Nein, ich erwarte von „den Medien“ nicht, dass sie bestimmte Vermutungen über den Tathergang aussprechen - wobei m. E. schon auffällt, dass Du immer wieder betonst, dass es ja „nicht mal ansatzweise Faktenwissen“ gäbe - aber auf diesbezügliche Indizien mit keiner Silbe eingehst.
Was ich meine und was ich auch so geschrieben habe ist, dass Medien angesichts einer durchaus recherchierbaren Indizienlage und angesichts zahlreicher Beispiele für die Nebelkerzen-Taktik des Kreml nicht einfach die Anschuldigungen gegen Moskau und gegen Kiew auf eine Stufe stellen sollen als seien es gleichwertig ernst zu nehmende Positionen. Ich würde behaupten, dass genau die Äquidistanz, die ZDF und mdr heute gezeigt haben und die auch Du mit dem Schlagwort „Propaganda“ bedient hast, zur Legitimation derselben beiträgt. Und das kritisiere ich.
Noch besser war es übrigens Montag morgen, als der DLF in den Nachrichten eine Meldung brachte, die im Wesentlichen auf der russischen Nachrichtenagentur TASS als einziger Quelle basierte. Vielleicht wäre das Beispiel besser, weil weniger komplex gewesen, um zu zeigen, worum es mir eigentlich ging.
Super, dann sind wir uns an dieser Stelle einig, auch wenn mich dann deine vorherigen Aussagen irritieren. Sei’s drum.
Warum nicht? Medien sind keine Schiedsrichter. Medien haben in Nachrichtenbeiträgen nicht die Aufgabe zu urteilen, ob A oder B wahrscheinlicher ist. Dafür gibt es Meinungsbeiträge oder Pro-Kontra-Formate.
Besser wäre es doch, wenn man gar nicht erst ins Spekulieren einstiege bis der erste Rauch sich legt. Es fällt mir oft schwer nachzuvollziehen, warum wir so früh über den Verursacher einer Tat streiten müssen. Erschwert wird das in diesem Fall noch dadurch, dass es auch einfach ein tragischer Unfall im Krieg gewesen sein kann.
Mir scheint (ohne, dass ich dir das jetzt attributieren möchte), dass die instantane Suche nach dem Verursacher nur dem Wir-gegen-Die-Gefühl dient (und zwar auf allen Seiten). Wir neigen dazu, die unmenschlichen Taten des Gegners ins Rampenlicht rücken zu wollen, um uns selbst der moralischen Überlegenheit der eigenen Position zu vergewissern. Tut man dem anderen damit Unrecht, ist es gleich, schließlich handelt es sich um den Gegner.
Ich würde mir wünschen, dass wir alle erstmal abwarten, bevor wir einseitig Partei ergreifen oder eine Seite (implizit) der Lüge bezichtigen. Das gilt für uns Unwissende ebenso, wie für die Medien, als auch für unsere höchsten Repräsentanten.
Wäre vielleicht besser gewesen. Vielleicht magst du ja das Beispiel wechseln? Wobei ich hoffe, dass da mehr schief ist als nur eine Quelle, die du nicht magst. Denn ehrlich, auch die TASS kann manchmal richtig liegen.
Es ist schon merkwürdig, wenn Du Dich in einen Thread darüber beschwerst, dass es eine Spekulation nicht in die Nachrichten geschafft hat, um dann im anderen Thread davor zu warnen, zu spekulieren.
Du sprichst auch konsequent auf einer abstrakte Ebene von „Spekulationen“, „instantaner Suche nach dem Verusacher“, „moralischer Überlegenheit“ und „Partei ergreifen“ - ohne auf den konkreten Fall, auf den von mir mehrfach angeführten Kontext russischer Propagandataktiken oder auf die verschiedensten Indizien einzugehen - auf diese inhaltliche Ebene lässt Du Dich einfach überhaupt nicht ein. Sonst würde auch ziemlich schnell klar werden, dass es auch für den Fall eines „tragischen Unfalls“ eine klare Verantwortlichkeit gibt. Denn eines lässt sich zweifelsfrei sagen: Wäre Russland nicht in die Ukraine einmarschiert, wäre dieser Damm nach wie vor unbeschädigt.
Ich denke, da sind sich alle einig.
Der Unterschied ist nur: Eine absichtliche Sprengung durch Russland (oder die Ukraine) wäre ein massives Kriegsverbrechen der jeweiligen Seite (dh. auch die Ukraine hätte im Rahmen der Landesverteidigung nicht das Recht, den Damm zu sprengen, wenn dadurch Tausende Menschen vertrieben werden; Russland ohnehin nicht), ein Bersten aus Wartungsmangel oder durch eine „versehentliche Sprengung“ (z.B. durch Artilleriefeuer) wäre hier nur unter sehr engen Voraussetzungen überhaupt als Kriegsverbrechen zu bewerten („fahrlässige“ Kriegsverbrechen werden auch politisch / diplomatisch anders eingeordnet).
Daher: Die politische/moralische Verantwortlichkeit im Sinne einer Kausalität trägt in jedem Fall Russland, die juristische Verantwortlichkeit im Sinne eines Kriegsverbrechens und etwaiger Reparationsansprüche (wenn es dazu jemals kommt) hängt aber von der konkreten Urheberschaft der Zerstörung ab…
Ansonsten würde ich zu dem Thema auch sagen, dass Spekulationen wenig Sinn machen… wir können nur abwarten, die Regierungen werden sich auf die Erkenntnisse ihrer Geheimdienste berufen und sich Meinungen bilden, unsere Meinung als „Bevölkerung“ wird hier wenig ändern. Ob jemals eine unbestreitbare Wahrheit in diesen Angelegenheiten (Staudamm, NS2) publik wird, bleibt abzuwarten… wenn, dann vermutlich erst nach Kriegsende.
Zwei Gedanken.
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@pitus , @Veche: Ich bin sicher, schon die Forensoftware hat Euch darauf hingewiesen, dass Ihr nur noch gegenseitig antwortet und vorgeschlagen, diese Diskussion per PN weiter zu führen. Dieses rekursive „Du hast gesagt … ich hab gesagt“ bringt „uns andere“ nicht wirklich weiter, oder?
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Wenn ich z.B. mir in der ZDF App die Headlines der letzten 24h anschaue, kann ich den Vorwurf, die Medien würden im überobjektiven Eifer der Sicht „der Russen“ zu viel Raum geben, nicht erkennen: Dort kommen fast nur „Experten“ zu Wort, die vermuten, dass es „die Russen“ waren.
Jep, hast Recht. ich hätte beim ersten „Propaganda“-Vorwurf aussteigen sollen. Außerdem ging es mir wirklich nicht ums Whodunnit, aber scheinbar ist das dann wohl doch zu verlockend (das beziehe ich ausdrücklich auch auf mich selbst). Was die Medien angeht, war ich von der Meldung gestern morgen wirklich schockiert, weil sie bei mir so ein 2014-deja-vu ausgelöst hat (daher mein Verweis auf die Chose nach dem Abschuss von MH17). Ich bin froh, dass sich scheinbar doch einiges getan hat, dass in den Tagesthemen nun Carlo Masala und nicht mehr Gabriele Krone-Schmalz befragt werden - insofern hat sich der Thread vielleicht einfach erledigt und wir können ihn schließen.
Da der Thread noch nicht geschlossen wurde und es ja doch einiges an Recherchen gab in der letzten Woche nun doch noch mal ein Update in Sachen „whodunnit“: Viele Expert:innen gehen inzwischen davon aus, dass der Kachowka-Staudamm nur durch eine massive Explosion von innen heraus so zerstört worden sein kann. Der Damm wurde atombombensicher(!) gebaut, hatte aber extra Kammern für Minen, damit er gezielt zerstört werden kann. Und den Teil dieses Damms kontrollieren seit über einem Jahr ausschließlich russländische Streitkräfte. Zudem haben norwegische Seismolog:innen ganz eindeutig eine massive Explosion verzeichnet.
Ein paar weitere Argumente, weshalb auch andere Szenarien auszuschließen sind, gibt es hier:
https://euromaidanpress.com/2023/06/13/no-the-kakhovka-dam-could-not-have-collapsed-on-its-own/?swcfpc=1
Nun zurück zu meiner eigentlichen These: Ich würde mal vermuten, dass nun, da die Faktenlage ja einigermaßen geklärt zu sein scheint (aber das Thema aus den Nachrichten fast schon wieder zu verschwinden droht), bei vielen im Kopf ein „naja, man weiß ja nicht genau, wer das war“ zurückbleibt - eben haargenau wie beim Abschuss des Passagierflugzeugs MH17 2014. Damit hätte die russländische Propaganda (mal wieder) ihr Ziel genau erreicht.