Machen wir 50% draus.
Wir haben zur Zeit eine Minderheitsregierung.
Die kann also mit Koalitionsstärke abstimmen und trotzdem unter 50% der Stimmen haben. Wenn sich genug Leute enthalten, reicht das aber.
Ich hadere sehr mit diesem Demokratieverständnis muss ich sagen.
Für mich ist es ein extrem hoher Wert, dass jede Stimme gleich viel zählt und nicht eine kleine Gruppe von scheinbar Erleuchteten alle anderen „zu ihrem Glück“ zwingen dürfen.
Aber man kann doch nicht die teilweise miesen Ergebnisse im Bereich Bildung, Infrastruktur und anderen Staatsleistungen dem Neoliberalismus in die Schuhe schieben. Das lässt für mich jegliche (nötige) Selbstkritik vermissen.
Unser Staat hatte in den letzten 25 Jahren nicht weniger Geld oder Einfluss zur Verfügung gehabt, ganz im Gegenteil. Wir haben es nur stärker in Richtung Konsum und Sozialleistungen priorisiert, anstatt in Investitionen.
Das lässt sich aus meiner Sicht auch nicht wegdiskutieren bei der klaren Datenlage zur Staatsquote.
Wir gehören im Hinblick auf die relativen Steuereinnahmen zur absoluten Weltspitze, ebenso beim Umfang unseres Sozialstaats.
Da jetzt von einer neoliberalen Ausrichtung zu sprechen, ist doch absurd. Sind dann Länder wie die Schweiz oder die Niederlande schon libertär?
In diesem Zusammenhang halte ich auch ein Aussetzen der Schuldenbremse für Investitionen für richtig; ein Aussetzen der Schuldenbremse für Konsum halte ich jedoch für falsch.
Ich denke ähnlich sehen es auch weite Teile der Bevölkerung, weswegen die Schuldenbremse mehrheitlich noch befürwortet wurde unter der Ampel.
Scheinbar ja nicht.
Mit der Argumentation können wir ja den Bundestag einsparen und eine Technokratenkommision als Regierung einsetzen.
Es ist doch momentan so, dass das „gleichberechtigte“ Parlament jegliche Bundespolitik ad absurdum führen kann, was im Endeffekt bedeutet, dass JEDES Gesetz in einem überparteilichen Konsens entsteht.
Dann brauchen wir aber den ganzen Zirkus im Bundestag mit Regierung und Opposition nicht, da ja über den Bundesrat sichergestellt wird das eh alle unabhängig vom Parteibuch zustimmen müssen wogegen die Länderfürsten in Zukunft verstoßen (siehe Kannabislegalisierung und die Haltung des bayrischen Kleinkönigs)
Zur Unterstützung der These hier die Entwicklung der Sozialleistungsquote, also der Summe aller Sozialleistungen bezogen auf das BIP.
Dass die Sozialleistungsquote in den Jahren 2011 bis 2020 nicht viel stärker steigt liegt an dem starken BIP-Zuwachs, den wir in dieser Zeit hatten.
… Unsere Sozialausgaben nehmen uns ohne weitere Einnahmen etwas die Luft für Investitionen. Diese Luft könnte man sich sicher durch eine stärkere Besteuerung der Vermögenden oder eine Reform/Abschaffung der Schuldenbremse verschaffen. Leider fehlt mir dafür aber etwas der Glaube. Wir können dafür gern in die Programme der Ampelparteien schauen und analysieren wofür diese Geld ausgeben wollen. Die Notwendigkeit für höhere Investitionen ist dort zwar erkannt, wird aber durch die Wünsche nach sozialer(/finanzieller) Gerechtigkeit konterkariert.
Und dieses „wenn“ ist halt extrem unwahrscheinlich.
Wir könnten die komplette Bundesebene einsparen und die Länder machen alles über Staatsverträge wie beim Rundfunkbeitrag. Gar kein Problem. Es wäre halt nur deutlich umständlicher, deshalb gibt es den Bund zur Arbeitserleichterung…
Zum einen gehört der Bundesrat zur Bundespolitik dazu, das kannst du nicht trennen. Bundespolitik wird nicht im Bundestag gemacht und dann kommt plötzlich von außen noch der Bundesrat dazu, sondern beide sind Bestandteile eines Systems. Zum anderen sind die Mehrheitsverhältnisse nicht vom Himmel gefallen sondern Ausdruck von Wählywillen, den man nicht aus Effizienzgründen zur Seite schieben kann. Wenn da ein Fehler in der Arbeitsweise des Systems ist, dann die öffentliche Wahrnehmung dass Landtagswahlen so etwas wie eine Meinungsumfrage über die Politik der Bundesregierung sind. (In den USA ergibt sich bei den Midterms regelmäßig ein ähnlicher Kontra-Effekt.)
Wir haben ein föderales System, die Länder haben einen Gestaltungs- und sicher auch Kontrollauftrag für das Land als Ganzes (vielleicht so ein wenig wie eine WEG?). Das können wir nicht rauskürzen ohne den Charakter der Republik zu verändern.
