Rücktritt bei den Grünen

Als gelungene oder meinetwegen auch erfolgreiche Politik würde ich das Genannte alles auch bezeichnen. Ob man es schon als „Wandel“ ansehen will, hängt dann wohl doch wieder vom Maßstab ab.

Es ist nicht nur der Form. Legt man die zitierte Definition der Wikipedia zugrunde, so geht es bei der Abgrenzung der Grünen von der AfD ja gerade nicht um die „Bedürfnisse einer spezifischen Gruppe von Menschen“, sondern um grundlegende Regeln von Demokratie, Rechtsstatlichkeit etc. - mithin also nicht um Identitätspolitik.

In der Tat. Ich beziehe mich auf auf den Tenor des Grundgesetzes, wonach der Wille „des Volkes“ (mir wäre ein anderer Begriff lieber) die Grundlage staatlichen Handelns ist (selbstverständlich im Rahmen genau dieser Verfassung und der zu ihr gehörenden unabänderlichen Grundrechte). Da steht aus gutem Grund nicht, dass diese Willensbildung nur im Rahmen des aktuell von den bereits an der Macht beteiligten Parteien als möglich erachteten stattfinden soll. Zudem haben nicht zuletzt Krisen wie die sogenannte „Bankenrettung“, Corona oder die „Zeitenwende“ gezeigt, dass bei entsprechendem politischen Willen politisch auf einmal sehr viel mehr möglich ist, als sich so mancher vorstellen konnte. Leider fehlt nur dieser politische Wille bezogen auf meiner Meinung nach notwendige nachhaltige Veränderungen wie eine Verringerung der sozialen Ungleichheit, eine Verbesserung des Bildungssystems, eine tragfähige Einwanderungs- und Willkommenskultur, eine tragfähige Infrastruktur, Verkehrswende etc. pp.
TL/DR: Ich bin nicht bereit, mich mit meinen politischen Präferenzen auf das (aktuell) politisch machbare zu beschränken. Das mögen andere gern anders sehen und meinetwegen auch als unrealistisch abtun. Es aber als unpolitisch abzutun, finde ich aus demokratietheoretischer Sicht ehrlich gesagt recht gewagt.

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Die Grünen und die AfD sind auf mehrere Politikfeldern radikale Gegenspieler, beispielsweise wird das bei „Triggerpunkte“ für die Identiätspolitik, die Migrationspolitik und die Umweltpolitik hervorgehoben. Bei der von Ihnen angesprochenen Rechtspolitik nehme ich die Grünen hingegen nicht als „radikal“ wahr, sondern als Teil der „gemäßigten Mitte“ (gemeinsam mit quasi allen anderen größeren Partei abgesehen von der AfD).

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Wie gesagt, ich kenne das Buch (leider noch) nicht. Aber wenn die Grünen beim Thema Identitätspolitik Gegenspieler der AfD sind bzw. als solcher wahrgenommen werden, ist das ja etwas komplett anderes als die Abgrenzung der Grünen von der AfD als Identitätspolitik zu bezeichnen.

Das habe ich ja auch nicht gesagt. Ich habe mich darauf bezogen, ob es strategisch schlau für die Grünen ist, sich auf dem Politikfeld „Identitätspolitik“ radikal zu positionieren (statt gemäßigter wie beispielsweise die SPD oder FDP).

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Alles klar, dann habe ich deinen Satz „Ich denke, es ist zumindest unstrittig, dass sich die Grünen in der Identitätspolitik als radikaler Gegenspieler der AfD positioniert haben“ einfach falsch verstanden. Nichts für ungut.

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Das hat deswegen funktioniert weil die öffentliche Meinung danach geschrien hat unkonventionelle Wege zu gehen. Zu keinem Zeitpunkt wurde hier deutlich Politik gegen einen aktiven Mehrheitswillen gemacht.

Du kannst natürlich trotzdem mehr als das Mögliche wollen. Leider wirst du dann wohl meistens enttäuscht werden und die allermeisten Menschen in der echten Politik werden über dich den Kopf schütteln und das produktive Gespräch mit dir schnell als ergebnislos abschreiben. Diese Lektion scheint die grüne Jugend vermutlich gerade gelernt zu haben.

Egal, ich will lieber Dinge voran bringen und daher mache ich was nötig und möglich ist und zerstöre nicht potentiell Brücken durch eine Alles-oder-Nichts-Haltung.

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Die öffentliche Meinung hat danach geschrien, Milliarden von Steuergeldern an Banken und Rüstungsunternehmen zu verschenken? Die Rufe muss ich wohl verpasst haben. Ich weiß schon das klingt komisch von jemandem, der gerne mehr militärische Unterstützung für die Ukraine hätte, aber das Geld muss ja nicht notwendigerweise in den Taschen von Rheinmetall-Aktionären landen.

Ehrlich gesagt: Diese Haltung bin ich gewohnt. Aber sie hat keine besonders große Überzeugungskraft, um es mal milde auszudrücken. Und dabei rede ich nicht nur von mir. Ich halte es jedenfalls nicht für einen Zufall, dass Populismus und Demagogie allenthalben der so gepriesenen Realpolitik den Rang ablaufen.

