Ich wohne und studiere seit letztem Herbst in Schweden und verfolge dementsprechend die Schwedischen aber auch nach wie vor die Deutschen Pandemiegeschehnisse, Statistiken, Verhaltensweisen, Einschränkungen etc. Was schnell klar ist: in Schweden ist viel erlaubt. Schulen und Kitas sind (und waren meines Wissen durchgängig) offen, man darf sich mit Freund:innen treffen, Restaurants, Läden, Fitnessstudios und Cafés haben offen und sind auch meist gut besucht. Masken sind nur in öffentlichen Verkehrsmitteln zu Stoßzeiten Pflicht bzw. empfohlen. Großveranstaltungen sind schon lange nicht mehr erlaubt - aber so ganz einfach verständliche und eindeutige Informationen sind auch nicht ganz leicht zu finden. Die Inzidenzwerte sind dementsprechend hoch, um Weihnachten herum waren sie astronomisch. Seit Februar sind jedoch die „Daily new confirmed COVID-19 deaths per million people“ und seit Januar die „Case Fatality Rate (CFR)“ in Schweden geringer als in Deutschland. Ich war sehr lange dem „Schwedischen Weg“ gegenüber enorm kritisch. Nun weiß ich weder was ich von letzterem, noch von dem deutschen immerwährenden, halbherzigen Lockdown halten soll. Mit scheint, dass in Schweden die Kollateralschäde wesentlich geringer sein werden (bzw. aktuell schon sind). Ich frage mich aber trotzdem woran die (zu DE) vergleichsweise* niedrigeren Todeszahlen in Schweden liegen, was sind die (strategischen) Unterschiede?
Ist Schweden einfach schon weiter „durchseucht“, sind viele der Risikopatient:innen bereits im ersten Lockdown verstorben, sind die Schwed:innen viel mehr im HomeOffice, wiese explodieren die Zahlen nicht sondern stagnieren bei einem Inzidenzlevel von ±200 (eher +), liegt es an anderen Lebensstilen, einer weiter verstreuten Population / geringeren Populationsdichte bzw. absolut gesehen der kleineren Bevölkerung, täuschen die Zahlen und an sich ist die Situation in Schweden doch schlimmer als in Deutschland (long-Covid habe ich hier noch nie gehört…), sollte sich Deutschland eine Scheibe von Schwedens Strategie abschneiden (Kinder durchgängig in der Schule hört sich für mich gesellschaftlich gesehen als unerlässlich an), hat Schweden überhaupt eine Strategie, was kann an dem schwedischen Weg aktuell kritisiert werden (die erste Welle muss nicht Diskutiert werden, das war Versagen auf breiter Front, ohne Frage… m.E.), gibt es Unterschiede in der Teststrategie, was ist mit Impungen?
Ich weiß diese Fragen nicht wirklich zu beantworten, finde sie aber unheimlich wichtig, weil wenn es auch ohne ein halb-harten und -herzigen, ewigen Lockdown mit enormen Kollateralschäden geht, sollte Deutschland langsam in Richtung umlenken oder würde das in einem Desaster enden (letzteres scheint mir naheliegender)? Ich bin mit meinem Latein am Ende und würde mich über eine Einschätzung der Lage (pun intended) sehr freuen.
Liebste Grüße aus Schweden (von wo natürlich stets die Lage der Nation verfolgt wird)
*Die CFR und Daily new confirmed COVID-19 deaths per million people anderer Nordics (Dänemark, Norwegen, Finnland) liegen unter denen von Schweden