Ich finde nicht, dass ich Putin kritiklos übernommen habe. Die Behauptung, dass die ganze Regierung eine Rechtsextreme clique ist, ist, denke ich, haltlos und wird als Vorwand genommen einen „Regime“ change durchzuführen. Der Zusammenhang wie das Rechtsextreme im Ausland stärken kann ist folgender: Wenn Russland (oder Regime Putin) jetzt in der Ukraine die sogenannte Denazifizierung durchführt, und dabei dies lediglich als einen Vorwand nimmt um alle ihnen unliebsamen Kräfte zu unterdrücken, wird das bestimmt als Standdartverteidigung von rechtsextremen Gruppen verwendet: „In der Ukraine haben wir ja gesehen, wie unter dem Vorwand von Antifaschismus die Demokratie angegriffen wird.“
Mein Punkt ist gewesen, dass trozdem diese rechtsextremen Gruppen in der Ukraine nicht zu vernachlässigen sind, mit Ihnen aber halb kooperiert wurde (von der ukrainischen Regierung), damit sie an der Front kämpfen. Dass es dabei auch zu schweren verstoßen von „ukrainischer“ kommen kann, würde mich dann nicht wundern.
Ich habe das Gefühl, dass man absichtlich vorbeigeschaut hat, um der russischen Position ja nicht den Hauch einer Legitimität zuzubiligen.
Das ist eine sehr gute Frage, man kann darüber leider nur spekulieren. Vielleicht hätte man es geschafft, mehr Gräben zuzuschütten, eine engere Zusammenarbeit auf mehreren Ebenen zu etablieren. Das wäre vielleicht möglich gewesen, wenn man den russischen Stolz nicht so mit Füßen getreten hätte, indem man den einstigen Einflußbereich übernimmt und konsequent vom „Gewinn des kalten Krieges“ gesproch hat, statt vom „Überwinden des kalten Krieges“, beilegen der Differenzen usw. Ich denke, Putin hat nicht zuletzt aus diesen Gründen relativ viel Rückhalt im Volk und Gorbatschov wird eher als Vaterlandsverräter gesehen.
Wie gesagt, würde ich an der Stelle nicht weiter diskutieren. Letztlich ist das nur die gleiche Diskussion, die wir vor dem Krieg schon länglich hatten. Ich wollte nur aufzeigen, wie sich aus meiner Analyse auch eine Haltung ergibt.
Aber ich will mich nicht völlig um eine Antwort drücken, insofern eine Skizze:
Als Putin angefangen hat, hatte er Vorstellungen von einer Freihandelszone von Lissabon bis Wladiwostok oder so ähnlich. Putin ist ein russischer Nationalist, aber auch wenn Russland ein eurasisches Reich ist, verortet er sich damit als Europäer. Wahrscheinlich europäischer als die meisten Europäer weiter westlich aus der Selbstsicht. Denk mal nicht, dass sich Putin vor zwanzig Jahren vorstellen konnte, dass er mal mehr Affinität und Einsicht für einen chinesischen Präsidenten als für einen ukrainischen haben würde. Also Integration war die Vision, was nicht heißt, dass es nicht zum Beispiel wegen der Krim hätte Ärger geben können. Das ist so oder so das schwierige Erbe eines zerfallenen Imperiums.
Ja, genau um diese Werte geht es doch beim Zitat von Kissinger auch. Die Chilenen haben frei und demokratisch Salvatore Allende gewählt und die CIA hat Pinochet an die Macht gebracht.
Ich bin im übrigen nicht der Meinung, dass man Russland oder China toll findet, nur weil man den Westen kritisiert. Ich bin nur immer sehr verwundert, wie man sich auf ein moralisch hohes Ross setzt, dem aber selbst nicht gerecht wird. Und ich verteidige hier niemanden und verurteile jede Verletzung der Souveränität, gleich ob Ukraine, Syrien, Afghanistan, den Irak, Tibet oder Taiwan.
Mir ging es in meinem Beitrag nur darum, dass das mit dem Hort der Glückseligkeit immer auf die Perspektive ankommt. Bin ich drin oder bin ich nicht drin. Der Westen ist nicht unter allen Umständen erstrebenswert, z.b. nicht, wenn es keine demokratische Tradition gibt und man durch diese „Demokratisierung“ Länder ins Chaos stürzt und die Lebensumstände anschließend für einen Großteil der Bevölkerung deutlich schlechter wird, wie z.b. in Libyen. Ich bin kein Freund von irgendwem, der eine politische Agenda hat. Aber ich bin aus tiefster Überzeugung Pazifist.
