Schuldenbremse, Sondervermögen: Instandhaltungsinvestitionen, Inflation, Crowding Out, zeitliche Begrenzung, Reform der Schuldenbremse

Ich habe die LdN noch nicht gehört. Sollten diese fünf Aspekte dort behandelt worden sein, dann schließt bitte diesen Thread.

Ich begrüße die Beschlüsse der Noch-nicht-und-auch-schon-gar-nicht-Großen-Koalition in Bezug auf Sondervermögen für Infrastruktur und Ausnahme der Verteidigung aus der Schuldenbremse. Das ist ein Befreiungschlag (bei dem Merz sich - mal wieder - als grandioser Lüger gezeigt hat)

Ich würde mir wünschen, dass dabei aber fünf Dinge berücksichtigt werden, am besten regulatorische innerhalb Schuldenbremse:

  1. Das Bazooka-Sondervermögen für Infrastruktur darf nicht dazu führen, dass die Bundes- und Landeshaushalte ihre Ausgaben für Infrastrukturinstandhaltung zurückfahren! Der Staat sollte verpflichtet sein, die Investitionen, die er getätigt hat, instandzuhalten. Nur das Nachholen unterlassener (1) Instandhaltung oder (2) Modernisierungen dürfen aus dem Sondervermögen bezahlt werden.
  2. Der Staat muss bei seinen massiven Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung peinlich genau darauf achten, dass dadurch nicht die Inflation steigt.
  3. Der Staat muss bei der massigen Aufnahme der Kredite peinlich genau darauf achten, dass dadurch nicht die allgemeinen Kreditzinsen steigen und daher private Investitionen zurück gehen (crowding out).
  4. Die Ausnahme der Verteidigung aus der Schuldenbremse sollte zeitlich begrenzt werden. Wenn die Bundeswehr wieder in der Lage ist, wirksam abschreckend zu sein, sollten die die Kosten für die Aufrechterhaltung dieses Status aus dem Haushalt finanziert werden und finanzierbar sein.
  5. Die jetzt verkündeten Maßnahmen ändern nicht daran, dass die Schuldenbremse in jedem Fall reformiert gehört (was mit denMehrhzeitsverhältnissen der nächsten Legislaturperiode nicht möglich sein wird). Staatliche Investitionen sollten ausgenommen werden.
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Aktuell ist ja offenbar noch gar nicht genau geklärt, für was genau diese Sondervermögen eingesetzt werden sollen.
Allerdings gibt es schon Hinweise, dass mit den Sondervermögen auch durch Verschiebungen „Platz“ im normalen Haushalt geschaffen werden soll.
Am deutlichsten wird das bei der Verteidigung. Dort waren im bisherigen Haushaltsentwurf für 2025 53,25 Mrd. als Verteidigungsausgaben vorgesehen, jetzt soll alles über 1% des BIP nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden. Das deutsche BIP beträgt ca. 4400Mrd., 1% sind also 44 Mrd. So spart man im normalen Haushalt für 2025 also rund 9 Mrd. Das ist eigentlich nicht der Sinn. (Ich frage mich, warum man diese Grenze nicht bei 2% zieht, die im NATO-Vertrag stehen, das sollte ein Land wie Deutschland doch ohne neue Schulden stemmen können).

Selbiges muss man bei der Infrastruktur befürchten:

„Die Ampel-Regierung hatte die jährlichen Ausgaben für die Bundesschienenwege verdoppelt. Für dieses Jahr waren 18,1 Milliarden Euro eingeplant, für Bundesfernstraßen 9,1 Milliarden Euro, für digitale Infrastruktur und Breitbandausbau 4,9 Milliarden Euro, für Wohnungsbau und Städtewesen 4,4 Milliarden Euro, für Bildung und Forschung 3,6 Milliarden Euro.“

Kommen die Ausgaben des Infrastukturpaketes obendrauf (dann wäre es zu begrüßen und ein echter Fortschritt) oder werden (zumindest Teile) dieser schon geplanten Kosten jetzt verschoben, um im regulären Haushalt neue Spielräume zu haben.

Ich hoffe, dass Grüne und FW vor ihrer eventuellen Zustimmung im Bundesrat auf diese Fragen sehr genau achten.
Würde mich freuen, wenn dazu genaueres bekannt ist, wenn sich die Lage dann diesem Thema nochmal vertieft widmet.

Quelle:

(Leider hinter Bezahlschranke)

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Könnte es mit den Zinsen zu tun haben?
Und damit, dass auch der reguläre Haushalt etwas „Beinfreiheit“ braucht?

