Soll TTIP neu aufgesetzt werden?

Ihr wolltet Meinungen hören:

Chlorhähnchen waren ein schwaches Schlagwort gegen TTIP. Die Frage ist: warum sollen zwei hochentwickelte Wirtschaftsräume ihre Waren so intensiv austauschen, wenn in jedem Raum ausreichend Anbieter für jede Art von Waren eine gute, wettbewerbmässige Versorgung sichern?

Es würden verstärkt Anreize für sehr grosse Unternehmen gesetzt, Konkurrenten im jeweils anderen Markt mit mehr oder weniger fairen Mitteln zu verdrängen. Das Argument eines reichhaltigeren Warenangebots, wie beim ersten Versuch ziemlich nach vorne gestellt, läuft mE ins Leere. Das Angebot ist jetzt schon unübersichtlich und die Unterscheidbarkeit der meist gleichwertigen Angebote wird durch Werbung künstlich hergestellt.

Es ergäben sich Probleme, die wir gerade jetzt nicht mehr übersehen dürfen, nämlich die völlig unnotwendigen Transporte über Kreuz, mit entsprechender Umweltbelastung und dem Energieverbrauch. Ausserdem würde eine neue Runde von Verdrängungswettbewerb die Gefüge der jeweiligen Märkte, die sich wie gesagt selbst versorgen können ohne Nachteile, angreifen.

Und dann kommen noch die privaten Schiedsgerichte ins Spiel, die Klagen auf „entgangene Gewinne“ Recht geben und eine vernünftige Umweltpolitik riskant machen würden.

Ich stelle mir eine globale Wirtschaft vor, in der möglichst jede Region sich selbst mit den notwendigen Waren versorgen kann und nur neueste High-Tech-Produkte mit einem hohen Wert je Gewichtseinheit einen weiten Transport rechtfertigen.

(Und Danke für die zuverlässig hohe Qualität der LdN!)

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Wichtig ist, hier nicht nur die Perspektive der Konsumenten zu betrachten, sondern auch die Perspektive der Unternehmen. Gerade im Hinblick auf Zulieferer gibt es durchaus Bereiche, in denen das Angebot innerhalb des eigenen Wirtschaftsraumes (z.B. Europa) eher begrenzt ist - oder gar einzelne Firmen monopolartige Stellungen haben.

Dazu kommt eben das politische Argument: Im Rahmen des Umweltschutzes wäre weniger Globalisierung vermutlich tatsächlich hilfreich, aber die politische Stabilität der letzten Jahrzehnte (dh. keine Kriege zwischen Demokratien) begründet sich meines Erachtens auch sehr stark auf die miteinander verflochtenen Wirtschaften. Der Angriffskrieg Russlands zeigt eben, was wir vorher alle schon wussten: Ein Krieg zweier stark verwobener Wirtschaftsräume erzeugt für alle beteiligten Seiten so hohe Kosten, dass er sich eigentlich nicht lohnen kann. Wenn ein Wirtschaftsraum hingegen weitestgehend Autark ist, fällt dieser Punkt weg und Kriege werden „lohnenswerter“, weil ein maßgeblicher Nachteil wegfällt.

Dazu kommt das Argument der Völkerverständigung, vor allem auf der Ebene der Unternehmen. Permanent international in Kommunikation zu stehen bewirkt in jedem Fall etwas, ebenso wie der Konsum traditioneller ausländischer Produkte ein winziges Stück kulturellen Austausch schafft. Diese Effekte werden oft belächelt, aber hier ist es ähnlich wie mit der Sprache: Solche Dinge wirken wesentlich tiefer, als den meisten Menschen bewusst ist.

Ich bin daher hier für ein gesundes Mittelmaß. Die ökologischen Kosten von langen Transportwegen müssen stärker in die Kalkulation einbezogen werden (z.B. über einen CO2-Preis), aber dennoch bin ich klar für eine starke internationale Verzahnung möglichst aller Märkte, daher: Keine Autarkie, aber auch keine Abhängigkeit von einzelnen Ländern (wie z.B. beim Gas damals von Russland oder bei allem anderen von China…). Wenn TTIP z.B. den Handel zwischen Europa und Kanada stärkt und damit ein Stück weit der Einfluss Chinas abgelöst werden kann, ist das in jedem Fall hilfreich, um eine zu starke Abhängigkeit von einem Handelspartner zu verhindern.

