Soziale Segregation gesellschaftlicherNetzwerke

Hallo zusammen,

heute möchte ich mal ein Thema einbringen, dass mich schon lange umtreibt, die gefühlte Segregation in der Gesellschaft.

Dieser Bericht aus der TAZ spricht über eine Untersuchung des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt zum Vorhandensein von Filterblasen, vor allem in der analogen Welt.

Man fand wohl heraus, dass es diese Blasen mittlerweile auch im analogen Leben gibt. So sprechen wir gerne vorwiegend mit unseresgleichen statt dem politisch Fremden. Und wenn wir doch auf den Gegner treffen, dann haben wir eine abwertende Gefühle gegenüber dem anderen, was sicher ein konstruktives Gespräch erschwert.

Besonders stark seien diese Effekte bei AfD-Wählern (klar!) und den Wählern der Grünen ausgeprägt.

Am stärksten „polarisiert“ sind unter anderem Grünen- und AfD-Wähler*innen.

50 Prozent der befragten AfD-Wählerinnen berichten, dass sich ihre Bekannten- oder sozialen Kreise überwiegend aus AfD-Unterstützerinnen zusammensetzen. Bei den Grünen-Wählerinnen und -Wählern ist diese Tendenz sogar noch höher – 62 Prozent der befragten Grünen-Wählerinnen geben an, sich bevorzugt unter anderen Grünen-Wählerinnen zu bewegen.

Die sogenannten Blasen verursachen zudem übersteigerte emotionale Identifikation mit der eigenen Gruppe, so das Institut. Beispielsweise geben die Wählerinnen und Wähler der AfD und der Grünen an, dass sie für die jeweils andere Gruppe negative, für die eigene eher positive Gefühle hegen.

Hier zeige sich eine „Entkopplung“ sozialer Netzwerke mit entsprechenden Verstärkungseffekten für die jeweiligen Weltbilder. Das Institut sieht darin ein Problem für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Verständigung zwischen verschiedenen sozialen Gruppen werde schwieriger.

Das passt auch zu meiner subjektiven Beobachtung im realen Leben und auch hier im Forum. Oft scheinen diese Gruppen (oder zumindest Menschen, die denen nahe zu stehen scheinen) über den Dingen zu stehen und überwiegend emotional zu diskutieren, Meinung als Fakten zu tarnen und lieber Dinge zu interpretieren als darauf zu reagieren was was tatsächlich gesagt wurde.

Mich würde freuen wenn die Lage sich des Themas annehmen und mit Fachleuten darüber sprechen könnte, vor allem mit der Zielstellung zu ergründen, wie man wieder verbindend wirkt ohne auszugrenzen. Dabei sollte eine kritische Eigenbetrachtung, die gern positiv ausgehen darf, nicht fehlen.

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Ich sehe hier kein Problem bei den Grünen-Wählern, sondern eher bei den Wählern anderer Parteien, wenn die keine „negativen Gefühle gegenüber AfD-Wählern hegen“.

Das war nicht der Tenor von @Barnabas. Er bezieht sich darauf, dass Grüne eben wie AfD Anhänger sehr in ihrer Blase bleiben und anderen gegenüber ablehnend gegenüber stehen. Ich finde das nicht überraschend, denn tatsächlich tritt dieses Verhalten auch hier auf und privat habe ich es auch schon erlebt. Wer beispielsweise gegen Maßnahmen zum Klimaschutz argumentiert, weil sie sozial völlig fehlgeleitet sind, wird gern von oben herab angegriffen. Es ist zuletzt durch die Moderation wieder besser geworden, aber tritt immer noch auf.

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Vielleicht liegt das auch an der eigenen Segregation? Wer sich bspw. in der vorwiegend links-grünen Blase bewegt wird negative Zuschreibungen den konservativ-rechten gegenüber als Tatsachenbeschreibung und nicht als negative Gefühle, die Ablehnung der Gegenseite aber als feindselig oder anmaßend und belehrend wahrnehmen. Natürlich gilt das ebenso auf der gegenteiligen Seite.

Am direkten Beispiel, [Auslassung der Moderation mit Bezug auf frühere Beiträge eines Forenusers … ] die oft zur Schau gestellte Ablehnung von Ostdeutschen als notorische AfD- oder CDU-Wähler und Rechtsextreme wird wohl ebenso wenig zur Verständigung beitragen wie die Hetze einiger Konservativer gegen Windräder und Wärmepumpen oder eine moralische Überheblichkeit der Grünen Partei.

Eine ehrliche Auseinandersetzung mit diesem Thema hat zur Grundvoraussetzung sich auch an die eigene Nase zu fassen und sich kritisch zu hinterfragen.

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Aus meiner Sicht bewegen sich (auch?) FDP und CDU/CSU-Wähler:innen in einer extremen Blase.
Das Anti-Grünen-Narrativ finde ich echt schwierig. Satz gestrichen

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Es find Studienergebnisse die man so auch akzeptieren muss. Es steht ja nirgends, dass diese Blasen nicht such in den konservativen und „liberalen„ Kreisen existieren. Nur dass es bei AfD und Grünen am ausgeprägtesten ist. Ich halte es für gefährlich jede Kritik an grüner Wählerschaft sofort als rechte Hetze zu titulieren.

