Russland, die NATO und der Ukraine-Konflikt

Warum sonst sollte Russland Ukrainisches Gebiet als „russisch“ deklarieren, bzw. Bewohnern der Ukraine die russische Staatsangehörigkeit anbieten?

1 „Gefällt mir“

Also sehen „wir“, wen auch immer Du mit „wir“ meinst, untätig zu, wie Russland fremde Gebiete annektiert, oder was?
UN-Truppen ohne NATO-Beteiligung wären unparteiisch, aber nicht stark genug, Grenzverletzungen aufzuhalten. Immerhin wäre ein Angriff auf UN-Truppen ein international schwerwiegender militärischer Akt.

Nicht militärisch einzugreifen bedeutet nicht zwingend komplett passiv zu bleiben.

Blauhelme werden da mit Sicherheit nicht hinkommen, schließlich hat Russland ein Veto im Sicherheitsrat.

Ablenkungsmanöver - passt vielleicht woanders hin.

Hi Martin. verlangst Du echt, dass wir alle 50 min Video angucken, um dabei vielleicht festzustellen, dass nur Blödsinn geredet wird? Ich hätte so vage Angaben wie „viele der Gedanken sind“ neu/vergessen oder auch interessant gar nicht durchgelassen.
Gib doch wenigstens die wichtigsten Gedanken in kurzen Worten wieder. Vielleicht schaut sich dann der eine oder andere das Video an - oder antwortet direkt auf die wiedergegebenen Sätze.

1 „Gefällt mir“

Hm, zum Beispiel, weil viele Menschen dort russisch sprechen und sich vielleicht sogar als Russen sehen? Knapp 40% der Einwohner dort werden laut Wikipedia als ethnische Russen betrachtet. Dazu kommt die sehr enge Verbindung der russischen Geschichte mit der Region, die wir heute als Ukraine bezeichnen. Die Ursprünge Russlands gehen schließlich auf den Kiewer Rus zurück. Nun ist das fast tausend Jahre her und da lassen sich keine legitimen Ansprüche draus herleiten, aber dass das Gebiet für Russland dadurch eine andere Bedeutung hat als andere Nachbarländer sollte verständlich sein.

Man kann das denke ich noch ganz gut mit der Aussage Putins gegenüber dem finnischen Präsidenten (im Spiegel) verknüpfen: „Wenn wir derzeit über die Grenze schauen, sehen wir auf der anderen Seite einen Finnen. Wenn Finnland der Nato beitritt, sehen wir auf der anderen Seite einen Feind.“. Der Feind in der Wiege Russlands? Das wäre für Russland wohl die maximale Demütigung.

faktisch sehen wir bei zahlreichen Konflikten in dieser Welt zu, ohne etwas zu tun - über das Drama in Jemen etwa hört man hier sehr wenig. Auf die mehrfache Frage, ob Waffen in den Jemen geliefert wurde, hat die vorherige Bundesregierung nicht geantwortet. Die Lage der Menschen in Jemen ist verzweifelt.

Die Türkei hat erst kürzlich Raketenangriffe gegen Syrien und den Irak geflogen - ohne Kritik des Westens zu erhalten.

Über die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien brauchen wir eigentlich gar nicht zu reden (ganz sicher nicht besser als in Russland) - trotzdem macht der Westen Geschäfte mit Saudi-Arabien. Über irgendwelche Sanktionen höre ich nichts mehr.

In Myanmar wurde die Nobelpreisträgerin zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt. Seit dem Militärputsch 2021 herrschen dort (mindestens) bürgerkriegsähnliche Zustände. Reaktion des Westens oder der Uno?

ich könnte nun noch lange so weiter machen - Fakt ist: wir sehen bei sehr vielen Konflikten auf dieser Welt zu, ohne etwas zu tun.

Ich gehe noch weiter: wenn ich mir die Fälle ansehe, in denen der Westen in den letzten 25 eingeschritten ist, sehe ich keinen Fall, in dem das zur Verbesserung der Lage der Bevölkerung geführt hat.

Irak und Libyen kann man als failed States beschreiben. Syrien ist zerstört. In Afghanistan hungern die Menschen. Auch in Mali (wo es aktuell noch einen Einsatz der Bundeswehr gibt).hat sich die Situation eher verschlechtert als verbessert.

Der letzte „Erfolg“, an den ich mich erinnern kann, ist das ehemalige Jugoslawien - und wie schon gesagt: das ist ein viertel Jahrhundert her.