Es geht wie immer um Abwägungen - und hier sollte man stets alle relevanten Faktoren beachten und den Blick nicht nur auf einen Faktor (z.B. die Ökologie) beschränken, auch wenn dieser eine Faktor aktuell extrem wichtig ist.

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Ich würde gern noch zwei Punkte hinzufügen.

  1. Es gibt auch Industrien, in denen eine einzelne oder eine handvoll effiziente Fabriken bereits den gesamten europäischen Bedarf stark übersteigen. Freihandelsabkommen machen es dann leichter solche Waren ins Auslands abzusetzen.
    Da geht es meist um extrem spezialisierte Produkte. Kleinere, dafür weltweit verteilte Anlagen würden hingegen schnell weniger effizient sein. Zumal die Vorprodukte für diese Industrien ebenfalls vor Ort vorhanden sein müssten, was noch mehr Ineffizienzen verusachen kann.

  2. Apropos Vorprodukte. Gerade aktuell dürften wir sehen wie wichtig es für eine Wirtschaft ist Risiken weltweit zu verteilen. Die, die gegen CETA, TTIP und andere Freihandelsabkommen und Globalisierung plädieren, vergessen was passiert wenn ein Ereignis unsere heimische Wirtschaft erheblich stören würde (zum Beispiel wenn Russland Europa den Gashahn abdreht). Ohne eine globalisierte Wirtschaft legen wir all unsere Eier in den hemischen Korb, bis der Henkel halt mal bricht.

Richtig wäre eine ausgewogene Mischung zwischen Globalisierung (mit Freihandel) und lokaler Produktion zu schaffen. Lebensmittel sollten sicher hauptsächlich lokal produziert werden, während es bei Elektronik einen Mittelweg geben sollte und hochspezialisierte Schwerindustrie ohne Bottleneck-Wirkung sicher ohne Probleme auch mal zentral produziert werden kann.

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Du wirfst da nen bissle was durch einander. Die These „Demokratien führen keine Kriege““ gegeneinander“ beruht auf internen demokratischen Strukturen und Präferenzen der Staatsbürger. Das ist nicht entkoppelt von wirtschaftlichen Kosten, umfasst aber mehr. Während der Handelsfrieden keine Demokratien braucht und vom Staat auch als geschlossener Akteur ausgehen kann. Die Theorien ergänzen sich ganz gut das stimmt, aber der Handelsfrieden ist wesentlich ambivalenter.
Grundsätzlich gilt hier: bilateraler Handel erhöht die Kosten für einen Krieg zwischen den Handelspartnern. Multilateraler Handel, sprich Globalisierung, senkt die Kosten für einen lokal begrenzten Krieg, erhöht sie allerdings für einen globalen. Sprich Globalisierung erhöht die Wahrscheinlichkeit für lokale Kriege bspw Kriege mit Nachbarn.

Je nach Produktionsfaktoren wirds glaube ich schwierig, quasi sektorielle Globalisierung zu machen. Die Staaten lassen sich ja nur auf Abkommen ein, die ihren Produktionsfaktoren entsprechen. Bspw. Europäische Landwirtschaft wirst du nur durch starke Subventionierung bekommen. Wahrscheinlich stärker als diese ohnehin schon ist. Glaube, die meisten Länder (abgesehen jetzt von so Ländern wie Süd Korea oder Japan) haben da mehr Ressourcen als die EU.

Btw gerade stehen die Zeichen auf Protektionismus, auch bei der EU.

Leider ist das eine korrekte Beobachtung, wobei der Protektionismus der EU vor allem eine Reaktion auf die Entwicklung in den USA und China ist. Wenn die EU langfristig eine dritte Weltmacht neben den USA und China sein will, muss sie auf deren Protektionismus irgendwie reagieren. Immer nur die andere Wange hinhalten wird hier keine Lösung sein.