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Das war ja die Überlegung. 2% des BIP sollte Deutschland nach dem NATO-Vertrag für Verteidigung ausgeben. Diese Summe, die ja jedes Jahr aufs Neue anfällt, sollte man aus dem normalen Haushalt stemmen. (Ich mache ja auch keine Schulden für Dinge, wie meine Wasserrechnung, die jedes Jahr wieder anfällt). Dafür fallen dann auch keine Zinsen an.
Über Sonderschulden sollte man den Nachholebedarf finanzieren, der sich aus der derzeitig angespannten Weltlage ergibt und den zu geringen Rüstungsausgaben der Vergangenheit ergibt.
Hoffen wir, dass es irgendwann wieder eine Situation gibt, in der man Geld für sinnvollere Dinge als Militär ausgeben kann.

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Gute Aufzählung, kann ich alles unterschreiben. :slight_smile:

Danke für die Hinweise, ich hatte das bisher nur bei der Verteidigung auf dem Schirm, weil die Zahlen da übersichtlicher sind.

Und es tut mir leid, dass ich da schon wieder auf der CDU rumhacken muss, aber solch ein Schulden-Verschiebemanöver zeigt mMn ja, dass es auch Abseits von Infrastruktur und Verteidigung Investitionsbedarf gibt.
Und diesem Bedarf hat sich die Union in den letzten Jahren immer verweigert und leugnet ihn quasi auch jetzt noch, indem die Union nicht zusammen mit Grünen und Linken im neuen Bundestag die Schuldenbremse abschafft, sondern sich erstmal einen großen Blankoscheck angeblich nur für Infrastruktur und Verteidigung holt.

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Naja, wenn jetzt nur 1% der Verteidigungsausgaben „gezählt“ werden, dann hat man sich ja schonmal mindestens 1% an Luft zur freien Verfügung verschafft.

Ich stelle immer mehr fest, wie ich jeden Respekt für unsere Politik verliere. Einfach nur Taschenspielertricks.

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Einerseits stimme ich dir zu, dass es wirklich billige Taschenspielertricks sind. Die Union sagt jetzt quasi: „Wie versprochen nehmen wir keine neuen Schulden für Konsum auf. Stattdessen nehmen wir Schulden für Verteidigungsaufgaben auf, die vormals aus dem regulären Haushalt bezahlt wurden, und schichten die Mittel aus dem Haushalt auf soziales um. Höhöhö!“

Das ist natürlich ein ganz billiger Trick und als CDU-Wähler sollte man darüber auch empört sein und einsehen, dass das, was Merz versprochen hat, schlicht eine Lüge war (was Scholz vor der Wahl auch ausdrücklich so prognostiziert hat…). Mein Problem ist nun: Ich bin kein CDU-Wähler, ich bin völlig zufrieden damit, dass die Schwarz-Rote Regierung jetzt mit dem „Fetisch der schwarzen Null“ zumindest faktisch aufhört. Deshalb sehe ich diese Taschenspielertricks eher als ein Problem der Konservativen an. Eben weil die Konservativen sich immer einreden, die neoliberale Politik würde funktionieren, dann aber in der Realität doch verstehen, dass man das zwar im Wahlkampf herausschreien kann, es aber nach der Wahl dann nicht durchzuhalten ist.

Das kann natürlich im ungünstigsten Fall dazu führen, dass CDU-Wähler das nächste Mal FDP oder gar AfD wählen, weil diese Parteien tatsächlich lieber einen kompletten sozialen Kahlschlag praktizieren würden, um das Notwendige zu finanzieren. Es kann aber im Idealfall auch dazu führen, dass die CDU-Wähler realisieren, dass sie verarscht wurden, und stattdessen direkt die Parteien wählen, die zumindest ehrlich im Hinblick auf die Schulden waren. Denn SPD und GRÜNE sagen eben die ganze Zeit schon, dass mehr Schulden nötig sind.

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Was mir komplett fehlt ist: Wo wird gespart? (Einsparungen beim Bürgergeld sind ja wohl eher minimal möglich.)

Ich hoffe von ganzem Herzen, dass die Sonderschulden nicht die Zustimmung im Bundestag erhalten. Als Steuerzahler empfinde ich die Beschlüsse einfach nur noch als übergriffig.

Erst wenn man die Ausgaben maximal reduziert hat und dann immer noch nicht genug Geld für die Verteidigung hat, dann würde ich die Sonderschulden für die Verteidigung noch irgendwie mitgehen. Aber für Infrastruktur? Das muß aus dem ganz normalen Haushalt kommen!

