Spenden an die Letze Generation jetzt strafbar?

Hallo Liebe Lagehörer*innen,

die Polizei hat sich natürlich mit der Nachricht auf der beschlagnahmten Seite ordentlich vergriffen. Aber: Ist nicht unabhängig davon inzwischen von Spenden an die LG abzuraten? Immerhin genügt für § 129 I 2 Alt. 1 StGB (Unterstützen einer kriminellen Vereinigung) sog. bedingter Vorsatz. Das heißt es genügt schon das Konkret-für-möglich-Halten und Billigend-in-Kauf-Nehmen eine kriminelle Vereinigung zu unterstützen. Jedenfalls wer die aktuelle Diskussion um § 129 I StGB kennt, könnte sich da in gefährliches Fahrwasser begeben. Gegenstimmen?

Viele Grüße
Jakob

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Interessantes Thema.

Ich würde grundsätzlich davon ausgehen, dass der Nachweis eines (wenn auch nur bedingten) Vorsatzes, eine kriminelle Vereinigung unterstützen zu wollen, kaum erbracht werden kann, ehe eine Vereinigung nicht offiziell als „kriminelle Vereinigung“ beurteilt wurde, sei es über ein Vereinsverbot oder rechtskräftige Verurteilungen nach § 129 StGB.

So lange es strittig ist, ob die „Letzte Generation“ juristisch eine „kriminelle Vereinigung“ ist und sie auch nicht als Verein verboten ist (ob hier ein Verein i.e.S. vorliegt ist natürlich steitig, aber das hat die Behörden bei linksunten.indymedia ja auch nicht abgehalten…), kann sich mMn erst Mal jeder Spender auf den Standpunkt stellen, überzeugt gewesen zu sein, dass es sich nicht um eine kriminelle Vereinigung handelt. Selbst sehr konservative Juristen werden wohl zustimmen müssen, dass diese Frage in jedem Fall strittig ist, es sich daher nicht derart offenkundig um eine kriminelle Vereinigung handelt, dass man als Spender davon zweifelsfrei ausgehen müsste.

Davon ab ist es natürlich auch eine Frage der Rechtspraxis - es ist nicht wirklich vorstellbar, dass die Staatsanwaltschaften zum gegenwärtigen Zeitpunkt gegen Spender vorgehen werden. Damit wäre tatsächlich erst nach einem Vereinsverbot oder rechtskräftigen Verurteilungen zu rechnen, da die Beweisführung ab diesem Zeitpunkt erst realistisch wird… bis dahin wird man sich hier aus vielen Gründen zurückhalten. Natürlich kann es aber immer übereifrige Staatsanwälte geben, die es trotzdem mal versuchen, aber ich bezweifle wirklich, dass sie damit durchkommen würden…

Im Kontext zu Spenden könnte man auch diskutieren, ob Spenden als Anstiftung oder Beihilfe zu Straftaten gewertet werden können, wenn z.B. klar ist, dass die Spenden auch dazu dienen, Geldstrafen für Täter zu bezahlen und somit zumindest psychische Beihilfe in dem Sinne zu leisten. Wenn ein Spender z.B. dumm genug ist, in den Verwendungszweck der Spende zu schreiben: „Für Geldstrafen!“ oder „Für mehr Kleber!“ wäre es zumindest nicht ganz fernliegend, hier eine Beihilfe- oder Anstiftungshandlung zu erblicken.

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Gerade das („offenkundig“, „zweifelsfrei“) ist für Vorsatz nicht erforderlich. Das konkret Für-möglich-Halten genügt als kognitives Element.

Da hast du höchstwahrscheinlich recht.

Hier bin ich ziemlich skeptisch. In den meisten Fällen werden die Haupttaten (Nötigung, Sachbeschädigung) noch nicht hinreichend genau umrissen sein, sodass man keinen Vorsatz annehmen kann, selbst wenn jemand Ähnliches in einen Verwendungszweck schreibt. (Wer klebt? Unklar. Wann wird geklebt? Unklar. Wo wird geklebt? Unklar usw.)