Letztlich sollten diese Handelsabkommen ja genau dazu dienen, Protektionismus zu verhindern. Daher z.B.: Die EU und die USA einigen sich darauf, gegenseitig keine Zölle zu erheben und andere protektionistische Maßnahmen zu erlassen. Das ist ja letztlich der gesamte Sinn der Freihandelsabkommen, denn Freihandel bedeutet ja gerade, dass man (i.d.R. protektionistische) Schranken abbauen will.

Oder anders gesagt:
Uns in Europa kann es egal sein, wenn die USA generell extrem protektionistische Maßnahmen fahren, so lange wir von diesen Maßnahmen ausgenommen sind. Im Gegenteil sogar, in diesem Fall hat Europa dadurch, dass es keine solche Maßnahmen trifft, sogar einen Standortvorteil gegenüber den USA gegenüber dem Rest der Welt.

Daher: Freihandelsabkommen sind möglicherweise der einzige Weg, protektionistische Maßnahmen zwischen Europa und den USA abzubauen.

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Ich stelle mir generell die Frage, warum es bei Freihandelsabkommen immer der große Wurf sein muss.
Was spricht dagegen einzelne Branchen sequentiell von Strafzöllen zu befreien?
Die EU könnte beispielsweise als Zeichen des guten Willens Zölle metallischer Vorprodukte senken und die USA quid pro quo deren Zölle senken.
Dadurch könnten unbürokratisch Handelsbarrieren gesenkt werden und Handelsabkommen würden sich nicht an Kleinigkeiten, wie Chlorhühner etc. aufhängen.
Wahrscheinlich gibt triftige juristische Argumente, worüber ich mich natürlich freuen würde zu hören.

Naja, das passiert doch ständig. Also ein Land führt Zölle ein oder beschwert sich über die Zölle eines anderen Landes, Vertreter beider Länder reden miteinander und man findet irgendeine Einigung, i.d.R. ein gegenseitiger Verzicht.

Das Problem ist natürlich, dass hunderte Einzel-Abkommen (z.B. zwischen den USA und einzelnen EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich) irgendwann für alle Beteiligten, vor allem die davon betroffenen Betriebe, unübersichtlich werden. Ein klares Rahmen-Regelwerk, macht schon Sinn.

Das Problem ist natürlich, dass jede Nation ihre Partikularinteressen in dieses Rahmen-Regelwerk drücken will, sodass dort auch teilweise Dinge auftauchen, die man tatsächlich vernünftigerweise einfach raus lassen sollte, weil man weiß, dass sie strittig sind. Aber das ist halt genau der Haken: Gerade weil man weiß, dass man diese Einzelpunkte einzeln nie durchbekommen würde, versucht man, sie in ein Gesamtpaket zu packen, welches im Ergebnis attraktiv für beide Seiten ist.

Sowas passiert bei allen internationalen Vertragsverhandlungen. Ein Blick auf den Investitionsrichtlinien-Streit in der EU z.B. zeigt, dass sowas auch hier passiert, wenn Deutschland Erdgas als erneuerbare Energie durchpresst und Frankreich dafür seinen Atomstrom grün deklarieren darf.

Die Frage ist halt immer:
Sind die Kröten, die man in solchen Paket-Deals schlucken muss, so groß, dass sie die Vorteile überwiegen? Und in den meisten Fällen scheinen die Staaten zu denken, dass die Vorteile überwiegen.

Ulf und Philipp haben in der letzten Folge erwähnt, dass es für die Aufregung um das Chlorhühnchen seinerzeit gute Gründe gegeben habe.

Kann mir jemand sagen was diese Gründe gewesen sein sollen? Die Behandlung mit Chlor reduziert die Keimbelastung des Fleisches deutlich, ist geschmacksneutral und mir ist keine wissenschaftliche Meta-Studie bekannt, die eine ernsthafte gesundheitlich-bedenkliche Wirkung belegt hat (aber ich kenne sicher auch nicht alles).

Habt ihr da mehr Wissen oder handelte es sich beim Chlorhühnchen vielleicht um eine Kampagne verschiedener Interessensverbände?

Ich glaube immer noch, dass die Amis mehr Angst vor unserem Antibiotika-Fleisch haben sollten. Die Kampagnen damals war sehr ideologisch und wissenschaftsfern.

