Kommt auf die Waffen an. Stinger-Flugabwehrraketen etwa eigneten sich gar nicht zum Zurückerobern des Donbas (die „Separatisten“ haben ja keine Flugzeuge), und Panzerabwehrraketen eignen sich auch in erster Linie gegen Panzer, auch wenn man sie selbstverständlich gegen Punktziele verwenden kann. Aber grundsätzlich ist die Entscheidung zwischen offensiven und defensiven Waffen eher Unsinn, wie @mssfoa schon geschrieben hat. (Genauso wie die Idee, dass es eine Offensiv-Defensiv-Balance gibt, auf deren Basis die Wahrscheinlichkeit für einen Krieg steigt oder sinkt: https://web.stanford.edu/class/polisci211z/2.3/Lieber%20IS%202000.pdf)
Was in jeglichen Diskussionen über Waffenexporte generell untergeht: Wenn Deutschland nicht liefert, liefern andere. Die Türkei stattet die Ukraine ja zum Beispiel mit Drohnen aus, USA/UK mit Panzerabwehrlenkwaffen. Egal ob Deutschland nun Waffen liefert oder nicht, die militärischen Fähigkeiten der Ukraine werden durch Militärhilfe anderer Staaten ohnehin zunehmen.
Ist es es für die Bundesrepublik nun von Vorteil, da nicht mitzumachen? Oder ist der Schaden größer, wenn Deutschland keine Waffen liefert? Ich meine, letzteres. Bei den NATO-Verbündeten kommt der deutsche Sonderweg jedenfalls nicht gut an.
Erwähnt werden sollte auch noch, dass es nicht um Waffenexporte (Ukraine bestellt Waffen bei einem deutschen Unternehmen), sondern um Militärhilfe (Deutschland stellt Ukraine Waffen aus Beständen der Bundeswehr zur Verfügung bzw. kauft diese für die Ukraine) geht. Meines Wissens haben die ukrainischen Streitkräfte keine Waffen bei deutschen Unternehmen bestellt. Da lasse ich mich aber gerne korrigieren.
Noch ein Lesetipps zum Thema „Sinnhaftigkeit von Rüstungsembargos“: The Case Against Arms Embargos, Even for Saudi Arabia
Und noch einer zur Frage, was Waffenlieferungen an die Ukraine aus militärischer Sicht bringen (Spoiler: Wenig. Aber es gibt ggf. andere Gründe, trotzdem zu liefern, z. B. moralische): U.S. Military Aid to Ukraine: A Silver Bullet? | RAND?
Dieser Schritt muss aber von Finnland und Schweden kommen. Nicht auszuschließen, dass sich die beiden Staaten dazu entscheiden könnten, sofern Russland in der Ukraine einmarschiert. In Schweden gibt es glaube ich eine gesellschaftliche Mehrheit, aber die schwedischen Sozialdemokraten sind dagegen. Generell könnte die Invasion natürlich politische Effekte in Europa haben, die wir uns jetzt nur schwer vorstellen können – zum Beispiel massive Investitionen in die Streitkräfte und/oder stark verstärkte militärische Kooperation der EU-Staaten.
Aber wie James G. Stavridis, der ehemalige SACEUR (NATO-Oberbefehlshaber in Europa) immer zu Schweden und Finnland sagte: “If you ever want to join NATO, let us know on a Wednesday and we’ll have you in by Friday.”