Nun, aber diese Frage hast du nicht gestellt. Ich gebe dir eine Antwort. Ich weiß nicht, ob sie dir gibt, was du suchst, aber ich würde sagen, meine moralische Ausrichtung ist dann doch eher nebensächlich, insofern belassen wir es dabei.
Nach dem Völkerrecht sieht es verdächtig nach einem verbotenen Angriffskrieg aus. Da der Großteil der anderen Staaten Russlands Konstruktion einer defensiven Rechtfertigung ablehnt und selbst diejenigen, die das Vorgehen dulden, ihr nicht zustimmen, kann man klar sagen nein.
Ihre „Analysen“ waren doch seit Beginn dieser Krise falsch. Also wundert es mich wenn Sie hier von lernen sprechen.
Russland akzeptiert keine unabhängige, demokratische Ukraine sondern nur einen Staat in dem sie entweder einmarschieren dürfen, wie kürzlich in Kasachstan, oder der generell nur eine Marionette ist wie Belarus.
Die Schuld für diesen Überfall, und sei es nur eine Teilschuld, bei den USA und Europa zu suchen, ist völlig falsch. Es sei denn Sie übernehmen die Haltung Russlands, dass schon die Existenz einer liberalen Demokratie in seiner Nachbarschaft eine Bedrohung darstellt.
Ich möchte nur eine Quelle in den Raum werfen (insbsondere für unsere beiden Gastgeber des Podcasts): Die etablierte Sendung des NDRs zur Sicherheitspolitik „Streitkräfte und Strategien“ hat aus aktuellem Anlass auf eintäglich gegen 17:00 Uhr erscheinendes Format umgestellt und berichtet über den Krieg.
Ich habe persönlich keine Lust, abends durch diverse Schlagzeilen / Artikel zu blättern und vielleicht geht es anderen genauso.
Pazifismus ist eine Haltung und keine Agenda. Er hat kein Ziel, sondern schränkt die Mittel ein, indem er Gewalt ablehnt.
Ich bin mir nicht sicher, wie deutlich ich noch „nein“ hätte sagen sollen, indem ich schrieb:
Ich denke, dass das alles diskussionswürdig ist und ja auch wird.
Davon abgesehen, dass unsere demokratischen Strukturen und unsere freie Presse, die solche Themen unbeschadet ansprechen kann, aus meiner Sicht den absolutistischen Strukturen Russlands und Chinas immer vorzuziehen sind, halte ich den Moment, wenn eines dieser beiden Länder mit Krieg droht, aber nicht für den richtigen Moment. Der Eindruck, dass hier relativiert werden soll, ist eben schwer von der Hand zu weisen.
Wie auch der Slogan #AllLivesMatter - völlig korrekt, aber im benutzen Kontext hinterließ das doch berechtigterweise einen schlechten Nachgeschmack.
Absolut. Aber andersrum sollte man auch nicht relativieren, dass der Westen ruhig bombadieren und besetzen darf, weil zuhause freie Presse ist. Krieg ist zu verurteilen und dem Agressor entgegenzutreten. Und ich finde es sehr befremdlich, dass man immer automatisch Freund des einen sein soll, wenn man den anderen verurteilt. Ich finde Krieg scheiße und aktuell gerade den in der Ukraine besonders, weil aktuell. Trotzdem käme ich nie auf die Idee zu sagen, dass die Intervention der USA im Irak irgendwie besser gewesen ist, außer, dass es weiter weg war, was uns Europäer ja sehr beruhigt.
Die Deutschen waren damals sehr gegen beide Irak-Kriege, der Vergleich hinkt gewaltig.
Die Rufe nach Sanktionen waren aber überschaubar.
Aber wie gesagt, ich will nicht relativieren, in keine Richtung. Die Menschen, die in einem bewaffneten Konflik am meisten zu leiden haben, können am wenigstens dafür.
Die Ukraine hat wohl angeboten, über die Neutralität des Landes zu verhandeln - im Gegenzug für Garantien der russischen Seite.
http://blog.fefe.de/?ts=9ce67a93
Leider finde ich da keine westlichen Quellen für, nur russische und indische.
Aber nur wenn die Wehrmach… äh Ukraine die Waffen niederlegt.
„Wir sind jederzeit zu Verhandlungen bereit, sobald die ukrainischen Streitkräfte auf unsere Aufforderung reagieren und ihre Waffen niederlegen.“
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ukraine-russland-krieg-kiew-100.html
Stattfinden sollen die Verhandlungen übrigens im neutrale. äh mit Russland verbündeten Belarus.
