Schöffendienst

Als in einer Sendung „Lage“ dafür geworben wurde, sich als Schöffe zu bewerben, hat mein Mann das getan. Wir haben uns nun erkundigt, wie die Auswahl abläuft. Genaue Auskunft wurde uns nicht erteilt. Wie wird die Gesellschaft bei der Auswahl der Schöffen repräsentiert? Woher weiß ein Stadtrat, der die Vorschlagsliste dem Gericht sendet , ob jemand einen Migrationshintergrund hat oder alleinerziehend ist?
Wie ist das Procedere?

1 „Gefällt mir“

Traurigerweise muss man schon sagen, dass das Ganze sehr willkürlich ist.

Letztlich entscheidet der Schöffenwahlausschuss am Gericht, ob die eingegangenen Einsprüche zum Ausschluss der Bewerber führen oder nicht. Und dann entscheidet er, welche der Kandidaten für welches Schöffenamt eingesetzt wird. Dafür gilt nicht etwa die Bestenauslese wie bei Bewerbungen im öffentlichen Dienst, gemäß § 42 Abs. 2 GVG soll nur darauf geachtet werden, „dass alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden.“, daher sollte ein Gericht nicht z.B. nur Akademiker, nur Männer oder nur über-50-Jährige als Schöffen benennen :wink: Aber es gibt keine erfolgversprechenden Rechtsmittel für abgelehnte Bewerber, alleine schon, weil man so gut wie nie nachweisen können wird, dass man aus unzulässigen Gründen abgelehnt wurde - da doppelt so viele Kandidaten auf den Listen stehen sollen, wie gebraucht werden, werden zwangsläufig 50% der Bewerber abgelehnt. Und praktisch ist es eher andersrum: Leute sind eher geneigt, zu klagen, wenn sie zum Schöffen ernannt werden, obwohl sie keine Lust darauf haben ^^ Von Fällen, in denen sich Leute in das Schöffenamt einklagen wollten, habe ich bisher nicht gehört.

Hier wäre mMn auch ein Ansatz für eine Reform. Zum Schöffen ernannt werden sollten in erster Linie Freiwillige, das Aufstocken der Listen mit zufälligen Bürgern, damit immer mindestens doppelt so viele Leute auf der Liste stehen, wie gebraucht werden, was dann dazu führt, dass einige Leute gegen ihren Willen zum Schöffen berufen werden und andere abgelehnt werden, die es gerne freiwillig machen würden, ist schon irgendwie absurd.

1 „Gefällt mir“

Wird vermutlich wenige interessieren, aber ich freue mich sehr, dass ich kommende Woche als ehrenamtlicher Handelsrichter (= Schöffe an der Handeskammer am Landgericht) vereidigt werde. Bin sehr gespannt!!

Danke an @vieuxrenard für die Anregung!

6 „Gefällt mir“

Hallo zusammen!

U.a. Dank der Lage habe ich meinen Mut zusammen genommen, und habe mich als Schöffe beworben.

Diese Woche hat der Gemeinderat in einer geheimen Sitzung die KandidatInnen nominiert.

4 Plätze

Platz 1: Vorsitzender CDU Stadtverband der Gemeinde (um die 60 J, männlich)

Platz 2: ein in Rente gegangener Volksbank Geschäftsstellenleiter (60 J männlich)

Platz 3: SPD Gemeinderat 40-50 männlich

Platz 4: eine Dame, kann ich nicht genauer zuordnen.

Ich bin ein wenig enttäuscht, ich habe das Gefühl, bei der Wahl hatte ich (30 J, männlich) keine Chance.

Und im Ernst, die Grundsätze die bei der Auswahl eingehalten werden sollen, sehe ich nicht wirklich als erfüllt an. Einkommen, Geschlecht, Alter, etc.

Ja, was soll ich noch sagen.
Sad but it is true.

1 „Gefällt mir“

Toll, dass du es versucht hast.
Engagierte Menschen braucht das Land.

2 „Gefällt mir“

Spannend.

Ich finde auch, dass man die Problematik der Hinterzimmerpolitik bei der Schöffenwahl stärker in’s Zentrum rücken sollte. Man kann nicht einerseits betonen, wie wichtig das Schöffenamt für unseren Rechtsstaat ist, aber andererseits die Entscheidungsprozesse so unreglementiert und offen für politische Ränkespiele lassen.

Es gibt nahezu keine Rechtsschutzmöglichkeiten oder andere Mechanismen, die sicherstellen, dass z.B. § 36 Abs. 2 GVG bezüglich der Zusammensetzung als Ebenbild der Bevölkerung eingehalten wird.

Ich halte es schon für problematisch, dass die Gemeinden bei der Zusammenstellung der Liste nach § 36 Abs. 1 GVG weitestgehend Narrenfreiheit genießen, wen sie überhaupt auf die Vorschlagsliste setzen. Ich bin der Meinung, dass jeder Bewerber, der nicht aus den in den §§33, 34 GVG genannten Gründen ungeeignet ist, verpflichtend auf die Vorschlagliste aufgenommen werden muss und es letztlich dem Gericht - nicht der Politik - überlassen sein sollte, hier eine Auswahl aus der Gesamtheit der geeigneten Kandidaten zu treffen.