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defacto haben die aber glaube ich vor allem Angst vor französischem Rohmilch- und Milbenkäse ^^

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Wie sähe der Weltmarkt aus, würde man ALLE ökologischen Kosten auf die Warenwerte anrechnen? Und zwar nicht Feigenblätter wie „Kompensation“ von Flugreisen! Hiesse doch, das Pferd von vorne aufzuzäumen und nachfolgend rechnen was nachfolgend kommt. Der jetzige Zustand basiert ziemlich auf dem Recht des Stärkeren (Frankreich presst seinen ehemaligen westafrikanischen Kolonien das Uran zu einem Drittel des Weltmarktpreises ab z.B.).

Wenn Vorprodukte fehlen, werden sich regionale Produzenten finden. Die Arbeitsteilung jetzigen Zuschnitts ist eben nur möglich mit dem Ausklammern der Schäden durch die exzessiven Transporte, die auch ungünstige Verhältnisse von Warenwert zu Gewicht rentabel machen (Granit aus China, Plastikramsch aus China, Fleisch und Futtermittel aus Südamerika).

Je positiver das Verhältnis Warenwert zu Gewicht ist (High-Tech-Produkte), umso längere Transportwege wären noch rentabel.

Auch die regionalen Verzahnungen würden mE so gut wie der jetzige Welthandel zur Friedenssicherung und Völkerverständigung beitragen, denn indirekt ist dann immer noch jede Region mit jeder anderen Region auf der Welt verbunden über die jeweiligen Nachbarregionen, und die schnelle Datenkommunikation bliebe ja bestehen.

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Ich denke TTIP würde einfach nur dazu führen, dass nochmehr unnötiges Zeug um die Welt geschifft wird. Weiterhin nach dem Motto: Wachstum über alles. Des Weiteren macht man sich nur noch abhängiger von den USA, was uns spätestens das nächste mal wenn die Republikaner an die Macht kommen, sowas von auf die Füße fallen wird. Außerdem sind die USA längst nicht so weit was den Klimaschutz angeht, wie die Europäer. Was bedeuten würde sowas CO2 import Zölle würde es vermutlich nicht in TTIP geben und da da dann wieder zig Lobbyisten mitschreiben, würde TTIP vermutlich so gestaltet, dass CO2 import Zölle im Nachhinein gar nicht mehr möglich sind.

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Das ist der Punkt: Klagen auf entgangene Gewinne darf es nicht geben. Auch eine teilweise Verlagerung der Justiz in private Schiedsgericht muss verhindert werden. (Meines Wissens war das auch der Grund, warum Merkel sich gegen TTIP ausgesprochen hat)
Chlor-Hühnchen sind mir vergleichsweise egal. Ich muss das Zeug ja nicht kaufen. Das damit mehr oder weniger einhergehende Aufweichen von Umwelt- und Tierschutz-Bestimmungen finde ich ihn gegen wieder kritisch.

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Die privaten Schiedsgerichte waren damals der Punkt an dem ich gesagt habe: „Egal was da sonst noch geplant ist - das ist undemokratisch, das geht nicht, ich will nicht dass wir da mitmachen“

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Aber das gibt es doch normal auch. Der einzige Unterschied ist, ob es staatliche Gerichte oder private Schiedsgerichte sind.

Auch beim Atom- oder beim Kohleausstieg konnten die betroffenen Unternehmen entgangene Gewinne einklagen, schließlich haben sie ja im Glauben an ein geltendes Recht investiert und können nicht vorhersehen ob 4 Jahre später eine Regierung die Wende macht.

Die Handelsabkommen der Europäischen Union gehen seit Jahren über den bloßen Austausch von Waren hinaus. Insbesondere in den Bereichen Umwelt- und Arbeitsschutzbestimmungen sowie zusehends auch im Bereich der Menschenrechte sollen Standards beim gegenüber verankert werden. Dass das bei einigen „nicht westlichen“ Handelspartnern nicht zu dem erhofften Effekt von Wandel durch Handel geführt hat, sollte nicht dazu führen, auch bei demokratischen Partnern von den eigenen Zielen abzurücken. Im Gegenteil sollte der Austausch hier vermutlich sogar intensiviert werden (siehe CETA).
Die EU könnte damit vielleicht sogar Umweltstandards in den USA anheben.
Problemtisch wird jedoch sicherlich - ebenfalls wie bei CETA - der Einfluss von Schiedsgerichten.