Und nur weil etwas aus deiner Sicht unwahrscheinlich ist, setzt du es als gegeben voraus.
Es spricht doch nichts dagegen auch den Bundesrat so zu gestalten, dass Abstimmungen auch durch eine (sehr unwahrscheinliche) relative Mehrheit entschieden werden können. Wem es egal ist, sollte auch entsprechend in der Abstimmung berücksichtigt werden und nicht mit einer Nein-Stimme.
Was am Ende in großen Teilen nur verdeckte Subventionen an die Unternehmen sind. Jede Aufstockungsleistung ist ein Geschebk an Unternehmen um nicht anständig bezahlen zu müssen. Also müssten nur endlich Subventionen an vermögende Persn und Firmen massiv runter.
Wenn die Unternehmen endlich anständig bezahlen würden könnten viele Aufstockungsleistungen weg, die eh nur den Arbeitgebern helfen beim Gehslt zu sparen.
Dass dort überhaupt so brutal viel zugewachsen ist liegt an den Hartz-Reformen und des unwürdigen Niedriglohnsektors.
Würde es das denn?
Was würde sich denn so dermaßen ändern am Charakter der Republik, wenn man entscheidet, dass zukünftig die eine Kammer Gesetzesvorhaben der anderen mit Mehrheit ablehnen muss statt wie bisher mit Mehrheit zustimmen?
Statt das ein Enthaltung als Nein gezählt wird fällt sie dadurch auf die Ja Seite.
Das bisherige System ermöglicht es dem kleinsten Koalitionspartner auf Länderebene riesen Einfluss auf die Bundesebene und zwingt de facto die Bundespolitik zu einem Allparteienkonsens.
Wenn aber sowieso jedes Gesetz einen Allparteienkonsens benötigt brauch wir nicht mehr über die Zusammensetzung der Kammern streiten (wählen).
Die Änderung im Abstimmungsmodus bewirkt, dass nicht mehr zwingend ein Allparteienkonsens nötig ist um ein Gesetz zu verabschieden.
Das Inititivrecht der Kammern ist ja davon auch ausgenommen.
Heißt also damit es zu einem Gesetz kommt muss:
A der Bundestag mit Mehrheit beschließen und der Bundesrat NICHT mit Mehrheit dagegen Stimmen
Oder
B Der Bundesrat mit Mehrheit beschließen und der Bundestag NICHT mit Mehrheit dagegen stimmen
Je nachdem von wo die Gesetzesinitiative kommt.
Aktuell hätte der Bundesrat Gesetzentwürfe der Ampel nach der Lesart mit 16 von 69 Stimmen (Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland) passieren lassen können, indem die Ampelparteien (teils auch als kleine Koalitionspartner!) strategische Enthaltungen erzwingen. Ist das demokratische Mitwirkung?
Unser politisches System ist als „Konsensmaschine“ gedacht.
Als Konsensmaschine ALLER zu JEDEM Gesetz unabhängig der jeweils gewählten Mehrheiten?
Generell so viele wie möglich, und die Zusammensetzung des Bundesrates spiegelt ja die in den Ländern jeweils gewählten Mehrheiten wieder. Nochmal: Der Bundesrat steht nicht außerhalb der Bundespolitik, er ist ein Teil davon. Bundespolitik wird nicht allein im Reichstagsgebäude und/oder dem Kanzleramt gemacht. Auch die Länder haben gemeinsam die Aufgabe, Bundespolitik zu machen und sind „dem Bund“ da nicht untergeordnet. (Dieser „Bund“ ist ja gerade ein solcher ebendieser Länder.)
Herzlichen Glückwunsch sie gewinnen eine dysfunktionale nicht reformfähige Demokratie in denen Wahlen keinerlei Veränderung mehr bewirken.
Und da wundert man sich warum Populisten mit einfachen Lösungen Zulauf bekommen …
Aber gut lassen wir das, wie sieht dein Vorschlag aus die parlamentarische Demokratie zu sanieren?
Natürlich würde es den Charakter der Republik verändern, aber jedes System muss sich letztlich an den Resultaten messen lassen. Eine Zentralisierung und klare Abgrenzung der Aufgaben muss nicht zwangsläufig undemokratisch sein - Demokratien existieren von sehr föderal (USA) bis sehr zentralistisch (Frankreich). Die Frage ist: Ist eine Verfassung funktional?
Systeme egal welcher Art müssen am Ende vor allem eines sein: Effizient und effektiv darin, das Überleben in sich verändernden Umweltbedingungen zu sichern. Effektiv im Sinne von Zielerreichung und effizient im Sinne von Energieaufwand, die Ziele zu erreichen.
Das deutsche System ist nicht effizient (hohe Reibungsverluste) und derzeit nicht besonders effektiv. Wenn wir die Demokratie in einer feindlich werdenden politischen Umwelt erhalten wollen, müssen wir uns anpassen. Sonst machen andere die Reformen.