2 „Gefällt mir“

Wenn Schöffen „im Hinterzimmer“ ausgewählt werden, ist das krass und dem sollte strukturell entgegen gewirkt werden. Aber offenbar kann man sich die Schöffen auswählen - das ist schon mal gut (es gibt aber offenbar auch Fälle, in denen ehrenamtliche Richter zwangs-berufen werden).

Bei den Handelsrichter (ehrenamtliche Richter an einer Landgerichts-Handelskammer) hat zumindest das Landgericht Hamburg das Problem, dass es zu wenig Bewerber gibt. Handelsrichter werden - im Gegensatz zu Schöffen - aber nicht zwangs-berufen (ob das nicht geht oder ob das einfach nicht gemacht wird, weiß ich gar nicht).

Beim ersten Gespräch im Rahmen der Ernennung und Vereidigung erzählten uns (den beiden neuen Handelsrichtern) der Landgerichtspräsident bzw. „unser“ Vorsitzender Richter, dass die Warteliste aktuell leer ist. Die Richter helfen sich offenbar, in dem sie die Parteien von Gerichtsverfahren dazu bewegen versuchen, auf die Kammer (d.h. auf die beisitzenden freiwilligen Handelsrichter) zu verzichten. Dabei haben sie inzwischen so viel Routine, dass offenbar die Mehrzahl der Verfahren ohne beisitzende Handelsrichter ablaufen - was positiv sei, weil dann die Terminkoordinierung leichter sei (wie viele Verfahren ich in diesen 5 Jahren wirklich begleiten werde?). Das ist bestimmt nicht „im Sinne der Erfindung“.

Auf meine Frage, wer im Justizsystem denn eigentlich die Verantwortung für die Gewinnung von Handelsrichter hat (und daher „Werbung“ machen sollten), sahen sich Gerichtspräsident und Richter fragend und ratlos an - darüber hatte man wohl noch nie nachgedacht. Die IHK (über die das Bewerbungsverfahren läuft, weil die Bewerber ja einen kaufmännischen Background haben sollen)? Meinen Vorschlag, die Justiz-Senatorin darum zu bitten, fanden sie gut - ohne irgendwie einen Eindruck zu vermitteln, dass man mit ihr sprechen wird :wink: Komisch: Wenn ich ein Problem habe, versuche ich es zu lösen und versuche nicht schulterzuckend, mit damit irgendwie zu arrangieren.

Übrigens: Niemand konnte mir erklären, warum die Bewerbung nur die IHK und nicht auch über die die HWK (Handwerkskammer) läuft.

2 „Gefällt mir“

Kurzes Update:

Scheinbar haben die Aufrufe zur Bewerbung zum Schöffendienst geholfen.

Also ich halte die Erklärung, dass das Thema dieses Jahr so viel mehr Aufmerksamkeit bekommen hat als sonst, schon für eine sehr einleuchtende Erklärung. Dieses Jahr war das Thema Schöffenwahl häufiger in den Medien zu sehen und es wurde von vielen Seiten zur Bewerbung aufgerufen. Es ist doch eigentlich nicht überraschend, dass das hilft…

Ich wollte meine Eltern überreden - die haben ja Zeit. Aber beide jetzt 70 und dürfen wohl nicht mehr.

Stimmt wohl
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6ffe_%28ehrenamtlicher_Richter%29#%3A%7E%3Atext%3DWer_zu_dem_Amt_eines%2Cdeutsche_Sprachkenntnisse_verf%C3%BCgen_%28%C2%A7_33%29?wprov=sfla1

Ich hatte mich nach dem Podcast hier auch beworben als Schöffin beim Amtsgericht. Mir war es sehr wichtig, da ich im Süden Thüringens wohne - im Bundestagswahlkreis, in dem HG Maaßen antrat.

Ich hatte bis jetzt gar keine Rückmeldung erhalten und dachte schon, dass ich nicht berücksichtigt werde. Aber in dieser Woche kam die Post vom AG, dass ich Hauptschöffin bin.

Zur Auswahl: Ich habe eine Freundin, die in einer norddeutschen Stadtverwaltung arbeitet. Sie sagte, dass es dort bei der Schöffenwahl meist so ist, dass der Stadtrat dem Amtsgericht Leute vorschlägt, die den Mitgliedern persönlich bekannt seien. Ein Querschnitt der Bevölkerung sei da nur selten auszumachen.
Vielleicht sollte da auch mal jemand drauf kucken.

Ich selbst hatte noch ein Telefonat mit einer Mitarbeiterin am AG, die mir gleich sagte, ich sei vom Amtsrichter ausgewählt worden, weil ich einen ungewöhnlichen Beruf habe. So etwas hätten sie noch gar nicht gehabt und sie seien neugierig gewesen.

Also scheint es da eher kein festes Auswahlverfahren zu geben.

3 „Gefällt mir“