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Es spielt keine Rolle ob das auch jetzt schon möglich ist. Man muss es ja nicht schlimmer machen.

Wenn das Gesundheitsamt notwendige Hygienegesetze erlässt - meinen Sie, dass ein kleines Restaurant dann auf entgangene Gewinne klagen kann? Wieso soll man Konzernen dieses Recht einräumen?
Aber das ist nicht der Punkt:
Wenn Gesetze erlassen werden, dann (hoffentlich) weil es dringend notwendig ist. Zum Beispiel Klimaschutzgesetze. Und ich möchte nicht, dass aus privaten Interessen gegen notwendige Klimaschutzgesetze geklagt werden kann.

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Also vielleicht sollten wir erst mal eine gemeinsame Diskussionsbasis schaffen. Bei dem strittigen Punkt geht es um sogenannte „Investitionsschutzabkommen“, ich empfehle einfach mal den Wikipedia-Artikel dazu, der ist inhaltlich ausführlich genug für die Basics.

Der wichtige Unterschied zu deinem Beispiel ist:
Die an Investitionsschutzabkommen beteiligten Staaten haben ein Interesse daran, dass diese Abkommen geschlossen werden. Denn die Staaten wollen ihre Unternehmen davor schützen, dass der jeweilige Vertragspartner (also der andere Staat) deren Investitionen im Ausland durch plötzliche Gesetzesänderungen nachträglich unrentabel macht. Daran haben alle beteiligten Staaten ein grundsätzliches Interesse.

Diese Investitionsschutzabkommen sind dabei relativ detailliert - es ist nicht so, dass jede staatliche Regulierung, die zu einer Verschlechterung einer Investition führt, sofort zur (erfolgreichen) Klage führt. Es geht eher darum, dass die Staaten Regulierungen rechtzeitig ankündigen müssen und - wenn sie das wegen Zeitdruck nicht kann - die Unternehmen entschädigen. Das gilt wie andere schon gesagt haben auf nationaler Ebene seit jeher (siehe Kohleausstieg, Atomausstieg…) und wird auch auf internationaler Ebene so praktiziert, durch Investitionsschutzabkommen wird lediglich ein klarerer Rahmen getroffen. Denn ohne diesen Rahmen gelten in Europa z.B. lockerere Vorschriften über die Entschädigung von Unternehmen als in den USA, was dazu führen würde, dass US-Unternehmen in Europa gegenüber EU-Unternehmen in den USA benachteiligt wären. Genau das will man mit diesen Abkommen verhindern - man will im Prinzip das Recht zwischen den beiden Vertragspartnern vereinheitlichen, und das macht definitiv Sinn.

Was man kritisieren kann, ist, dass diese Angelegenheiten im Rahmen dieser Abkommen von privatrechtlichen Schiedsgerichten und nicht von staatlichen Gerichten geregelt werden sollen. Da gibt es natürlich die Befürchtung, dass die privatrechtlichen Schiedsgerichte eher im Interesse der Unternehmen und gegen die Interessen der Staaten entscheiden.

Aber der Fairness halber muss man sagen, dass umgekehrt der Vorwurf auch besteht: Daher z.B. dass ein US-Gericht eher im Sinne der USA als im Sinne eines europäischen Unternehmens entscheiden könnte - oder ein deutsches Gericht eher im Sinne des deutschen Staates als eines amerikanischen Unternehmens. Auch hier geht es den beiden beteiligten Staaten darum, eine Benachteiligung einer der beiden Vertragsparteien zu verhindern. Deshalb einigt man sich darauf, dass die Schiedsgerichte aus Vertretern beider Staaten besetzt werden. Oft arbeiten an solchen Schiedsgerichten dann übrigens klassische Richter aus den Mitgliedsstaaten, oft auch pensionierte Richter, die noch nicht in den Ruhestand wollen. Es ist nicht so, dass dort dann Amateure Recht sprechen würden.