Das alles macht die Lage in Russland und der Ukraine nicht besser. Aber bevor wir eingreifen und einen heißen Krieg riskieren (den wir gegen Russland nicht gewinnen können - und was passiert, wenn die USA eingreifen, möchte ich mir nicht vorstellen), sollten wir unsere Ziele reflektieren: was wollen wir erreichen, was ist realistisch? was sind die Risiken (Verschlechterung der Lage bis hin zu Krieg mit Hunger und Elend für die Bevölkerung)?

Mir ist es deutlich lieber, Geschäfte mit Putin zu machen als Krieg mit ihm zu führen. Nein Putin ist kein Demokrat. Und nein, das ist nicht schön. Realistisch betrachtet, trifft dies allerdings auf viele Staatschefs in dieser Welt zu. Ändern können wir dies wohl eher nicht. Und genau wie Trump nicht die USA ist, ist auch Putin nicht Russland. Wieso versuchen wir also nicht, auf Ebenen unterhalb des russischen Präsidenten Menschen zu finden, die unsere Werte und Vorstellungen teilen?

Vielleicht sollten wir anfangen, Dinge zu ändern, die wir ändern können: im Mittelmeer Menschen retten statt sie ertrinken zu lassen. Menschen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen behandeln, auch wenn das uns selbst weh tut - Snowdon und Assange haben den Finger in unsere Wunden gelegt, indem sie Menschenrechtsverletzungen veröffentlicht haben. Und haben dafür einen hohen Preis bezahlt. Gemeinwohl sollte uns wichtiger sein als wirtschaftliche Vorteile. Tier- und Umweltschutz sollte nicht nur gepredigt und diskutiert, sondern gelebt werden.

3 „Gefällt mir“

Hast Du überhaupt einen Blick drauf geworfen? Das Video ist auf dem Kanal der Yale University erschienen. Diese Institution ist nun bestimmt nicht für Prorussische Propaganda und „nur Blödsinn“ reden bekannt. Viele der im Video vorgebrachten Argumente finden sich auch in der letzten Ausgabe der Lage wieder. Hattest Du den Eindruck, dass da „nur Blödsinn geredet“ wurde? Ja, das Video ist fast 2h lang, und erfordert gute Englischkenntnisse. Der Vortrag selbst ist etwas über 30min lang, gefolgt von vielleicht 80min hörenswerter Diskussion, an der auch Ukrainer teilnehmen. Wenn man bereit ist, seine eigene Filterblase zu verlassen, sollte man sich dieses Video ansehen.

3 „Gefällt mir“

4,5 Millionen Russlanddeutsche kamen nach Ende des kalten Krieges nach Deutschland.
Wenn jetzt die Hälfte davon in Sachsen wohnen würde und sich, unabhängig ihres Passes, der Sowjetunion nachtrauern würde, würde das reichen, dass Russland einmarschieren darf oder müssen noch weitere Bedingungen erfüllt sein?

Das mit den 40% habe ich jetzt nicht gefunden.
Laut Wikipedia leben aber 3,3 Millionen Ukrainer in Russland. So langsam verstehe ich Russlands Sorgen, dass die Ukraine da einmarschieren könnte, um seine Leute zurück ins Land zu holen. Ich kann da nur sagen: es ist nicht immer gut, von sich auf andere zu schließen.

1 „Gefällt mir“

Eure Aussage, dass Russland seine Truppen mehrere Jahre als Drohpotential an der Grenze stationiert lassen kann, ohne große negative Begleiterscheinungen, finde ich zu wenig durchdacht. Solche Truppenkonzentrationen die ständig kampfbereit sein müssen, sind für Soldaten eine starke psychische Belastung. Wenn diese länger anhält gibts den sogenannten Lagerkoller, woraufhin das Risiko des vermehrten Alkohol-und Drogenkonsums in der Truppe steigt. Abgesehen davon sind die Kosten für Mensch und Material, um diese kampfbereit zu halten nicht zu unterschätzen. Dann gibts da auch noch die Zivilbevölkerung im Bereich der Stationierung, welche mit der Zeit ihren Patriotismus verlieren würde, weil es zu immer mehr Spannungen zwischen den Einheimischen und den Soldaten kommt. Putin wird sich solch einen Zustand nicht leisten wollen, deshalb wird er den Konflikt in absehbarer Zeit zu lösen versuchen.