Naja, hier könnten wir jetzt viel über die Abgrenzung von Eventualvorsatz und bewusster Fahrlässigkeit diskutieren. Der Aktivist wird schlicht sagen, er sei davon ausgegangen, dass die „Letzte Generation“ das Geld für den legalen Teil ihrer Arbeit einsetzen werde (Plakate, Demonstrationen, Schulungen…). Mehr noch, der Aktivist wird sich auf den Standpunkt stellen, dass das Festkleben selbst keine Straftat sei (auch das ist ja noch umstritten) und die Letzte Generation mit dem Geld wohl kaum „die verrückten Aktionen einiger Einzelgänger, wie Sabotageaktionen an Pipelines“ finanzieren würde.

Auch das „bewusste in-Kauf-nehmen“, also der Gedanke des „Und wenn schon“, muss erst Mal nachgewiesen werden… das dürfte einfach nicht möglich sein. Die bloße Möglichkeit und auch das bloße für-möglich-halten ist nicht immer zwangsläufig bereits ein Eventualvorsatz.

Ich auch, absolut. Deshalb sage ich ja, dass es „nicht ganz fernliegend“ ist, daher: Es ist nicht außerhalb jedes Interpretationsspielraumes. Dass die Staatsanwaltschaft damit vermutlich nicht durch kommen würde, da sind wir uns einig. Aber das schützt nicht vor einem übereifrigen Staatsanwalt, der einen schlechten Tag hat ^^

Klar. „Offenkundig“ und „zweifelsfrei“ stünden dabei aber nicht zur Debatte.

Ob das Geld für legale oder illegale Aktivitäten einer kriminellen Vereinigung eingesetzt wird, spielt für § 129 I 2 StGB keine Rolle, soweit ich weiß. Da genügt auch schon jede Förderung des Bestands der Vereinigung. Außerdem kann sobald das Geld auf dem Konto der Vereinigung eingegangen ist, ohnehin niemand mehr unterscheiden, wessen Zahlung für welchen Zweck verwendet wird.

Behaupten, dass objektiv keine kriminelle Vereinigung vorliegt, ist eine gute Verteidigung, weil der Versuch von § 129 I 2 Alt. 1 StGB nicht strafbar ist. Dazu kann man einerseits argumentieren, die Einzelaktionen seien nicht strafbar (wie in der Lage erörtert ist das aber uU bei den Klebeaktionen nicht besonders aussichtsreich) oder behaupten, dass die Einzelaktionen zwar strafbar seien, aber trotzdem aus irgendwelchen Gründen keine kriminelle Vereinigung vorliege.

Ich hoffe einfach mal, dass die Staatsanwaltschaften hier schon langsam machen. Andererseits weiß man in Bayern nie… :smile:

Klar, wenn denn eine kriminelle Vereinigung vorliegt.

Das ist ja der Witz an der Diskussion: Es muss zumindest bedingter Vorsatz vorliegen, eine kriminelle Vereinigung unterstützen zu wollen. So lange man aber noch guten Gewissens davon ausgehen darf, dass es sich bei der „Letzten Generation“ nicht um eine kriminelle Vereinigung handelt, weil sie weder vereinsrechtlich verboten, noch ihre Mitglieder wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt wurden, ist es schwer, den - auch nur bedingten - Vorsatz nachzuweisen, da der Beschuldigte natürlich sagen wird, er wollte keine kriminelle Vereinigung unterstützen, sondern eine (noch) legale Umweltschutzvereinigung.

Wie gesagt, Stress bekommen Spender in aller Regel erst, wenn ein Vereinsverbot vollzogen wurde… Spenden an eine nicht verbotene und nicht für jedermann offensichtlich kriminelle Vereinigung zu entrichten mit dem § 129 StGB zu pönalisieren geht einfach zu weit, den Vorsatz, eine kriminelle Vereinigung unterstützen zu wollen, wird man hier nicht nachweisen können…

Mal eine juristische Laien-Frage:
Die Begründung für die Hausdurchsuchungen ist ja offenbar die Sicherung von Beweisen, das leuchtet mir noch ein. Aber warum darf der Staat die Gelder der LG beschlagnahmen, wenn noch gar nicht klar ist, ob es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt?

