Also vielleicht sollten wir erst mal eine gemeinsame Diskussionsbasis schaffen. Bei dem strittigen Punkt geht es um sogenannte „Investitionsschutzabkommen“, ich empfehle einfach mal den Wikipedia-Artikel dazu, der ist inhaltlich ausführlich genug für die Basics.
Der wichtige Unterschied zu deinem Beispiel ist:
Die an Investitionsschutzabkommen beteiligten Staaten haben ein Interesse daran, dass diese Abkommen geschlossen werden. Denn die Staaten wollen ihre Unternehmen davor schützen, dass der jeweilige Vertragspartner (also der andere Staat) deren Investitionen im Ausland durch plötzliche Gesetzesänderungen nachträglich unrentabel macht. Daran haben alle beteiligten Staaten ein grundsätzliches Interesse.
Diese Investitionsschutzabkommen sind dabei relativ detailliert - es ist nicht so, dass jede staatliche Regulierung, die zu einer Verschlechterung einer Investition führt, sofort zur (erfolgreichen) Klage führt. Es geht eher darum, dass die Staaten Regulierungen rechtzeitig ankündigen müssen und - wenn sie das wegen Zeitdruck nicht kann - die Unternehmen entschädigen. Das gilt wie andere schon gesagt haben auf nationaler Ebene seit jeher (siehe Kohleausstieg, Atomausstieg…) und wird auch auf internationaler Ebene so praktiziert, durch Investitionsschutzabkommen wird lediglich ein klarerer Rahmen getroffen. Denn ohne diesen Rahmen gelten in Europa z.B. lockerere Vorschriften über die Entschädigung von Unternehmen als in den USA, was dazu führen würde, dass US-Unternehmen in Europa gegenüber EU-Unternehmen in den USA benachteiligt wären. Genau das will man mit diesen Abkommen verhindern - man will im Prinzip das Recht zwischen den beiden Vertragspartnern vereinheitlichen, und das macht definitiv Sinn.
Was man kritisieren kann, ist, dass diese Angelegenheiten im Rahmen dieser Abkommen von privatrechtlichen Schiedsgerichten und nicht von staatlichen Gerichten geregelt werden sollen. Da gibt es natürlich die Befürchtung, dass die privatrechtlichen Schiedsgerichte eher im Interesse der Unternehmen und gegen die Interessen der Staaten entscheiden.
Aber der Fairness halber muss man sagen, dass umgekehrt der Vorwurf auch besteht: Daher z.B. dass ein US-Gericht eher im Sinne der USA als im Sinne eines europäischen Unternehmens entscheiden könnte - oder ein deutsches Gericht eher im Sinne des deutschen Staates als eines amerikanischen Unternehmens. Auch hier geht es den beiden beteiligten Staaten darum, eine Benachteiligung einer der beiden Vertragsparteien zu verhindern. Deshalb einigt man sich darauf, dass die Schiedsgerichte aus Vertretern beider Staaten besetzt werden. Oft arbeiten an solchen Schiedsgerichten dann übrigens klassische Richter aus den Mitgliedsstaaten, oft auch pensionierte Richter, die noch nicht in den Ruhestand wollen. Es ist nicht so, dass dort dann Amateure Recht sprechen würden.
Die Befürchtung, dass die internationalen Schiedsgerichte schlampig oder einseitig arbeiten könnten, ist durchaus berechtigt - aber es wird oft wesentlich zu schwarz-weiß gemalt, die Hintergründe und durchaus gewichtigen Gründe, warum sich die Staaten in solchen Abkommen für internationale Schiedsgerichte entscheiden, werden selten bis nie erörtert. Die Schiedsgerichte werden meiner Einschätzung nach nicht der Untergang des Abendlandes sein, der in ihnen gerne gesehen wird - eben weil sie nur aus der Angst der Staaten heraus existieren, dass die staatlichen Gerichte der Gegenseite unfaire Urteile sprechen könnten. Wenn die Schiedsgerichte nun konsequent gegen staatliche Interessen agieren würden, ist relativ klar, dass diese Abkommen nicht lange Bestand hätten…
In diesem Sinne wünsche ich mir in dieser Diskussion etwas mehr Besonnenheit und weniger blanke Panik. Wenn man das Thema „Internationale Schiedsgerichte“ googelt bekommt man den Eindruck, dass das die pure Apokalypse sei…