Ein „interessantes“ Demokratieverständnis, die Forderung nach etwas anderem als dem Bestehenden als zerstörerisch und kompromisslos abzutun.

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Oben wurde davon gesprochen, dass man an den Grünen wertschätzen sollte was sie erreicht haben. Vor allem wenn man sich vorstellt, was andere Regierungen sonst „geschafft“ hätten. Du hast dem entgegen gehalten, dass die Grünen dennoch zu wenig erreicht hätten. Und du hast nicht den Eindruck gemacht es ginge dir nur um graduelle Unterschiede, sondern um signifikante Veränderungen.

Das als Kritk am Bestehenden zu bezeichnen bewegt den Torpfosten aus dem Strafraum heraus bis zur Mittellinie. Fakt ist, die Grünen haben eine Menge erreicht, denn die Baseline wäre eine SPD-CDU Regierung gewesen. Ohne die Grünen in der Regierung stünde Deutschland energiepolitisch weit schlechter da.

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Ja, es geht mir in der Tat um signifikante Unterschiede. Auf welcher Grundlage du das als kompromisslos und zerstörerisch meinst abkanzeln zu müssen verstehe ich genau so wenig wie die Fußballmetapher.

Es ist durchaus richtig, dass ein großer Anteil der Idealos bei den Grünen von der eigenen Regierungsbeteiligung enttäuscht ist, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren.
Gleichzeitig muss man sich aber auch vor Augen führen, wie sich das politische Klima in den letzten 3 Jahren in Deutschland gewandelt hat.

2021 war das größte Thema im Wahlkampf noch der Klimaschutz, klar Corona war das beherrschende Thema, aber bis auf die Verschwörungstheoretiker in Reihen der AfD, war ja keine Partei so dämlich damit Wahlkampf machen zu wollen.
Der Wahlkampf der Grünen wurde allerdings verbockt (wortwörtlich), sonst wären meiner Meinung nach deutlich mehr als „nur“ 15% drin gewesen.
Nach der Bildung der Ampel herrschte in diesem Land aber tatsächlich Aufbruchsstimmung, zumindest für deutsche Verhältnisse.
Nach dem Motto: „Nach 16 Jahren Stillstand unter der CDU gehen wir den Weg des Fortschritts und verändern endlich grundlegende Dinge in diesem Land!“.

Was in den letzten 3 Jahren alles passiert ist, wissen wir wohl alle noch, aber hier nochmal paar Eckpunkte zur Einordnung:

  • Ukrainekrieg und die folgende Gaskrise
  • Umschichtung des Corona-„Sondervermögen“ in den Klimatransformationsfonds wird als verfassungswidrig erklärt (60 Mrd. € (!) die bereits verplant waren auf einen Schlag weg)
  • Das Durchstechen eines Referentenentwurfs zur Novellierung des GEG („Heizungshammer“ :roll_eyes:), das die Springerpresse und Konsorten zum größten politischen Skandal der deutschen Nachkriegsgeschichte hochjazzen. Und das auch noch erfolgreich!
    (musste meine eigene Oma ernsthaft davon überzeugen, dass Robert Habeck nicht persönlich vorbei kommt und ihre Gas-Therme von der Kellerwand tritt!)
  • Die FDP in der ständigen Haltung des bockigen Koalitionspartners, der weder Kapital zum Investieren aufnehmen will (weil Schuldenbremse) oder Steuern erhöhen möchte (weil einziger Grund warum Leute die überhaupt wählen).
  • Dazu dann noch einen Kanzler der seine im Wahlkampf beworbene Führungsstärke wohl genau so vergessen hat wie seine Verwicklung im Cum-Ex-Skandal → m.M.n. mit Abstand der schwächste Kanzler/in den wir jemals hatten!

Aber um zum eigentlichen Thema zurückzukehren:
Meiner Meinung nach wird man bei Wahlen in Deutschland mit Identitätspolitik, dem Ruf nach „offenen Grenzen“ oder dem Umbau des „kapitalistischen Systems“ ( :man_facepalming:) etc. auf absehbare Zeit nicht mal mehr einen Blumentopf gewinnen. Die Zeiten haben sich nun mal leider geändert!

Daher halte ich es für äußerst wichtig, dass sich bei den Grünen (meiner eigenen Partei) endlich restlos die Realos durchsetzen.
Das Klimageld wäre die perfekte Komponente gewesen, um Klimaschutz und sozialen Ausgleich zu verbinden, aber dies ist nunmal den oben beschriebenen Umständen zum Opfer gefallen. Das ist für mich persönlich äußerst enttäuschend, aber ich verstehe auch, dass man in einer 3er-Koalition nun mal verdammt viele Kompromisse eingehen muss (vorallem wenn der Finanzminister Christian Lindner heißt).