Dafür ist es über ein halbes Jahrhundert zu spät. Die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs haben zwar in der Theorie eine Struktur geschaffen, die Angriffskriege mit der Autorisierung von korrektiven militärischen Interventionen sanktionieren könnte, aber für den Fall, dass ihre eigenen Interessen berührt sind, haben sie sich im dafür zuständigen Gremium, dem Sicherheitsrat, ein Vetorecht eingeräumt, um diese Gegenmaßnahmen ggf. aussetzen zu können. Weil aber die verbliebenen Großmächte überall ein bisschen ihre Finger mit drin haben, ist der Sicherheitsrat, von einigen wirklichen blockfreien Bereichen und Sondersituationen abgesehen, effektiv ausgeschaltet.

1 „Gefällt mir“

Die NATO Frage halte ich nur die ein vorgeschobenen Argument, den würden wir eine EU-Armee gründen, würde Putin genau so jammern, wenn die Ukraine mitmachen will. (In vielen Verträgen, wie der Schlussakte von Helsinki, hat die UdSSR die freie Bündniswahl aller Staaten anerkannt! Dazu gehört auch die NATO Osterweiterung)

Eigentlich will Putin hier in erster Linie den wirtschaftlichen Aufschwung in der Ukraine stoppen! Denn wenn seine Bürger sehen, das es dem pro europäischen Land viel besser geht, seit es freie Medien, Demokratie und unabhängige Gerichte hat und wirksam gegen Korruption vorgeht, ist Russland auch nicht mehr vor Unruhen sicher!

Und diese Destabilisierung der Wirtschaft hat Putin allein durch die Truppenaufmärsche erreicht. Alle Ukraine versuchen jetzt ihr Geld im Ausland an zu legen. Ich bekomme das unmittelbar im Energiesektor mit, wo wir plötzlich keine Anteile unserer Energiegenossenschaften verkaufen können. Und alle Investitionen aus dem Ausland sind gestoppt. Alle Windkraft, Solar und Wasserstoffprojekte liegen auf Eis! Ganz nebenbei bleibt das Land dadurch auch von Russlands Gas abhängig.

@vieuxrenard @philipbanse ich finde ihr fokussiert zu sehr auf die Oberflächen militärischen Drohungen und zu wenig auf die wirtschaftlichen Entwicklungen dahinter…

1 „Gefällt mir“

Also die Ukraine ist alles andere als ein Land im wirtschaftlichen Aufschwung.

Das Problem ist nur, da es keine offene Drohung gibt, sondern nur eine, die durch Medien und Politik interpretiert wird, sind die gegenwärtigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Ukraine eigentlich das Ergebnis des Handelns von Akteuren, die Russland selbst gar nicht kontrolliert.

1 „Gefällt mir“

Hier ist ein Artikel zum Thema von einem sehr weisen mann. Um den kostenos lesen zu können, muss man sich mit seiner Emailadresse anmelden. Aber das geht ganz schnell. Es lohn sich!

Finde ich einerseits zu hoch aufgehängt, andererseits würde ich die dahinterliegende Analyse nicht teilen. Ich wusste nicht, dass Harari zu der Gruppe von Intellektuellen zählt, die die These von der friedlichsten aller Zeiten vertreten. Die hat viele Probleme.

Es ist schön, dass seit dem Zweiten Weltkrieg keine Staaten mehr geschluckt wurden. Könnte natürlich daran liegen, dass große Teile der Welt immer noch in Kolonialreiche integriert waren, für deren Schaffung in den Vorjahrhunderten viele der Kriege geführt wurden, und es im Rest vom 20. Jahrhundert vor allem zu Kriegen kam, die mit dem Zerfall dieser Reiche und ihrer Nachfolgewirkung zu tun hatten. Mit der Zahl der staatlichen Konfliktteilnehmer ist die Zahl der Konflikte in jedem Fall gewachsen.

Zudem Harari sitzt nicht einfach in Südwestasien, er sitzt in Israel. Und dieses Land ist ein Paradebeispiel für das ganze Spektrum von Völkerrechtsverletzungen: Angriffskrieg, militärische Interventionen in anderen Ländern ohne Kriegserklärung, Drohung mit militärischer Gewalt, Annexion eroberter Gebiete, Siedlung auf besetztem Gebiet, ethnische Säuberung, (Luftkriegsführung in dicht besiedelten zivilen Gebieten), Ermordung von Staatsangehörigen fremder Staaten, Beschaffung von Waffen, die internationaler Kontrolle unterliegen. Das meiste davon mit Deckung der USA. Nun kann man sich lange streiten, ob Israel einige Dinge von dieser Liste tun musste, um zu überleben, der Punkt ist, als jemand, der in einem Land lebt, das vom Nichtgelten der internationalen Ordnung für den eigenen Fall enorm profitiert, finde ich, ist es eine erstaunliche Einschätzung, die ich sonst vermutlich eurozentrisch genannt hätte.