Die Befürchtung, dass die internationalen Schiedsgerichte schlampig oder einseitig arbeiten könnten, ist durchaus berechtigt - aber es wird oft wesentlich zu schwarz-weiß gemalt, die Hintergründe und durchaus gewichtigen Gründe, warum sich die Staaten in solchen Abkommen für internationale Schiedsgerichte entscheiden, werden selten bis nie erörtert. Die Schiedsgerichte werden meiner Einschätzung nach nicht der Untergang des Abendlandes sein, der in ihnen gerne gesehen wird - eben weil sie nur aus der Angst der Staaten heraus existieren, dass die staatlichen Gerichte der Gegenseite unfaire Urteile sprechen könnten. Wenn die Schiedsgerichte nun konsequent gegen staatliche Interessen agieren würden, ist relativ klar, dass diese Abkommen nicht lange Bestand hätten…

In diesem Sinne wünsche ich mir in dieser Diskussion etwas mehr Besonnenheit und weniger blanke Panik. Wenn man das Thema „Internationale Schiedsgerichte“ googelt bekommt man den Eindruck, dass das die pure Apokalypse sei…

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Klagen. Auf entgangene Gewinne ist das abwälzen des unternehmerischen Risikos auf den Steuerzahler.
So etwas darf nicht weiter zugelassen werden.

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Okay, also ich habe versucht, zu erklären, warum Staaten (als Vertreter der Steuerzahler) zu diesem Mittel in Investitionsschutzabkommen tendieren. Deine Antwort zeigt leider, dass du nicht willens bist, dich mit der Argumentation der Gegenseite auseinander zu setzen, sondern nur auf deiner pauschalen Position beharrst.

Ich sage nicht, dass deine Position falsch ist, ich sage nur, dass du schrecklich undifferenziert an die Sache rangehst. Ich wiederhole noch mal den Kernpunkt: Grund für die Investitionsschutzabkommen, die diese Klagen zulassen, ist, dass es weniger um einen Konflikt zwischen „dem Steuerzahlen“ und „den Unternehmen“ geht, sondern die Parteien viel mehr „der Amerikanische Steuerzahler“, „der Europäische Steuerzahler“, „die Amerikanischen Unternehmen“ und „die Europäischen Unternehmen“ sind und es darum geht, zwischen diesen vier Interessenlagen einen Ausgleich zu finden.

Dein Satz passt zwar prima auf ein Wahlplakat, hat aber das typische Problem von Wahlplakat-Sprüchen: Er stellt komplexe Probleme gefährlich verkürzt und damit populistisch dar. Das bedeutet übrigens nicht, dass ich für internationale Schiedsgerichte und für Klagen auf entgangene Gewinne im Rahmen eines Investitionsschutzabkommens bin - ich bin da tatsächlich ziemlich hin- und hergerissen, eben weil ich mich mit den Argumenten beider Seiten auseinandersetze ich und verstehen kann, dass beide Seiten durchaus Gründe dafür haben, warum sie ihre Position vertreten, und beide Seiten auch durchaus Vorteile sowie Nachteile haben. Ob die Vor- oder Nachteile überwiegen hängt eben davon ab, ob das Worst Case Szenario eintritt (Unternehmen beider Länder verbünden sich gegen die Staaten und die Schiedsgerichte urteilen sich einseitig zu Gunsten der Unternehmen; davon gehen die Gegner aus) oder eher ein Average Case Szenario (die Schiedsgerichte werden kompetent besetzt und verhalten sich zumindest grob wie normale Gerichte; davon gehen die Staaten aus, sonst würden sie dem nicht zustimmen).

Ich würde mir auch in dieser Diskussion mehr Argumente der strikten Gegner der Investitionsschutzabkommen wünschen. Diese Abkommen sollen Investitionen im Partnerstaat sicherer machen und dazu führen, dass es mehr Investitionen zwischen diesen Staaten gibt - davon profitieren beide Staaten ebenso wie die Unternehmen beider Staaten. Das ist der Grund, warum Staaten bereit sind, ein kleines Stück Souveränität aufzugeben. Das kann man aus guten Gründen kritisieren, es gibt genug Raum für gute Argumente dagegen. Aber da erwarte ich mehr als Zweizeiler…

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