Rechtslage im deutschen Rettungsdienst

Hallo,
ich bin seit ca. 1 Jahr aktiver Hörer der LdN und weiß daher nicht, ob das von mir zu eröffnende Thema bereits erörtert wurde, aber ich versuche mal mein Glück.

Zuerst zu mir:
Ich bin seit 6 Jahren beruflich im Rettungsdienst tätig und arbeite seit April diesen Jahres neben dem Studium weiterhin als Notfallsanitäter (dreijährige Ausbildung mit abschließendem Staatsexamen) im aktiven Rettungsdienst. Zuvor habe ich eine Ausbildung als Rettungssanitäter (dreimonatige Ausbildung, kein Staatsexamen) abgeschlossen.
Seit ich in diese Arbeit eingestiegen bin, wird unter Kollegen und in entsprechenden Berufsverbänden die Rechtslage sehr kritisch diskutiert und zumeist als unzureichend befunden.

Nun zu dem Thema, welches ich eröffnen möchte.

Die Rettungsdienste in Deutschland berufen sich auf die Landesrettungsdienstgesetze, welche sich, wie es in unserem föderalen System üblich ist, mal mehr und mal weniger voneinander unterscheiden.
Der Beruf Notfallsanitäter/in“ wird zwar im „Notfallsanitätergesetz“ geregelt, wobei dort auch von durchzuführenden Maßnahmen die Rede ist, jedoch handelt es sich dabei um ein Berufsausbildungs- und kein Berufsausübungsgesetz. In der tatsächlichen Umsetzung muss stets auf die Landesrettungsdienstgesetze verwiesen werden, welche stark unterschiedlich, teilweise aber auch sehr vage sind.
Zudem fußt alle Ausübung von heilkundlichen Maßnahmen auf dem sogenannten „Heilpraktikergesetz“, aus dessen §1 der sog. „Arztvorbehalt“ hervorgeht. Dieser schließt heilkundliche Maßnahmen durch alle, die nicht Arzt/Ärztin oder Heilpraktiker/in sind aus.
Entstanden ist dieses Gesetz im Jahre 1939, womöglich um die medizinische Versorgung der Bevölkerung zu sichern, wenn ein Großteil der Ärztinnen und Ärzte an der Front beim zweiten Weltkrieg benötigt werden. Ob dem ein antisemitisches Interesse zugrunde lag, den approbierten, jüdischen Ärzten ihre Berufsbezeichnung „Arzt/Ärztin“ zu entziehen ohne eine Unterversorgung der Bevölkerung zu riskieren ist eine These die zwar vorhanden, aber sicherlich nicht gesichert ist.

Als Folge dessen verstößt jeder Notfallsanitäter bei heilkundlichen Maßnahmen gegen dieses Gesetz und wird lediglich unter einer stets zu rechtfertigenden Abwägung nicht bestraft. Dies ist im §34 des StGB, dem „rechtfertigenden Notstand“ geregelt, welcher eigentlich für die Situation des „finalen Rettungsschusses“ durch Polizeibeamte bspw. in Geiselsituationen oder dem Abschuss eines Entführten Flugzeuges entstanden ist. Der finale Rettungsschuss, welcher zuletzt in Aachen im Jahre 1999 durchgeführt wurde ist mittlerweile in nahezu allen Landespolizeigesetzen geregelt, wobei Notfallsanitäter in der gesamten Bundesrepublik bei tausenden von Einsätzen bundesweit weiterhin auf eine vage Rechtslage zurückgreifen müssen.
Dass in Notfallsituationen eine rechtliche Abwägung getroffen werden muss, ob die gelernten, beherrschten und vor allem helfenden Maßnahmen durchgeführt werden dürfen oder nicht, stellt nicht nur meiner Ansicht nach, sondern auch in den Augen des Deutschen Berufsverbandes Rettungsdienst eine unhaltbare Situation dar. Leider tut sich auf Bundesebene dazu sehr wenig und die Maßnahmen, die auf Landesebene getroffen werden sind wenn überhaupt unzureichend.
Im September dieses Jahres wurde durch das Gesundheitsministerium eine Initiative gestartet, die rechtliche Grundlage von medizinischen Assistenzberufen zu erneuern bzw. zu überarbeiten, darunter auch das Notfallsanitätergesetz. Diese Überarbeitung wird der Notwendigkeit für Rechtssicherheit im Rettungsdienst bei weitem nicht gerecht. Vor allem, da weiterhin für die Idee besteht, es stünde immer eine Möglichkeit zur Verfügung zeitnah einen Notarzt nachalarmieren zu können.

Auch von einer Überarbeitung des Heilpraktikergesetzes war zwischenzeitlich die Rede, jedoch ist diese Initiative wohl im Sande versickert.

Abschließend möchte ich folgendes sagen:
Alle Aussagen meinerseits zu diesem Thema fußen auf meiner Ausbildung und diversen Internetrecherchen, aber ich erhebe keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit oder Richtigkeit meiner Schlussfolgerungen. Im Recherchieren seid ihr, Philip und Ulf, deutlich geschulter.
Mein Interesse gilt vorwiegend der Aufarbeitung der Frage, warum sich die Rechtssicherheit im Rettungsdienst in mehreren Jahrzehnten kaum merklich verbessert hat, obwohl diverse Gesetze erlassen und sogar ein neues Berufsbild geschaffen wurden.

Vielen Dank fürs Lesen.

Quellen:

https://dbrd.de/aktuell/stellungnahmen/533-dbrd-nimmt-stellung-zum-notsang-aenderungsentwurf-des-bmg

https://dbrd.de/aktuell/pressemitteilungen/521-pressemitteilung-notfallsanitaeter-werden-von-der-politik-im-stich-gelassen-protestaktion-fu-r-mehr-rechtssicherheit