Allerspätestens jetzt muss sich Westen anerkennen, dass die Strategie der Annäherung und Demokratisierung durch Handel und Diplomatie gescheitert sind. Viele westliche Staats- und Regierungschefs waren zu naiv und leichtgläubig, die Wirtschaftsbeziehungen mit Russland, aber auch China und z.B. Katar und Saudi Arabien, hatten zu viel Priorität gegenüber unseren Werten und Vorstellungen. Wenn dieser unsinnige Krieg eventuell auch etwas Gutes bewirken kann, dann folgendes:
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Beschleunigung der Transformation hin zur Klimaneutralität und Unabhängigkeit, und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in Ländern wie Polen,Finnland und Ungarn. Ende mit der Gas- und Ölabhängigkeit von Russland, voller Fokus auf ein autarkes, klimaneutrales westliches Energiesystem.
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Stärkung der EU. Ich hoffe, dass selbst Staatschefs wie Orban, oder die Staatchefs von Polen und Tschechien, es sich in Zukunft dreimal überlegen, ob sie weiterhin Geschäfte machen wollen mit Putin oder nicht. Und ich hoffe auch, dass alle endlich einsehen, dass wir als NATO und EU nur zusammen gegen einen aggressiven und lügenden Player wie Putin bestehen können. Dies gilt auch für die EU-kritischen Wähler. Spätestens jetzt sollte allen klar sein, dass man als einzelnes kleines Land nichts entgegenstellen kann.
Gelingt das, dann kann die EU- und NATO in einigen Monaten und Jahren eventuell sogar gestärkt und mit neuen Mitgliedsländer aus der Krise kommen. -
Wirtschaftliche Entkopplung
Das muss der letzte Weckruf gewesen sein, um endlich eine größere westliche Autonomie voranzutreiben, v.a. In den Bereichen Landwirtschaft und Hochtechnologie. Wir dürfen nicht mehr abhängig sein von russischen Getreide und chinesischen Chips. Schluss mit dem Anbau von Pflanzen für Tierfutter, Treibstoff und Gasherstellung. Wir müssen unsere Felder wieder voll für den Anbau hochwertiger menschlicher Nahrung nutzen, Tierfutter, Gas- und Treibstoffproduktion dürfen in Zukunft nur Nebenprodukte sein. Gelingt dies, dann wäre das ein großer, höchst positiver Schritt für die EU, klimatisch und wirtschaftlich.
Ja, dieser Krieg ist sinnlos, barbarisch und hirnverbrannt, aber man sollte immer versuchen am Ende irgendwie gestärkt aus der Sache zu gehen.
Das ist eine extrem positive Sicht auf die Dinge. Eine andere ist, dass einfach zuviel € zu machen ist mit den Geschäftsbeziehungen mit diesen Ländern.
Da ich den folgenden Beitrag dem Team der Lage per Mail geschickt habe, man mich aber automatisiert bat, das auch hier als Beitrag zu einer lebhaft diskutierenden Gemeinschaft beizutragen, mache ich das mal:
Liebes Lage der Nation Team,
ich höre Euch wirklich sehr gerne und Eure umfassenden Analyse bereichern meinen Blickwinkel auf Welt&Politik immer ungemein, aber ich musste Eure aktuelle Folge gerade abbrechen.
Ich finde das, was der russische Regierungsapparat gerade macht, nicht minder verwerflich wie Ihr das findet, aber diese Rhetorik Eurerseits, die Ihr für Eure Kritik bemüht, ist zum fürchten.
Als würden nicht am Ende von solchen Konflikten immer geopolitische und ökonomische Faktoren maßgeblich sein. Dieses psychologisieren einer Person, welche ein Großreich herstellen will, läßt alle diese Überlegungen völlig außer acht oder läßt zumindest die Perspektive vermissen, dass Putin auch nur ein williges Rädchen von eben diesen Interessen ist. Ein wirksames und maßgebliches, mag sein, aber doch nicht die ganze Maschine. So was bietet, genau wie die Bildzeitung, die einfachste der Antworten. Es gibt den starken Mann, der das alles steuert. Die Verschwörungstheorien um uns herum sind voll von wenigen Einzelpersonen, welche die Geschicke der Welt bestimmen und diese haben immer eine Leerstelle in der Analyse von Kapitalismus und Macht.