Vielen Dank für die Perspektiverweiterung. Das stimmt, dass eine offene Kriegserklärung nicht der einzige Weg ist, über andere Völker zu herrschen.

Russland hält die Drohung, jederzeit einen Krieg gegen die Ukraine beginnen zu können, schon seit 8 Jahren aufrecht. Da kann das Land natürlich keinen wirtschaftlichen Aufschwung erleben. Die Ukraine soll als Mitglied für NATO und EU möglichst unattraktiv sein. Die einzigen zwei Wege da raus sind entweder Putin die Garantien zu geben die er will, oder die Ukraine in die NATO aufzunehmen und damit auf maximale Konfrontation zu gehen - auch wenn das Krieg mit Russland bedeuten könnte.

1 „Gefällt mir“

Ich bin durch einen Artikel im Guardian (auch interessant, lässt sich aber hauptsächlich über die Unfähigkeit/Untätigkeit Großbritanniens aus) über diesen Artikel hier gestolpert: WHY INTERMEDIATE-RANGE MISSILES ARE A FOCAL POINT IN THE UKRAINE CRISIS

Es wurde ja ein paar mal teils relativ verächtlich darauf hingewiesen, dass es nichts gäbe wovor Russland sich fürchten könnte. Wenn man das verengt auf einen direkten Angriff auf Russland betrachtet, wird das wohl auch stimmen, aber der Artikel beleuchtet, auf welcher Ebene sich Russland militärisch tatsächlich als bedroht ansieht.

Für die, die es nicht lesen wollen oder können, im wesentlichen geht es darum, dass die USA das Abkommen über das Verbot von Mittelstreckenwaffen in Europa aufgekündigt haben. Als Grund dafür wurden Verletzungen des Abkommens durch Russland geltend gemacht. Wichtiger als der Grund ist aber die Folge. Den US-Militärs schien das ganz gelegen zu kommen, um endlich in größerem Stil Präzisions-Mittelstreckenwaffen zu entwickeln, ein Gebiet auf dem China gerade wohl die Vormachtstellung hat. Putin hat mehrfach ein Moratorium zur Stationierung dieser Waffen in Europa ins Spiel gebracht, aber die USA (noch unter Trump) haben das Angebot ignoriert. Von diesen Waffen sieht Russland jetzt anscheinend erstens seine militärischen Operationsfähigkeiten bedroht und zweitens gibt es das Problem, dass die USA diese Waffen wohl konventionell bestücken, für den „Empfänger“ aber nicht ersichtlich ist, was auf ihn zukommt. Die Russen müssen die Verwendung dieser Waffen also immer als potentiellen nuklearen Erstschlag sehen.

In dem Kontext finde ich es dann auch interessant, dass zumindest in den Medien, die ich konsumiere, ständig darauf hingewiesen wird, dass Russland sich bedroht fühlt, das aber nie konkretisiert wird. Das wird einfach immer so in der Luft hängen gelassen, so dass für den Leser die Implikation bleibt, dieses Bedrohungsgefühl sei unverständlich bis imaginiert.

3 „Gefällt mir“

Wäre fast so als würde Mexiko China militärisch um Hilfe bitten.

Zu Folge 277: Die Logik hinter diesen Überlegungen, Russland könnte eine Eskalation militärischer Präsenz nicht wieder zurückfahren, erschließt sich mir wirklich nicht. Die Russen haben bisher darauf bestanden, dass es keine Angriffspläne gäbe. Warum sollte es von diesem Stand aus irgendwelche Hürden geben, Einheiten wieder aus der Region an ihre eigentlichen Stationierungsorte zu verschieben? Die militärische Schlagkraft Russlands basiert auch darauf, dass sie diese große Armee zur Verfügung haben und die Möglichkeit sie schnell zu verlegen. An der dauerhaften Bindung konzentrierter militärischer Kräfte an einen Standort ist man denke ich nicht interessiert. Und einige der Einheiten, die aus Fernost in den Westen verlegt wurden, können auch gar nicht dort bleiben, weil sie in der Heimat Teil der Abschreckung sind.