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Kann ich aus meiner Erfahrung so nicht bestätigen. Ich hab tatsächlich noch nie in meinem Leben die Grünen gewählt, fühle mich aber dennoch nicht von Grünen-Wählern in besonderem Maße abgelehnt.

Das ist ja auch nochmal wieder ein anderer Punkt. Wenn man mit jemandem politisch diskutiert, finde ich das relativ normal, dass derjenige seinen eigenen Standpunkt verteidigt, und vielleicht auch keine Lust hat, alles mehrmals am Tag wieder von vorne zu erklären.

Aber das ist etwas vollkommen anderes, als sich im Alltag nur unter politischen Seinesgleichen zu bewegen und andere als Menschen abzuwerten. Wenn ich mich bspw. über die SPD äußere, bin ich recht sicher, dass das durchaus gelegentlich als „von oben herab“ o.ä. empfunden werden kann. Trotzdem hab ich nichts gegen die Personen an sich, und wenn ich es beim Fußball, in der Kneipe oder auf der Familienfeier harmonisch haben will, unterhalte ich mich vielleicht gerne mal über andere Themen.

Das gilt allerdings nicht für Rechtsextreme. Mit denen möchte ich tatsächlich nichts zu tun haben, und da geht mir das Narrativ von der „drohenden Spaltung der Gesellschaft“ auf die Nerven. Ich halte es für vollkommen notwendig, dort eine Spaltung zu vollziehen, aber viele Konservative ziehen diese Spaltung eben lieber links von sich durch, und stehen daher ebenfalls auf der falschen Seite.

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Eine Podcast- und/oder Buchempfehlung dazu (vielleicht den meisten hier auch schon bekannt): 180 Grad - Geschichten gegen den Hass von Bastian Berbner: hundert-achtzig.de

Insbesondere, wenn man sich für Ansätze zu Lösungen des Problems interessiert.

Gut. Streiche diesen letzten Satz.
Ich meine, das die Kampagnen (von BILD, CDU, AfD) schon ziemlich überzogen waren und man deshalb etwas aufpassen sollte, diese nicht zu bestärken.
Die Studie besagt ja anscheinend, dass sich eben nicht nur AfD und Grünen-Wähler in der eigenen Blase bewegen.

Das meinte ich ja, es ging eben nur darum dass dort die Ablehnung anderer Blasen eben am größten ist und ich dieses Gefühl in Zügen teilen kann.

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Ich glaube ich muss hier etwas gerade ziehen. Mich hat auch irritiert, warum die TAZ nur AfD und Grüne als besonders homogene Gruppen darstellt und nicht auch andere Parteien.

Daher habe ich heute Abend mal zwei Stunden investiert und mir die Originalquelle[1] zu Gemüte geführt. Dabei habe ich festgestellt, dass die Darstellung der TAZ grenzwertig ist. Man hat nämlich mit den Quelldaten Antipoden definiert, bspw. Reiche und Arme, Christen und Muslime, Akademiker und Ungebildete, ebenso wie Grünen-nahe und AfD-nahe (wobei letzterer Gegensatz durch Datenanalyse als maximaler Gegensatz in der politischen Dimension zuvor analytisch nachgewiesen wurde).

Die weitere Analyse berücksicht also nicht explizit Anhänger von SPD oder Union, sondern vergleicht die entsprechenden Antipoden hinsichtlich diverser Merkmale wie Einkommensgruppe, Bildungsgrad, politische Verortung, Migrationshintergrund, Verstädterungsgrad usw., aber auch der persönlichen Einstellung gegenüber den Merkmalen der gegenteiligen Gruppe.

Und so muss man den Befund wohl anders lesen. Die Gruppenhomogenität ist in den AfD-nahen und Grünen-nahen Kohorten höher als in allen anderen Kohorten.

Das heißt, die Menschen in diesen Kohorten sind sich sehr ähnlich in Bezug auf die untersuchten Merkmale, wie bspw. Einkommensgruppe, Bildungsgrad, politische Verortung, Migrationshintergrund, Verstädterungsgrad usw…

Oder anschaulicher, es ist leichter Menschen entsprechend der Gruppe AfD-nah bzw. Grünen-nah Merkmale zuzuordnen als basierend auf deren Bildungsniveau oder ob sie im Osten oder Westen leben. Grüne- und AfD-nahe Personen scheinen einfach sehr picky bei der Wahl ihrer Bekannten zu sein und unähnliche Personen (bewusst oder unbewusst) eher auszugrenzen als das beispielsweise arme oder christliche Menschen tun.

Und sie scheinen den Einstellungen/Merkmalen der diametral gegenüberstehenden Gruppe weit ablehnender gegenüber zu stehen als bspw. Arme gegenüber Reichen oder Muslime gegenüber Christen.

[1] https://fgz-risc.de/fileadmin/media/documents/FGZ_Zusammenhaltsbericht_2023.pdf

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Super, dass Du das gemacht hast! Verändert die Aussage gegenüber dem taz-Artikel ja schon deutlich.