Rücktritt bei den Grünen

Danke für deine Rückmeldung als Grünen-Mitglied. Ich habe mal eine ernst gemeinte Frage an einen Beteiligten, weil ich von der „Merkel-Lücke“ immer wieder höre und dass Habeck in diese Lücke stoßen möchte.

Was ist denn konkret die „Merkel-Lücke“? Was macht diese konkret aus? Ist es eine inhaltliche Politik oder eher der Regierungsstil/Führungsstil/Kommunikationsstil?
Ich frage das, weil ich Merkel immer als sehr situativ flexibel und vage wahrgenommen habe. Und es ist ja bekannt, dass das Bundeskanzleramt unter ihrer Regierung drei Umfragen pro Woche in Auftrag gegeben hat (Quelle siehe unten). Die Grünen nehme ich aber als eher positionsfest (zumindest im Klimaschutz) wahr.
Wo also würdest du als Grünenmitglied die „Merkel-Lücke“ sehen und wo sollten die Grünen da konkret rein? Und vor allem - wie groß ist denn diese „Merkel-Lücke“ in Prozent der Wählerstimmen?

Quelle: Umfragen von Angela Merkels Regierung - DER SPIEGEL

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Da würde ich gerne mal einhaken, weil da der Hase im Pfeffer liegt. Weil das was nötig ist derzeit offensichtlich politisch nicht möglich ist. Mir hängt das bei Beispiel Klima zum Hals raus, aber es taugt halt gut.
Nötig wäre eine entschiedene Reduktion des CO2-Ausstoß. Da geht es auch nicht um gefühlte Dinge sondern um messbare Fakten. Politisch möglich ist nichtmal ein Tempolimit.
D.h., sich mit dem „möglichen“ zufrieden geben heißt hier, das „nötige“ nicht zu tun. In Anbetracht der Konsequenzen wäre es also dringend notwendig den Rahmen des politisch möglichen zu verschieben. Und sich nicht damit zufrieden zu geben.

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Ganz einfach - bockiges Kind spielen!

Es war doch unrealistisch, nach dem Beginn des Angriffskrieges Russlands ohne Steuererhöhungen mit Schuldenbremse irgendetwas zu bewegen.

Wer mag keine Steuererhöhung?
Wer verehrt die Schuldenbremse?

Und nachdem keiner der anderen beiden Partner bereit war, die Koalition zu verlassen, konnte die FDP machen was sie wollte (aus ihrer Sicht nicht gerade erfolgreich). Dadurch war dieser Koalition ein enger Handlungsrahmen vorgegeben, indem sie nicht mehr gestalten konnte.

Das haben sie aus meiner Sicht nicht oft gemacht, falls doch ist es zumindest nicht gut angekommen. Nachdem die vorherrschende Meinung in der Öffentlichkeit ist, die Schuldenbremse auf jeden Fall zu erhalten und keine Steuererhöhungen zuzulassen, konnte man schlecht mit dem Finger auf die FDP zeigen.

Das finde ich auch. Selbst das Gebäudeenergiegesetz ist ja beschlossen. Leider sind Subventionen und Förderungen immer nach Kassenlage vorgenommen worden, man hat nicht versucht die Kassenlage an die Bedarfe anzupassen.

Machen sie das überhaupt, ich erkenne es nicht. Aus meiner Sicht reiten dieses Pferd doch ausschließlich die Konservativen und die Rechten. Was die sich alles ausdenken, fällt selbst den schlimmsten Identitätspolitiker nicht ein. :thinking:

Was ich auch nicht verstehe dass man immer noch ohne es genauer zu Bewerten von „links-grün“ spricht. Auch die Grüne Partei hat viele Positionen, die bei weitem nicht mehr Links zu bewerten sind. Vielleicht speist sich die Enttäuschung einiger auch auf dieser falschen Vorstellung. Grün war vielleicht mal in ihren Politikfeldern sehr Links, aber realpolitisch haben sie sich schon lange davon entfernt.

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Jetzt ist der Vorstand der grünen Jugend in Niedersachsen auch zurückgetreten. Langsam sollten sich die Grünen mal Gedanken machen, es scheint gerade etwas übles ins Rutschen zu kommen.

Da tobt jetzt der Kampf Jung vs Alt, siehe:

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Ich fand zwei Podcasts (die jeweils aktuellen Folgen von Ronzheimer und Machtwechsel) zum Thema spannend, weil sie einiges an Hintergrund zu bieten hatten. Hier kurz die Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse für mich

  • Habeck will freie Bahn für den Wahlkampf im nächsten Jahr und sich grob gesagt nicht mehr so viel mit der Partei rumärgern. Deshalb will er Franziska Brantner als Vertraute (und derzeitige Untergebene) an der Parteispitze sowie als Wahlkampfmanagerin. Diesen „Alleinvertretungsanspruch“ kann man durchaus als Angriff auf die innerparteiliche Partei betrachten.
  • Habeck sieht sich selbst als Nachfolger Merkels, und zwar sowohl persönlich (Chef einer Partei der Mitte, die unterschiedliche Lager vereinen kann) als auch politisch (weniger Klimaschutz, mehr Wirtschaftsinteressen). Siehe dazu etwa diese Merkel-Hommage von ihm.
  • Inhaltlich räumt Habeck gerade ohne Not Klimaschutzmaßnahmen und setzt sich 1:1 für die Umsetzung von Forderungen der Autoindustrie ein - etwa beim Thema Flottengrenzwert (siehe hier)