Es ist wie bei der Ampel: Die Unterschiede werden mit Geld gekittet um an die Macht zu kommen bzw. zu bleiben. Einfach nur massiv enttäuschend.

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Nur hätte das unter einer Rot-Grünen Regierung immerhin dazu geführt, dass mehr Geld für Klimaschutz und eventuell sogar Soziales übrig geblieben wäre. Bei der CxU führt es dazu dass denen, die ohnehin schon genug haben, noch mehr gegeben wird.

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Jetzt scheint auch klar, wofür das freie Geld im „normalen Haushalt“ gebraucht wird. Die Union und die SPD müssen schließlich ihre Wahlgeschenke verteilen:

  • Senkung der Stromsteuer, Halbierung der Netzentgelte → Senkung des Strompreises um über 5 ct/kWh
  • Reform der Einkommenssteuer zur Entlastung der Mittelschicht
  • Ausweitung der Pendlerpauschale
  • Wiedereinführung der Subvention von E-Autos
  • Senkung der USt für die Gastonomie von 19 % auf 7 %
  • Wiedereinführung/Beibehaltung der Agrardieselvergütung
  • Ausweitung der Mütterrente (Angleichung Geburten vor 1992)
  • Steuerfreie Zuverdienste für Rentner bis 2.000 €/Monat

Einziger angekündigter Einsparpunkt:

  • Umgestaltung des Bürgergeldes zu einer Grundsicherung für Arbeitssuchende

Ich empfinde das als bodenlose Frechheit. Hier wird versucht mit massenhafter Staatsverschuldung gleichzeitig notwendige Investitionen zu stemmen, ein paar Wahlgechenke zu verteilen und bloß nicht bei den sozialen Wohltaten zu kürzen. Die Rente ist heute schon völlig unterfinanziert und tendiert Richtung Unbezahlbarkeit und die CSU legt noch einen drauf. Die Zeche für den ganzen Bumms zahlen zukünftige Generationen.

Ich bin keineswegs gegen eine Schuldenaufnahme für Investitionen. Aber hier wird nebenbei noch ein umfangreiches Paket an Geschenken querfinanziert. Es ist überhaupt nicht ersichtlich wo das Geld im regulären Haushalt ohne Schulden herkommen soll.

Achja, vom viel beschworenen Bürokratieabbau ist bisher jedenfalls kein Wort zu lesen. Dabei wäre das eine Möglichkeit die Wirtschaft zu fördern und gleichzeitig Kosten einzusparen.

Edit:
Dabei sei angemerkt, dass ich als Landwirt vom Agrardiesel und der Reform der Einkommenssteuer durchaus persönlich profitieren würde. Richtig finde ich die Pläne trotzdem nicht.

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Das dürfte so gut wie nicht passieren. Wenn ich davon überzeugt bin, dass Staatsschulden eine schlechte Sache sind, werde ich den Teufel tun und eine Partei wählen, die ganz offen sagt, dass sie soziale Wohltaten auf Pump zu lasten zukünftiger Generationen finanzieren will.

Zum Vergleich: Wenn die Union zu wenig für Klimaschutz tut, wähle ich ja auch nicht die AFD, weil sie ehrlich sagt, dass sie gar keinen Klimaschutz will.

Edit: Habe versehentlich doppelt zitiert.

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Schon beim ersten Blick ins Sondierungspapier:
Steuerentlastung, Erhöhung Pendlerpauschale, Agrardiesel zurück…

Kann es sein, dass das Milliarden Sondervermögen Infrastruktur in Wirklichkeit dafür gedacht ist, dass die Union im echten Haushalt nach Belieben Geschenke verteilen kann?
Meine Güte, war die SPD überhaupt dabei? Da steckt viel, viel AfD Politik drin. Beispiel: Rückführungsoffensive klingt für mich wie Remigration…

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Dieser Begriff ist unter den demokratischen Parteien seit Jahren ein Buzzword, das Pragmatismus und Handlungsbereitschaft bei mit der Fluchtmigration einhergehenden Problemen suggerieren soll.

Auch im Koalitionsvertrag der Ampel aus dem Jahr 2021 ist das Wort zu finden. Dort heißt es auf Seite 112: Nicht jeder Mensch, der zu uns kommt, kann bleiben. Wir starten eine Rückführungsoffensive, um Ausreisen konsequenter umzusetzen, insbesondere die Abschiebung von Straftätern und Gefährdern.

