Scheint so. Aber auch was das angeht, kann man unterschiedlicher Meinung sein…
Wieso sollten Mieter Raten nicht bezahlen?
Also, zum Ersten: Zinsen, im Sinne von Baugeldzinsen, um die es hier geht, werden nicht staatlicherseits angehoben, sondern bilden sich über Markteffekte. Der Staat steuert die nicht, außer er ist so wahnsinnig und gibt Staatsanleihen aus, für die er weit mehr Zins bezahlt, als der Kapitalmarkt von ihm fordert. Denn Baugeldzinsen orientieren sich im Wesentlichen an Pfandbriefzinsen, die sich wiederum im Wesentlichen an den Zinsen von Staatsanleihen orientieren. Und deren Zinssätze hängen vom Vertrauen in Wirtschaft und Stabilität eines Staates ab. Also Markteffekte durch und durch (wenn man mal vom Zentralbankzins absieht, der natürlich auch signifikanten Einfluss hat, aber gerade bei Bauzinsen gern überschätzt wird, wie aktuell wunderschön sichtbar - die EZB hat noch nicht mal angefangen mit ihrer Zinserhöhung, trotzdem sind Bauzinsen schon von 0,x auf 3% hochgeschnellt).
Zum Zweiten: Mindestens ebenso problematisch wie schlagartige Zinserhöhungen (die übrigens nur dann wirklich problematisch sind, wenn Schuldner keine oder nur kurze Zinsbindungen vereinbart haben) ist der Effekt des sich schleichend erhöhenden Hebels. Das ist nämlich, was zwangsläufig dabei rauskommt, wenn „die Assets von heute die Sicherheit für die Kredite von morgen“ sind:
- Leute kaufen Häuser auf Kredit.
- Häuser steigen im Wert.
- Leute sehen das, kriegen Dollarzeichen in den Augen und kaufen sich Zweithäuser auf noch mehr Kredit, wobei der nicht zur Besicherung des ersten Kredits nötige Anteil am Wert des ersten Hauses als Absicherung herangezogen wird, um kein weiteres Eigenkapital zuschießen zu müssen.
- Häuser steigen weiter im Wert
- Menschen werden noch gieriger und kaufen sich Dritthäuser auf wieder mehr Kredit.
- …
Irgendwann bricht das System von sich aus zusammen, weil sich herausstellt, dass die ganzen Häuser schon lange überbewertet sind, schlicht weil immer eine schier endlos wirkende Menge an willigen und liquiden Käufern vorhanden war, der aus irgendeinem Grund plötzlich ausbleibt. Der Grund ist in gewisser Weise variabel, hängt ein bisschen davon ab, was gerade daherkommt - es könnte eine Verschlechterung in den Finanzierungsbedingungen sein, aber wenn’s das nicht ist, läuft das System halt einfach nur ein bisschen länger heiß, bis es irgendeinen anderen Grund findet, der für jeden sichtbar macht, dass den vielen erworbenen Assets überhaupt kein adäquater Nutzen gegenüber steht - allerallerspätestens, wenn mehr Häuser existieren, als Menschen da sind, die sie bewirtschaften könnten. Dann findet durch Markteffekte eine Korrektur der den Assets zugeschriebenen monetären Werten statt, was die ersten Kreditnehmer in die Bredouille bringt, weil sie (für viele unwissend) eigentlich ein hochriskantes Hebelgeschäft eingegangen sind mit ihrem Kapital, dessen Hebel über die Zeit durch das Aufblasen der Asset-Bewertungen unsichtbarerweise immer größer und größer wurde. Wenn das plötzlich durch die Bewertungskorrektur sichtbar wird, bekommen ihre Kreditgeber korrekterweise heiße Füße, werden nervös und wollen durch Liquidierung der Sicherheiten ihr Risiko begrenzen, so lange das noch geht und die Asset-Werte nicht weiter fallen, was wiederum durch noch mehr Angebot dafür sorgt, dass genau das passiert, und so weiter und so weiter.
Der Punkt daran ist: das ist systemimmanent! Es braucht überhaupt keinen „bösen Staat“ oder eine „böse Zentralbank“ oder sonst irgendjemanden mit bösen Absichten, damit es zu diesem Boom-Bust-Zyklus kommt. Ganz im Gegenteil - gerade dann, wenn es niemand versucht, zu moderieren, genau dann gibt’s die allerheftigsten dieser Zyklen. Case in Point: Bitcoin - da gibt’s weder Staat noch Zentralbank, aber Boom-Bust-Zyklen in Reinform, alle Jahre wieder!
Das Gebashe auf den bösen Staat oder die Zentralbanken oder wen auch immer, der deiner Meinung nach die Finanzkrise ausgelöst hat, ist daher in gewisser Weise müßig. Krisen sind systemimmanent im Kapitalismus, sie lassen sich maximal aufschieben, aber nicht verhindern. Das System findet immer einen Weg, sich fehlzuentwickeln, bis es irgendwo implodiert.