Leider hat Deutschland seine politischen Systemveränderungen nie von innen geschafft:
- Reichsordnung 1806 durch Napoleon: Konsolidierung von 1700 Kleinstaaten in grob 40 oder so, zusätzlich das BGB bekommen
- 1848: Paulkskirche gescheitert
- 1871 Reichsgründung von innen, allerdings war sie nicht demokratisch durchgesetzt, sondern von oben und im Krieg gegen Dänemark, Österreich und Frankreich
- 1919 Ordnung von außen durch die Siegermächte
- 1948 Ordnung von außen durch die Siegermächte
Nach 1990 hat man einfach dem Osten die Ordnung der Bundesrepublik übergestülpt ohne Reformen - nicht mal der Name „Grundgesetz“ wurde geändert in „Verfassung“.
Wenn ich mir den historischen Track Record so anschaue, glaube ich ehrlich gesagt aber nicht, dass wir Deutschen aus uns heraus eine Reform hinbekommen. Ich sehe den Mut nicht.
Ich denke wir sind uns uneinig über die Dringlichkeit eines solchen Handlungsbedarfs. Was aktuell kaputt ist sind (wachsende?) Teile der demokratischen Parteienlandschaft (allen voran die Union, aber auch FDP und SPD), das Problem kriegen wir nicht gelöst indem wir das Spielfeld auf dem sie agieren symptombezogen verändern. (Zumal sie das selber tun müssten.)
Stimmt, aber wir Deutschen haben in der Hinsicht halt schon voll auf die heiße Herdplatte gepackt. Zudem wenn ich mich aktuell umsehe, gibt es verschiedene Bewegungen hin zu mehr Zentralisierung (Türkei, Ungarn, Italien) die alles andere als eine Verbesserung verheißen. Ich bin pessimistisch, dass wir in Deutschland gegen ähnliche Bestrebungen immun wären.
Was allerdings die historische Veränderung von innen her angeht: 1848 ging nicht von außen aus, auch wenn es wie ähnliche Bewegungen in diesem Jahr reichlich zeitverzögert von Frankreich inspiriert war. Und die Ideen der Paulskirchenverfassung lebten 1918 und 1949 wieder auf. Diese beiden Verfassungen sind auch nicht „von außen“ gekommen, nur die, äh, konkrete Notwendigkeit dazu. Was den Namen angeht, so ist reichlich egal wie eine Verfassung heißt, es ist und bleibt eine. (Die von Dänemark heißt übrigens auch Grundgesetz, und zwar schon hundert Jahre länger als die deutsche.)
Das nur, weil das in den Koalitionsverträgen so vereinbart wurde. Wäre die Lage eine andere, würde man im Interesse des Landes eine andere Vereinbarung wählen. Vor allem würden Länder vermutlich sich mehr mit den Themen befassen und im Sinne des Landes abstimmen, statt parteipolitische Spielchen zu spielen.
Man könnte auch den Artikel 51 entsprechend anpassen, dass die Vertreter des Bundeslandes einzeln abstimmen können. Dann könnte das Land seine Koalitionsstruktur in die Abstimmung einfließen lassen - ob das sinnvoll ist, wenn ein Land seine Stimmen gegenseitig neutralisiert, steht dann aber auf einem anderen Blatt.
Als Bewegung ist 1848 gescheitert. Das Argument einer „Idee“ ist interessant, aber Politik besteht nun mal aus realen Ergebnissen. 1919 ist die Demokratie belastet vom Ende des 1. WK und wurde von großen Teilen der Bevölkerung abgelehnt als „oktroyiert“. Auch die Gebietsneuordnungen kamen vom Versailler Vertrag. Die jetzige Struktur inklusive der Bundesländer ist ebenfalls eine äußere Erfordernis plus die Zerschlagung Preußens.
Welche der verfassungsrechtlichen Veränderungen haben die Deutschen denn aus sich heraus real umgesetzt, an denen nicht ausländische Mächte beteiligt waren? Ginge es nach den Deutschen, hätten wir immer noch das Heilige Römische Reich deutscher Nation und würden es als die beste aller Ordnungen verteidigen…
Ideen sind ja schön, aber letztlich steht die Paulskirche für das Scheitern der liberalen Bewegung in Deutschland, und die Verfassung hat doch bestenfalls akademische Relevanz.
Ich meinte schon die Ideen der Verfassung. Sie war Vorbild für die späteren Verfassungstexte und Teile davon finden sich auch heute im Grundgesetz, unter anderem bei den Grundrechten.
Jetzt haben wir eines.
Ich hätte es zwar gut gefunden, wenn es gescheitert wäre, aber nehmen wir an, Merz handelt wirklich, weil ein Großteil der Bevölkerung das möchte, es sinnvoll ist und nur linke Ideologie das blockiert. Ist es dann nicht gut, dass die relative Mehrheit morgen ein Gesetz auf den Weg bringen kann? Und dann im Bundesrat eine relative Mehrheit das auch beschließen kann?
Denn bis auf Bayern ist in jedem Land entweder SPD oder Grüne an der Regierung beteiligt.