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In Summe kann man schon festhalten, dass es genauso weitergeht, wie unter den früheren Grokos: Lahm, realitätsverleugnend, aber kurzfristig bequem und beruhigend für die Wahlbevölkerung. Also genau, was bestellt wurde. Weitere 4 verlorene Jahre für das Land.

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Die Grünen scheinen das dankenswerter Weise ähnlich zu sehen. Das Statement in den ersten 2,5 Minuten gibt das ganz gut wieder.

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Mir auch schleierhaft, was und wie den Grünen nun noch angeboten werden soll, damit sie diesem Stillstandspaket zustimmen. Und wenn das so kommt, dass die nein sagen, kollabiert die Geschäftsgrundlage der Koalitionsverhandlungen, bevor die angefangen haben. Aber mit seinem friss-oder-stirb Ansatz ist Merz ja nicht zum ersten Mal bei Verhandlungen auf dem Weg in eine Sackgasse. Erst hat er unerfüllbare Versprechen gemacht, die er nun nicht einlösen kann, dann hat er so verhandelt, dass die Grünen eigentlich nicht zustimmen können, wenn sie noch irgendwo einen Rest Selbstachtung finden. Und der soll Kanzler werden??

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Ja, die Kritik der Grünenspitze war breit. Einmal andersherum gefragt: Was genau wünschen sich die Grünen? Ist die Partei happy wenn noch Klimaschutz auf das Sondervermögen / die Schuldenbremsenausnahme geschrieben wird? Denn das würde die Kritik bzgl der Zweckentfremdung des neuen finanzielen Spielraums nicht wirklich entkräften.

Wenn der Standpunkt der Grünen wird, dass sie der kommenden Regierung kein Geld für Investitionen gönnen, weil diese es (zum Teil) „schlecht“ ausgeben, schließt sich der Kreis :smiley:

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Denke auch die SPD hat ein paar Wins: Keine Änderung bzgl Rente, 60% vom Medianlohn als Mindestlohn, niedrigere Strompreise für die Industrie, kein Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht…

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Ich denke seit Tagen nur noch „wollt ihr mich eigentlich komplett verarschen?“. Die CDU hat in der Opposition alles schlechtgeredet und die Grünen als wirtschaftlich inkompetent dargestellt. Sie hat so getan, als müsste der Staat keine Schulden machen und wollte an der Schuldenbremse festhalten und hat sogar als Opposition gegen den Transformationsfons geklagt. Jetzt landen die Herren der CDU hart auf dem Boden der Realität und tun so, als hätte sich innerhalb einer Woche alles geändert. Ähm nein? Fast alle ÖkonomInnen haben gesagt, dass die Schuldenbremse weg muss. Und dass Europa mehr für die eigene Verteidigung tun muss, war schon seit Januar klar. Die CDU hat im Wahlkampf einfach gelogen. Und der Gipfel der Dreistigkeit ist, dass sie jetzt zu der SPD sagen, dass sie ihnen bei anderen Themen entgegenkommen müssen, weil sie, die CDU, ja bei Schulden diese Eingeständnisse machen. Wurde so auch in der Lage gesagt. Was?!?!? Das sind doch keine Eingeständnisse, das ist einfach die zwingende Notwendigkeit, die CDU kommt nicht der SPD entgegen, sondern beugt sich der Wirklichkeit. Es regt mich so unendlich auf und ich verstehe nicht, wieso es keinen Aufschrei gibt. Die CDU hat sich als Opposition komplett destruktiv verhalten, hat im Wahlkampf das Blaue vom Himmel versprochen und währenddessen Habeck als schlechtesten Wirtschaftsminister aller Zeiten betitelt. Und jetzt??? Jetzt macht sie exakt das, was die Grünen und SPD in der Ampel schon machen wollten.

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Meine erste Prognose nach(vor) der Wahl war, dass die SPD nicht vernünftig verhandeln wird können und anscheinend habe ich recht behalten. Meine nächste ist, dass die Grünen zustimmen werden. Es wird irgendeine Scheinzusage zu den Grünen geben, wie, dass die Investitionen auch für Klimaschutz verwendet werden können und dann hat sich das. Man hat doch jetzt schon gemerkt, statt inhaltlich zu kritisieren, dass es keine Vernünftige Schuldenbemsenreform geben soll, fokussiert man sich darauf, dass der böse Merz ganz gemein war und nicht mit einem gesprochen hat. Und gleichzeitig lässt man sogar zu und macht sogar teilweise dabei mit, dass das Narativ fortgesetzt wird, dass Schulden ja eigentlich was böses sind.

Profitieren werden von der ganzen Aktion vor allem AFD und CDU.

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