Für die Beschlagnahme von Konten müssen Kontobeschlagnahmebeschlüsse und ein Vermögensarrest (jeweils mit Richtervorbehalt) erwirkt werden. Zulässig sind diese Maßnahmen nach § 111b ff StPO, wenn die Ermittlungsbehörden davon ausgehen, dass am Ende des Verfahrens eine Einziehung (§73 StGB) angeordnet wird und der Beschuldigte die einzuziehenden Werte (hier das Geld auf den Konten) ohne Vermögensarrest/Kontobeschlagnahme „in Sicherheit bringen“ wird. Eine Einziehung kann für Vermögen angeordnet werden, welches der Täter durch die Tat oder für die Tat bekommen hat. Spenden würden wohl im Hinblick auf die Straftaten im Zusammenhang mit der kriminellen Vereinigung als „für die Tat“ durchgehen.

Die Staatsanwaltschaft stellt sich also auf den Standpunkt, dass es zu einer Verurteilung kommen wird und das Geld im Zuge dessen eingezogen würde - und damit das erfolgreich passieren kann, muss es jetzt schon „gesichert“ werden.

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Das ist eine - durchaus nachvollziehbare - Einschätzung der Situation, aber eben auch nicht nachgewiesen. Auch für das Handeln von Staatsanwaltschaften muss gelten, dass man bei mehreren Deutungsmöglichkeiten des Verhaltens nicht automatisch die denkbar negativste annehmen sollte, vor allem, wenn die negativste Deutung gesetzeswidrig wäre, muss schon nachgewiesen werden, dass diese Deutung korrekt ist.

Das Ziehen von Schusswaffen hat wenig mit der Staatsanwaltschaft zu tun - alleine schon, weil der Vorfall sich in Berlin ereignet hat. Die Berliner Polizei muss zwar den Durchsuchungsbefehl der Staatsanwaltschaft München durchsetzen, aber hier anzunehmen, dass die Staatsanwaltschaft München auch nur mit den Polizeibehörden ausgerechnet in Berlin in so engem Kontakt stehen würde, dass sie rechtswidrige Anordnungen geben könnte, halte ich für sehr weit hergeholt.

An so einer Durchsuchung sind viele Beamte beteiligt, man kann davon ausgehen, dass einige davon auch durchaus Sympathien für die „Letzte Generation“ haben. Eine Staatsanwaltschaft könnte „ihre“ Polizei, mit der sie ständig zusammen arbeitet, vielleicht so weit einschätzen, um zu wissen, wer mit solchen verdeckten Anordnungen zu erreichen ist, aber ganz bestimmt nicht in einem anderen Bundesland. Also wenn der Vorwurf ist, dass die Staatsanwaltschaft die „Waffe ziehen“-Aktion in Berlin bewusst erzeugt hätte, ist schon sehr im Bereich der Verschwörungstheorien.

Das definitiv. So lange sie sich dabei im Rahmen des geltenden Rechts bewegt, ist das aber auch nicht wirklich zu beanstanden. Wenn die „Letzte Generation“ aus Sicht der Staatsanwaltschaft eine „kriminelle Vereinigung“ ist, will sie natürlich dieser kriminelle Vereinigung bis zur strafgerichtlichen Klärung dahingehend „schaden“, dass sie ihre Aktionen nicht weiterführen können. Wenn es sich hier z.B. um eine „Freie Kameradschaft“ oder sonstige rechtsextreme Gruppe handeln würde, würden wir doch genau das von der Staatsanwaltschaft auch fordern.

Das ist wieder so ein Punkt, den man daher politisch oder moralisch kritisieren kann, aber kaum juristisch.

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Okay, danke für die Erklärung. Hatte das in den Medien nicht gefunden.

Ich vermute auch stark, dass die Razzien politisch motiviert sind. Dass die CSU aber gegen die Spender vorgeht glaube ich nicht. Da würden sie potenziell viele Menschen treffen und eventuell breiten Unmut auch bei ihren älteren Wählern auslösen, wenn sie plötzlich deren Kinder verfolgen, falls die mal an die LG gespendet haben.