All das kann die Reaktion der Grünen Parteijugend m.E. zumindest zu einem Teil erklären.
Ich würde sagen: Alle die eine Merkelisierung oder CDUisierung der Grünen wollen, dürfen sich auf das nächste Jahr freuen. Ob das Projekt aber erfolgreich sein wird und was dann eigentlich die Leute wählen sollen, die eine linksliberale, rechtsstaatsfördernde, nicht auf dem anti-Migrationskurs aufspringende, ökologisch orientierte und nicht russlandfreundliche Partei wollen, steht aus meiner Sicht in den Sternen.

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Na super, die können ja dann auch wieder ne neue Partei gründen.
Noch mehr Zersplitterung.

Warum ist das ein Problem? Ich finde mehr demokratische Diversität gut im Gegenzug zum sehr unbefriedigenden Status Quo. Würde auch den fragwürdigen Lobbyismus vielleicht etwas aushebeln. Ist mir lieber als Habecks Versuch, die Grünen zu einer 2. CDU zu machen. Und schon allein der Wunsch eine neue Merkel Kanzlerschaft zu starten ist ein Grund ihn nicht zu wählen.

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Oder sich Der Linken anschließen.
Diese Idee kursiert scheinbar schon, auch die Linke bietet sich aktiv an.
Und der Zeitpunkt ist eigentlich perfekt. Die Linke ist in einem Erneuerungsprozess, Frau Wagenknecht ist weg.

Schön wär’s, wenn das politische Profil der Linken seit dem Weggang von Wagenknecht so eindeutig wäre. Da ist noch sehr viel ungeklärt, um es mal sehr wohlwollend zu formulieren. Und für linke Grüner dürfte es da so einige Knackpunkte geben - nicht nur beim Thema Ukraine-Unterstützung.

Nein, mit „Merkel-Lücke“ meine ich die unaufgeregte, ideologiefreie & pragmatische Politik, die eben diese Kanzlerin 16 Jahre erfolgreich betrieben hat.
Meiner Einschätzung nach wollen die meisten Wähler in Deutschland nicht ideologiegeladene Grundsatz-Diskussionen und forcierten gesellschaftlichen Wandel (dieser ist halt einfach ein natürlicher Prozess, der schon mal eine Generation dauern kann → politische Intervention führt meiner Erfahrung nach in der Gesellschaft eher zu Abwehrreaktionen. Siehe: Frauenquote & Gendern).

Die aktuelle CDU unter Merz rückt so weit nach rechts, dass man sie in manchen Fragen schon als hellblau oder AfD-light bezeichnen kann. Die SPD halte ich seit Jahren für nicht gestaltungsfähig, vorallem so lange Scholz am Ruder ist (das könnte mit einem Wechsel in der Führung allerdings schnell anders aussehen).

Daraus folgt für mich, dass in der klassischen Mitte des politischen Spektrums (à la Merkel) eine klaffende Lücke herrscht. Diese gilt es mit dem gleichen ruhigeren, aber entschiedenen Stil von Politik zu füllen und dabei die nötige Transformation unseres Energiesystems und der Wirtschaft weiter voranzutreiben (Stichwort: Wasserstoffwirtschaft (!)).

An wen denn? Die Linke wird vermutlich nichtmal in den nächsten Bundestag einziehen. Eher ans BSW wobei die Unterschiede in der Klimapolitk zwischen diesen Parteien wohl kaum größer sein könnten.
„Moderne linke Politik“, wie sie die Linke oder auch der Jugendverband der Grünen betreiben wollen, halte ich für politisch nicht mehrheitsfähig, nicht mal annährend. Diese Positionen sind teils so radikal und realitätsfremd, dass auch Kompromisse nahezu unmöglich erscheinen.

Klare Folge von Woidkes Strategie: „Entweder ihr wählt mich oder ich bin halt weg“

s. oben in diesem Post.

Zusätzlich würde ich noch hinzufügen wollen, dass ich damit den Führungsstil bzw. die Art des Regierens meine. Charisma und Rhetorik waren ja jetzt nicht unbedingt die Stärken von Kanzlerin Merkel :sweat_smile:
Aber bei diesen Themen mache ich mir bei Habeck auch keine Sorgen.
Ebenfalls muss es darum gehen die Probleme bzw. Anliegen der Mehrheit in der Gesellschaft wieder sichtbar in den Vordergrund der deutschen Politik zu stellen.

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Das wäre wirklich stark. Vor allem könnte bereits existierende Strukturen nutzen, die ja die meiste Arbeit einer Neugründung beinhalten. Da könnte eine neu strukturierte Linke vielleicht den Grünen massiv Stimmen abnehmen.

