Hallo Lageteam und Lagehörer*innen,
ich beschäftige mich grade mal wieder mit dem Thema Kirchenaustritt, ja ich gebe es zu natürlich auf Grund der aktuellen Berichterstattung rund um Skandale in der katholischen Kirche. Allerdings denke ich darüber in den letzten Jahren häufig nach und habe bereits im letzten Jahr schon ein mal nach einem Termin für den Kirchenaustritt geschaut - keine verfügbar, auch jetzt wieder dasselbe. Kurz gesagt, ich finde die Hürden, aus der Kirche auszutreten, ziemlich hoch und frage mich grade, ob das gerechtfertigt ist und ob es mit unserem Grundgesetz vereinbar ist.
Ich selbst lebe in NRW,das heißt Kirchenaustritt nur beim zuständigen Amtsgericht meines Wohnortes und zwar nur durch persönliches Erscheinen. Dafür gibt es sogar ein eigenes Gesetz SGV Inhalt : Gesetz zur Regelung des Austritts aus Kirchen, Religionsgemeinschaften und Weltanschauungsgemeinschaften des öffentlichen Rechts (Kirchenaustrittsgesetz - KiAustrG) | RECHT.NRW.DE
In der Realität, natürlich nach vorheriger Terminvereinbarung möglich - Kosten 30€. Alternative schriftlich bei einem Notar den Austritt erklären, zusätzliche Kosten? Ja, aber nicht geregelt, werde aber in den nächsten Tagen mal bei einem Notar nachfragen.
Mal abgesehen von meiner persönlichen Lage, sicher hätte ich wenn es mir so wichtig wäre, an der Terminfindung mehr dran bleiben können. Ich frage ich mich wie so oft im Zusammenhang mit der Kirche, warum der Staat die Macht der (katholischen) Kirche weiterhin so ungemein bestärkt. Viele Kirchenmitglieder wurden - so auch ich - in einem Alter getauft, in dem sie absolut nicht in der Lage sind ihre Zustimmung zu geben und Zack schon ist man Kirchenmitglied und soweit ich weiß fragt keiner beim erwachsenwerden, möchtest du das wirklich oder möchtest du vielleicht von der Entscheidung deiner Eltern damals zurücktreten? In welch einem anderen Bereich ist das denn bitte sonst noch möglich (außer vielleicht bei der Staatsbürgerschaft)? Konsequenz: sobald man steuerpflichtig wird, muss man 9% Kirchensteuer zahlen auch ohne vorher noch mal gefragt zu werden. Aufklärung in der Schule o.ä. auch Fehlanzeige, bei mir zumindest. Nun frage ich mich auch wirklich ob diese Situation mit Artikel 4 des GG vereinbar ist:
„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet“
Freiheit - ich fühle mich nicht frei in der Entscheidung, ob ich einer Religionsgemeinschaft angehören möchte, das haben wie gesagt damals meine Eltern für mich entschieden und natürlich steht es mir jetzt FREI aus der Kirche auszutreten. Jedoch kann es doch eigentlich nicht sein, dass ich dafür einen Termin beim Amtsgericht machen und auch noch Geld bezahlen muss, also mir meine Freiheit qausi erkaufen muss. Zumindest in dem Zeitraum bis ein Termin verfügbar ist, ist diese Freiheit doch eingeschränkt. Natürlich kann ich eine andere Religion ausüben oder eine atheistisches Weltansicht vertreten, obwohl ich Mitglied in der römisch katholischen Kirche bin, aber trotzdem bin ich formal eben noch Mitglied und muss sogar noch Geld an eine Organisation bezahlen, die diese Zuwendung aus meiner Sicht nicht verdient hat und die mir persönlich keinen Benefit einbringt - ich finde hier kommt die Freiheit eindeutig zu kurz oder wie seht ihr das?
Auch interessant: Im Rahmen einer kleinen Anfrage hat sich bereits der Landtag NRW letztes Jahr mit dem Thema beschäftigt: https://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD17-13781.pdf
Falls jemand von euch weiterführende Informationen zu dem Thema hat, gerne her damit. Das einzige was ich noch zu Thema gefunden habe ist dieser Artikel: Kirchenaustritt in NRW soll auch rückwirkend gelten
Hier geht es um eine Familie, die zumindest die Kirchensteuer rückwirkend erstattet bekommen haben wollte. Ob es dazu schon ein Urteil gibt konnte ich nicht herausfinden.