Und wieder ziehen, diesmal in Gera, die Scheinspaziergänger vor Privathäuser von Mandatsträgern. Eine grundsätzliche Frage dazu, die aber in eine andere Richtung geht, wie wir unsere Demokratie stärken. Deswegen ein neuer Threat.
Ich bin einfach nur entsetzt, wie hier die Spielregeln des demokratischen Diskurses zerstört werden. Die Debatte gehört in den öffentlichen Raum und das Private, Familie, Kinder, Nachbarn etc. müssen geschützt bleiben. Verantwortungsbereite Menschen, die aber selbstverständlich auch das Wohl ihrer Familien im Blick haben, werden durch die Konfrontation im Privaten noch mehr aus der Politik vertrieben. Gerade diejenigen, die das harte Brot der Lokalpolitik betreiben, werden zur Zielscheibe. Das ist fürchterlich.
Zugleich bin ich erschrocken, in den Onlinedebatten dazu dann auch etliche Beispiele zu lesen, wie diese Proteste im Privatumfeld nichts neues sind, und auch von links schon länger immer wieder vorkommen - nicht nur einzelne Farbbeutelwürfe. z.B. auch Herr Kemmerichs Kinder konnten nach dem Thüringendebakel zeitweise nur noch mit Polizeischutz in die Schule. Habe das jetzt erst erfahren. Mir ist nicht in Erinnerung, dass es hier - egal wie katastrophal seine Entscheidung bei der Wahl durch die AfD war - dass es da einen breiten Aufschrei und Solidarität mit Kemmerich aus demokratischem Prinzip gab.
Hat die Antifa und wir alle, die achselzuckend-zustimmend, das ignoriert oder mitgetragen, hier etwas angelegt, gegen das wir jetzt nicht mehr glaubwürdig protestieren können, weil es uns anscheinend doch nicht um das Prinzip geht, sondern um die Themen?
Warum darf das Zentrum für politische Schönheit neben dem Haus von Bernd Höcke eine „Kunstaktion“ durchführen, die doch erstaunlich viele gut finden? Aber wenn beim Bürgermeister in Gera „vorbeispaziert“ wird, dann schreien wir alle auf - machen wir uns als Demokraten da nicht unglaubwürdig? Oder ist die Form entscheidend, wie man Politiker zu Hause „besucht“?
Gerade beim Kampf gegen Rechts und die Antidemokraten müssen wir m.E. um der Legitimität unserer Demokratie willen als allgemeiner Ordnung noch viel mehr drauf achten, immer zu 100 Prozent die demokratischen Spielregeln und unsere allgemeinen Prinzipien einzuhalten. Nur dann haben wir die Chance, dass die Nazis eine (möglichst kleine) Gruppe unter sich bleiben, ihr Dunstkreis an Zustimmung schrumpft und wir Demokraten und unsere Ablehnung der Demokratiefeinde überzeugend und absolut glaubwürdig bleiben. Etwas anderes als unsere Legitimität haben wir am Ende nicht - siehe USA, wenn das Vertrauen verschwindet, stirbt die Demokratie. Sollten wir nicht zur Stärkung unserer demokratischen Kultur ähnlich konsequent protestieren, wenn beim Einsatz gegen AfD, Nazis und Querdenker demokratische Grundregeln verletzt werden, damit wir auch glaubwürdig gegen sie protestieren können? Gerade weil uns dieser demokratische Rechtstaat so wichtig ist, müssen wir ihn immer und an jeder Stelle verteidigen, weil es gerade keine Willkürherrschaft ist.