Das Problem dabei ist nur, was als Erfolg gewertet wird, und in welcher Situation man war. Die Ampel (und damit die Grünen) wollten doch genau vieles besser und anders machen. Davon soll dann nichts mehr übrig bleiben?

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Das ist jetzt Satire, oder?

Merkel hat erfolgreich die Reformen der Schröderjahre nutzen können, hat sich in der Atomkraftdebatte mit dem Wiederein- und Wiederausstieg nicht gerade ein Denkmal gesetzt, in der Asylpolitik vergessen, dass nach dem Willkommen auch das Integrieren kommt und seit 2014 Putin walten und schalten lassen. Außerdem erfolgreich zuerst Solaranlage- und dann Windenergiehersteller pleite gehen lassen.

Was ich mir wünsche, ich kann ja schlecht von anderen Wählern reden, ist eine Regierung, die ihre Opposition nicht in den eigenen Reihen sitzen hat. Das hat extrem viel kaputt gemacht.
Man stelle sich vor, die FDP wäre nicht für einen billigen Punkt gegen die Grünen auf den Zug beim Gebäudeenergiegesetz mit aufgesprungen sondern hätte innerhalb der Regierung den Entwurf bis zu Ende entwickelt.

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Wo genau war diese Politik pragmatisch? Ihre Politik war rückständig und Gesellschafts- und Wirtschaftsschädigend. Ich bin froh, dass sie weg ist, denn sie hat es geschafft nach 16 Jahren einen Scherbenhaufen zu hinterlassen, der wahrscheinlich in 16 Jahren noch nicht aufgekehrt ist. Darunter fallen übrigens auch die Probleme der Autobauer, die Rentenprobleme, Infrastrukturschulden, dass Erstarken der AfD, die Abhängigkeit zu Russland, die verschlafene Energiewende…was also genau ist daran in irgendeiner Form erstrebenswert?

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Ich verstehe schon was man bei Merkels Politik als pragmatisch verstehen kann ohne damit das Ergebnis dieser Politik zu meinen.

Ich glaube mit der Art wie in dieser Zeit Politik gemacht wurde hätte man sehr viel mehr machen können was aber versäumt wurde.

Sich an diesem Stil zu orientieren muss ja nicht automatisch bedeuten, dass man auch alles verschleppen will.
Das ärgerliche an der Ära Merkel ist z.B. in meinen Augen, dass so viele Chancen verpasst wurden Dinge umzusetzen für die es heute weit schwerer ist die nötige Akzeptanz zu bekommen, auch weil die Union selbst heute dagegen argumentiert.

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„Moderne linke Politik“, wie sie die Linke oder auch der Jugendverband der Grünen betreiben wollen, halte ich für politisch nicht mehrheitsfähig, nicht mal annährend. Diese Positionen sind teils so radikal und realitätsfremd, dass auch Kompromisse nahezu unmöglich erscheinen.

Ich hätte dazu ehrlich gesagt gerne mal Beispiele. Was genau fordert denn die „Moderne linke Politik“, was so dermaßen radikal und weltfremd ist?
Und wie verhält sich das zu der Tatsache, dass der neue (Ex-)Grüne Jugendverband offensiv in den ersten Stunden betont, materielle Sorgen (z.B. Wohnen, Lebenshaltung, Soziale Abfederung der Klimatransformation) in der Vordergrund stellen zu wollen?
Klingt für mich ehrlich gesagt etwas nach der alten rechten Leier von den „links-grün-versifften jungen Leuten“, auf die man als Grüner mit Merkelianischen Absichten nicht aufspringen sollte

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Wenn „Erfolg“ nur Wiederwahl bedeutet, hast du recht. Wenn „Erfolg“ auch so Kriterien erfüllen soll wie Notwendigkeiten, Nachhaltigkeit oder Zukunftsfähigkeit, muss man sagen, die Kanzlerin hat vielleicht unsere Gesellschaft soweit nach vorne gebracht, wie das möglich war, aber das ist, gemessen am Nötigen völlig unzureichend. Mittlerweile traue ich unserer Gesellschaft mehrheitlich allerdings auch nicht mehr zu, als unter Merkel und versuche, mich damit abzufinden, dass das halt nicht reichen wird, um für die Generation meiner Kinder noch eine wohlhabende, demokratische Zukunft zu bauen.

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Der Punkt ist doch, das beides zusammen hängt.
Hätte Merkel I nicht das EEG verstümmelt und mißbraucht, weil man lieber kurzfristig billige russische Energie haben wollte würde die Sache heute ganz anders aussehen.

Dann wäre nämlich die Energie in Dtl. heute deutlich billiger als jetzt wo man kurzfristig nachholen muss was man Jahrzehntelang erfolgreich verschleppt hat.

Denn wenn die Energie billig ist, ist auch die ökonomisch-soziale Frage gelöst.

Also zumindest an den Wählerwanderungen kann ich deinen Befund (von dem ich im Grunde wünschen würde, dass er zuträfe) nicht ablesen. Wäre es so, müssten mangels klimaschützender und/oder migrantenschützender Alternative ja viele ins Nichtwähler-Lager gewechselt sein, oder zu den sonstigen. Aber das ist nicht der Fall?