwischen Geimpften und Ungeimpften aus medizinischer Sicht nicht so wichtig - ausschlaggebend ist, wie viel Menschen mit welchem Risiko es gibt. Die Imfpquote spielt vor allem bei Ü50 eine Rolle, bei Jüngeren ist das Risiko auch ohne Impfung sehr gering. Ü70/Ü80 haben hingegen trotz Impfung noch ein vergleichsweise hohes Risiko. Schutzmaßnahmen sollten sich auf gefährdete Personengruppen fokussieren und nicht darauf, Infektionen bei Menschen zu verhindern, für die diese ungefährlich sind.

Ich würde hinzufügen, dass es anderereits ja durchaus Bereiche gibt, in denen soziale Ächtung ein (erfolgreiches) Mittel der Gesundheitsvorsorge darstellt und Verhaltensweisen von der Gesellschaft unter enormen Rechtfertigungs- bzw. Regulierungsdruck gestellt werden: etwa Suchtmittelkonsum von schwangeren Personen. Wichtig finde ich an dieser Stelle aber den Hinweis darauf, dass einer Gesellschaft ‚weichere‘ Methoden - unterhalb von „Pflichten“ und „Zwängen“ - zur Verfügung stehen, um sozial unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren. Deshalb halte ich es auch für wichtig, den Erwartungs- und Rechtfertigungsdruck auf herausgehobene Repräsentant:innen der Gesellschaft wie Aiwanger für ihre „Privatentscheidungen“ konstant hoch zu halten.

Das Grundproblem ist natürlich, dass sich Veränderungen tief sitzender, historisch kultivierter, notorischer (und mitunter sehr deutscher) Einstellungssets wie „Impfskepsis“ nicht anweisen lassen und sich - vermutlich - nur durch eine Kombination von Anreizen, gesellschaftlichem Druck und vorsichtigen Regierungsmaßnahmen erreichen lassen. Solche Programme müssten eigentlich extrem langfristig angelegt sein und kollidieren mit einer Situation, in der es vor allem um Geschwindigkeit und kurzfristige Erfolge geht.

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar, den ich als wertschätzend und konstruktiv empfinde. Dennoch würde ich gerne auf ein paar Punkte eingehen, an denen ich mich nicht richtig verstanden fühle:

Ich habe Dein „Da hat er einen Punkt“ in der Tat als Zustimmung gelesen, gerade weil auf den Satz keine Einschränkung oder Relativierung folgte.

Natürlich war mein Bezug auf Aiwanger selektiv, da ja nicht er oder seine politischen Positionen Thema waren, sondern er nur ein Beispiel dafür ist, wie eine - offiziell ja immer noch freie Entscheidung - öffentlich an den Pranger gestellt wird, wenn sie nach der Ansicht einer Mehrheit „falsch“ ausfällt. Er ist also für mich eher ein Symptom für einen gesellschaftlichen Diskurs, weshalb seine Aussagen weder unterstütze, noch für richtig halte, noch diskutieren möchte.

Anfangs hat Aiwanger es vorgezogen, seine Entscheidung nicht öffentlich zu kommentieren, auch nicht als Söder ihn bei einer PK vor laufenden Kameras dazu aufforderte. Im DLF-Interview sagt er ja auch einiges dazu, warum er sich inzwischen dazu gedrängt fühlt, sich für seine Entscheidung auch öffentlich zu kommentieren und was er davon hält. Das mag man als wahlkämpferisches Geraune abtun, aber ich schließe daraus, dass er womöglich erst durch die Art und Weise wie in der Öffentlichkeit mit seiner privaten Entscheidung umgegangen wurde, auf die Idee gebracht wurde, diese Politisierung in seinem Sinne zu nutzen. Sozusagen ein klassisches Backfiring eines medialen Diskurses.

Damit beziehe ich mich auf die von Dir zitierte Formulierung von einem „Recht auf Unvernunft“, was ja nichts anderes ist, als Illegalität oder zumindest Illegitimität zu unterstellen. Eine Position oder ein Verhalten unvernünftig oder dumm zu finden ist halt das eine. Zu behaupten, Menschen hätten kein Recht auf diese Unvernunft oder Dummheit, ist eben eine ganz andere.

Meine Beispiele bezogen sich ja in erster Linie ausdrücklich nicht auf staatliche Regulierungsversuche, sondern auf die gesellschaftliche Akzeptanz der geschilderten Verhaltensweisen.

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Ja, ist das ist leider so, das wird sich aber auch nie mehr ändern. Auch Geimpfte können Träger des Virus sein und den weitergeben, es gibt „Genesene“, etc. Diese Gefahren werden nicht mehr weggehen, da kann man noch so sehr die Nicht-Geimpften stigmatisieren.

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Das sind spannende Punkte! Am Anfang müsste aber m. E. erst einmal eine Analyse stehen, wer sich eigentlich warum noch nicht hat impfen lassen. Liegt es wirklich an einer verfestigten Einstellung, wie das Wort „Impfgegner“ suggeriert? Liegt es vielleicht an Zweifeln gegenüber der Schulmedizin und/oder Pharmaindustrie? Liegt es an Unsicherheiten bezüglich der zu erwartenden oder noch nicht zu erwartenden Folgen einer Impfung („unknown unknowns“)? Liegt es am gefühlt, nicht überzeugt zu sein, sondern nur überredet werden zu sollen? Oder liegt es vielfach vielleicht einfach daran, dass Menschen keinen guten Zugang zum Gesundheitssystem haben - wofür es auch wiederum eine Reihe von Gründen geben kann.
Dass die einzige Antwort auf all diese Fragen „mehr Druck ausüben“ sein soll, finde ich schon etwas befremdlich. Wie hilflos die Politik in Wirklichkeit ist, drückte gestern im DLF Lauterbach aus, als er zugeben musste, dass es ihr noch nicht einmal gelingt, das Gerücht zu entkräften, eine Impfung führe zu Unfruchtbarkeit.

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Seit gut 9 Monaten wird geimpft. Dann müsste es ja demnächst ja massiv Geburtsrückgänge geben.
Aber so sind sie, die Gerüchte. Einfach mal was in die Welt hauen.

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Aber nur in viel geringerem Umfang als Ungeimpfte.