Auch die Kriegsrhetorik, dass man den Frieden am besten schützt, in dem man sich dafür „rüstet“, ist in all eurer berechtigten Kritik an den aktuellen Angriffen nicht mehr als „wir brauchen mehr Waffen und Soldaten“. Ich meine auch den Ruf nach mehr Investitionen in Sicherheit gehört zu haben?! Natürlich muss da jetzt Verteidigung in dieses Dilemma rein, aber das ist so ein bisschen wie mit den Überwachungsgesetzen und dem ganzen Internetzensurk-Kram. Hat da der berechtigte Ruf zum Kampf gegen z.B. Kinderpornografie schon mal dazu geführt, dass es durch Zensur weniger Kinderpornografie gibt? Nein. Am Ende gibt es nur weniger Grundrechte für alle. Und so ist es auch mit dem Ruf nach Aufrüstung und mehr Investitionen in Sicherheit.
Und sorry to say, aber Euren „Sender Gleiwitz Vergleich“ hättet Ihr Euch einfach sparen und etwas anderes nehmen können. Ja, der mag vielleicht sogar als „false flag“ vergleichbar sein, aber aus der von Euch so wunderbar herbei genommen historischen Perspektive, nimmt man eben nicht das Beispiel, bei dem man das Bild „Ist ja wie damals bei Hitler“ bemüht. Und da hilft es auch nicht, wenn man hinterher schiebt, dass man das ja eigentlich nicht bemühen will, wenn man das vorher schon getan hat. Ist wie „Jetzt denken mal alle nicht an einen rosa Elefanten“. Ihr habt ja spontan auch andere Beispiele gefunden, wie z.B. die US Invasion im Irak und die vorgeschobenen Gründe dafür.
Und dann schiebt Ihr auch noch die eindeutig nazistische Blut&Boden Logik unter die aktuellen Ereignisse und macht sie zur Handlungsmaxime auf russischer Seite. Es erinnert mich etwas an die Argumentation, dass ja die Juden nichts aus den Ihnen zugestoßenen Leid gelernt haben, so wie sie jetzt die Palästinenser behandeln. Wie diese Argumentation weitergeht, lasse ich jetzt als Leerstelle einfach mal aus.
Diese Singularität, welche von deutschem Boden ausgegangen ist, eignet sich aus meiner Sicht wirklich wenig als Vergleichsmaterial dafür, die verwerflichen Handlungen zu kritisieren, welche gerade durch die Verantwortlichen auf russischer Seite verübt werden. Als deutschsprachiger Podcast hätte man da wirklich sensibler und geschichtsbewußter sein sollen.
Wenn ich bedenke mit welchem Scharfsinn und Suche nach Perspektive-Vielfalt Ihr euch sonst den Themen nähert, ist es erschreckend, mit wie viel Schaum vorm Mund ihr gerade so losgelegt habt.
Ich bin auch in Gedanken gerade bei den Leuten in der Ukraine. Und wie gesagt, das was da passiert ist verwerflich. Aber man sollte wirklich in der Analyse gewisse humanistische und moralische Standards für sich selbst nicht verlieren, selbst wenn die Gegenseite sie vermissen läßt. But just my 2 cents…
Danke, falls Ihr Euch die Zeit genommen habt, dass bis zu Ende zu lesen.
Ein bisschen verhohlen war es schon, aber ja der Teil war besonders gruselig.
In einer Ansprache gestern hat Selenskyj gesagt, er wäre bereit über Neutralität zu verhandeln. Müsste man als Aufzeichnung finden können.
Willkommen im Forum und Danke für Deinen Beitrag.
Ich entnehme Deinem Beitrag, dass Dir die Rhetorik in der Lage zu aggressiv war. Ich wäre gerne bei Dir. Es ist aber im Nachhinein wichtig, sich zu fragen, wie es zu dieser Situation kam und was unser Land hätte anders machen können.
Zuerst mal zu Putin und Russland: Von wem geht die Aggression denn aus? Das russische Volk wollte diesen Krieg bestimmt nicht, Soldaten sind auch eher Bauern als Könige. Die Oligarchen? Denen geht es doch vor allem um Geld verdienen. Also bleibt eigentlich nur Putin, der sein Land in den letzten Jahrzehnten gesetzlich vollkommen auf sich ausgerichtet hat.
Unsere Politik der gegenseitigen Bindung durch wirtschaftliche Abhängigkeit hat jedenfalls nicht den erwünschten Erfolg gehabt. Vielmehr (auch in China) bringt es uns vor allem Abhängigkeiten.
Was hätten wir also tun können?
Das Reden hat Putin jedenfalls nie ernst genommen und sich teilweise öffentlich über Vereinbarungen lustig gemacht.
Was also tun gegen eine Militärmacht?
Man kommt nicht umhin, zumindest Drohpotential aufbauen zu können, in der Hoffnung, dass man es nicht einsetzen muss. Den glaubwürdigen Eindruck aber erwecken, dass man dazu jederzeit bereit wäre, muss man auch.