Wenn durch diesen Umstand nun viele der Idealos der Partei den Rücken kehren, halte ich dies wie Künast für keinen Verlust eher das Gegenteil. Es bietet die Chance die „Merkel-Lücke“ in der Mitte des politischen Spektrums zu besetzen. Und dies sehe ich auch als einzig realistischen Weg für meine Partei, aus der „ideologische Grünen“-Ecke erfolgreich raus zu manövrieren.

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Man sieht bei der FDP, was passieren kann, wenn man die Partei vollständig auf eine Person zuschneidet.
Natürlich muss das bei den Grünen nicht so laufen, aber wenn Habeck jetzt keine guten Wahlergebnisse liefert, hat die Partei ein Problem.

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Also glaubst Du, dass die Grünen eine CDU mit leicht grünerem Anstrich werden sollte? Verstehe ich Dich da richtig?

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Warum es für die Grünen völlig aussichtslos ist, mit einer noch rechteren Flüchtlingspolitik Wähler zu überzeugen sieht man unten. Das eigentliche Problem der Grünen: Eine Mehrheit will einfach nicht akzeptieren, dass Klimaschutz bitter nötig ist und die nötigen Schnitte mit jedem vertrödelten Tag schmerzhafter werden. Und daran können die Grünen nur begrenzt etwas ändern.

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Klingt dann fast schon wie die Gründung der 2. Schwesterpartei, CGU, Christilich Grüne Union. Schon bedenklich wie die Grünen sich immer mehr der Union annähern. Was Deutschland wirklich nicht braucht, ist eine grünere Union. Ich muss da die Analyse im Tag des Deutschlandfunk teilen, dass die Grünen durch ihr Fischen in der überfischten Mitte massiv links verlieren werden. Das ist für mich auch der Grund für das miese Abschneiden in Brandenburg und nicht der legitime Wahlkampf von Woidke. Die haben 7% verloren, da ist Woidkes Wahlkampf doch wohl nicht der erste Grund, dass die Grünen sich aus dem Landtag verabschiedet haben.

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Klingt vielleicht wieder etwas philosophisch, aber vielleicht hat jede Partei ihre Ära.

Bei der FDP waren es eher die 80er bis 2000er, bei den Grünen ähnlich, vielleicht noch bis in die 2020er hinein.

Schaffen es Parteien dann nicht, sich analog zu aktuellen Anforderungen zu transformieren, dabei aber glaubwürdig zu bleiben, werden sie nicht mehr als Problemlöser wahrgenommen.

Im Worst Case verschwinden bekannte Parteien dann wieder in der Bedeutungslosigkeit

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Sieht aber schon so aus, als wären viele Grüne zur SPD gewandert und nur (überraschend) wenige zu Nichtwählern, oder? Die „Friedensbewegten“, die mutmaßlich zu BSW und AfD abgewandert sind, sollen gern da bleiben, denen läuft man besser nicht nach.

Auch wenn ich nicht der gefragte bin würde ich meinen Senf dazu geben. Da die aktuelle CDU gesellschaftspolitisch ja durchaus in vielen Punkten den Grünen ziemlich entgegensteht wäre der Vergleich wohl nicht korrekt. Nur weil ohne die Merkel CDU in der Mitte viel Raum frei geworden ist heißt ja nicht automatisch, dass dieser Raum mit CDU Politik besetzt werden muss.

Es könnte sich dort genauso gut eine sozialliberale Partei etablieren, die Liberalität nicht nur auf Wirtschafts- sondern vor allem auch auf Gesellschaftspolitik bezieht.

In Sachen Asylpolitik jetzt Populistische Forderungen ins eigene Programm zu nehmen halte ich aber auch für sinnlos.
Ich fände es glaubwürdig und einen guten Schritt wenn man Probleme die es gibt auch als solche benennt und akzeptiert, dass nicht alles in diesem Bereich super läuft, dass man sich dann aber in Abgrenzung zum Rest der Parteienlandschaft nicht auf Grenzen Dicht und zurück in die Heimat einlässt sondern Positionen besetzt die vorwiegend darauf abzielen wie man die Probleme mit Perspektivlosen jungen Männern, die Problematik mit für viele zu hohen Zahlen, aufkommenden Parallelgesellschaften etc. gesellschaftsverträglich lösen kann, also vor allem auch durch mehr Integration, besseren Perspektiven zur legalen Einreise bei gleichzeitig weniger guten Möglichkeiten zur illegalen Einreise etc.

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Ja klar sind viele zur SPD, aber am Ende des Tages haben die Grünen gut 7% verloren und davon 5% an die SPD, sind noch 2% die gereicht hätten um drin zu bleiben. Grundsätzlich muss man sich schon als Partei fragen lassen, wie man so massiv an Zustimmung verlieren kann und dass die Grünen immer mehr an Stimmen verloren haben in Wahlen zuletzt ist ja auch keine neue Erkenntnis. Ob da der Rechtsruck zu den Realos wirklich so eine super Idee ist wird man sehen, ich denke ehr es könnte die Grünen wieder in die Einstelligkeit im Bund schicken.

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Und die nächste Eskalation bei den Grünen: