Auch für mich ist es noch viel zu früh um über den Urheber zu spekulieren.
Laut Carlo Masala (Tagesthemen heute) hat keine Seite einen Vorteil durch die Sprengung.
So spreche gegen Russland als Urheber, dass es keinerlei Einfluss auf die ukrainische Gegenoffensive hätte und die Ukraine dort ohnehin nicht gekämpft hätte (zu wenig amphibische Fahrzeuge für eine Offensive am Dnipr). Außerdem zerstöre man die eigenen, gerade erst aufgebauten Stellungen.
Gegen die Ukraine spreche das unermessliche Leid, das diese Tat verursache und dass durch die Sprengung eine Stadt zerstört wird, die man erst vor wenigen Monaten in harten Kämpfen befreit hätte (Cherson).
Er folgert daraus, dass für folgende Szenarien am wahrscheinlichsten sind:
- es handelt sich um einen Unfall. Der Staudamm sollte kontrolliert gesprengt werden. Vermutlich meint er damit die Theorie, dass das Niveau des Dnipr um einige Meter erhöht werden sollte, damit der Fluss breiter wird und so eine Landung ukrainischer Truppen weiter erschwert. Eine solche Sprennung könne dann aber außer Kontrolle geraten sein.
- Es handelt sich um eine völlig verrückte russische Sprengung ohne jeden Zweck.
Persönlich finde ich, und weiß dass ich mich damit sehr weit aus dem Fenster lege, den Zeitpunkt bemerkenswert (was auch gänzlich zufällig sein kann). Just an dem Tag, an dem die Washington Post neue Informationen zur Nord Stream Sabotage veröffentlicht (bzw. wenige Tage nachdem sie die USA und die Ukraine zur Stellungnahme zu ihrem Bericht auffordert)
, bricht der Staudamm. Und wir reden völlig nachvollziehbar eben nicht über diese neuen Verdächtigungen, sondern über das immense Leid in den überschwemmten Gebieten und die Grausamkeit Russlands.
Daher erscheint mir auch eine ukrainische Sprengung als Ablenkungsmanöver für möglich (sind wir ehrlich, Pläne für eine Sprengung des Staudamms existieren sicher auf beiden Seiten), wenn auch so absurd inhuman, dass ich es mir gar nicht vorstellen möchte. Und es setzt voraus, dass die Ukraine tatsächlich in die Sprengung von Nord Stream involviert gewesen sein müsste.
Zusammengefasst, wir wissen nichts. Etliches ist möglich und gleichzeitig auch völlig absurd. Beschuldigungen in diesem diffusen Faktenfeld sind völliger Unsinn und wenig hilfreich. Man kann für jeden beliebigen Lieblingsschuldigen eine plausibel klingende Geschichte konstruieren. Also lasst uns abwarten was die Zukunft an Hinweisen offenlegt, statt schon wieder das Verurteilungskarussell anzustoßen.