Recht auf sexuelle Selbstbestimmung / Verfassungsbeschwerde gegen Disziplinarverfahren

Hallo zusammen,
ich bin seit längerem schon stiller Zuhörer und Leser, aber ein Thema beschäftigt mich momentan sehr, und das ist der konkrete Fall von Anastasia Biefang.

Sie ist Bundeswehr-Kommandeurin und hat (wie viele) ein Tinder-Profil. Auf diesem Profil beschreibt sie sich in kurzen Worten so: „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“

Sie erhielt dafür einen Verweis, der jetzt auch vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt wurde, da ihre Worte angeblich „das Ansehen als Soldatin beschädigen würde“.

Das ganze hat zumindest in der queeren Community für ziemlich viel Wirbel gesorgt, siehe auch Quellen ganz unten.

Dabei stellen sich für mich hauptsächlich zwei Fragen:

  • wer definiert, was rufschädigend ist und was nicht? Für mich als sex-positiven, aufgeklärten Mensch ist ihr Statement zwar sehr direkt, aber nicht moralisch verwerflich oder gar sittenwidrig
  • wie weit darf denn mein Arbeitgeber Einfluss auf mein Privatleben haben? Ist es nicht meine Privatsache, was ich auf meinem Dating-Profil stehen habe, solange es nicht illegal o.ä. ist? Und ist das nur bei der Bundeswehr so, oder dürfte mir mein (privater) Arbeitgeber auch vorschreiben, was ich in mein Dating-Profil schreiben kann?

Wie seht ihr diesen Fall?

LG
Patrick

Quellen:

https://www.queer.de/detail.php?article_id=42132

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Ich war auch schockiert, als ich über das Urteil in einem Nachrichtenbeitrag gelesen habe.

Das konkrete Problem hier ist aber nur ein Symptom der allgemeinen Problematik, die wir im öffentlichen Dienst, vor allem im Bereich des Beamtenwesens, haben. Es werden einfach grundsätzlich erzkonservative Werte aus den 60er-Jahren gelebt, wenn es z.B. um Einstellungsverfahren geht.

Tätowierungen? Keine Chance!
Zu viele Piercings im Gesicht? Keine Chance!
Falscher Haarschnitt? Keine Chance!

Es kann und darf in einer modernen, aufgeklärten Gesellschaft nicht sein, dass aus der „Andersartigkeit“ bzw. aus dem Abweichen von ästhetischen oder nicht-strafbewährten moralischen Normen (vor allem Sexualverhalten) Rückschlüsse auf eine etwaige fehlende charakterliche Eignung eines Menschen gezogen werden.

Jemand, der sichtbare Tattoos oder Piercings im Gesicht hat, ist deshalb kein schlechterer Mensch und eine Nichtzulassung in ein öffentliches Dienstverhältnis aus diesem Grund ist ein Skandal (siehe z.B. Aloha-Tattoo bei einem Polizisten)

Im hier vorliegenden Fall wird kritisiert, dass das sexuell offene Verhalten der Soldatin daran zweifeln lassen könnte, ob diese charakterlich für eine hohe Position bei der Bundeswehr geeignet sei. WTF?!? Inwiefern ist jemand, der ein stock-konservatives Sexualverhalten hat, für eine Führungsposition besser geeignet als jemand der seine Sexualität offen lebt? Der Vorwurf, dass jemand, der seine Sexualität offen lebt, dem Ansehen der Bundeswehr schaden würde, ist schlicht absurd. „Oh Nein, Menschen könnten den Eindruck bekommen, dass Vielfalt bei der Bundeswehr Einzug gefunden hat - wie schrecklich!“. Nicht, dass man den Eindruck bekommt, bei der Bundeswehr (oder im öffentlichen Dienst) wäre generell alles erlaubt, was nicht strafrechtlich Verboten sei - wo kämen wir denn da hin. Zu einer liberalen, offenen Gesellschaft? Gott bewahre!

Es muss grundsätzlich gelten, dass „Anders“ als der „Durchschnitt“ zu sein kein Beleg für einen wie auch immer gearteten charakterliche Mangel ist, es sei denn, dieses „Anders“ ist klar straf- oder ordnungsrechtlich verboten oder ist erlaubt, lässt aber klare Zweifel an der demokratischen Grundausrichtung erkennen (sprich z.B. die Grauzone, in der sich Menschen bewegen, die gegen Demokratie, Flüchtlinge und co. hetzen, ohne dabei einen Straftatbestand zu erfüllen).

Dazu eine kleine Anekdote zu meiner Erfahrung bei der Bundeswehr. Ich war damals optisch klar der Metal- und Gothic-Szene zuzuordnen (dh. langer schwarzer Ledermantel, geschnürte, schwarze Lederhose, Metalshirts) und als ich so die Kaserne an einem Freitag nach Dienstschluss verlassen wollte, hielt mich der OvWD (Offizier vom Wachdienst), der sich gerade mit dem Wachsoldaten unterhalten hat, auf und belehrte mich, dass „ich dem Ansehen der Bundeswehr schaden würde, wenn ich wie ein Amokläufer aus der Kaserne gehen würde“. (Das ganze war kurz nach dem Erfurt-Amoklauf)

Ich wies den OvWD darauf hin, dass während meiner letzten Wachschicht mehrfach sturzbetrunkene Soldaten in Uniform die Kaserne zurückkamen (in der Nähe gab es mehrere Kneipen), dass Soldaten in Uniform regelmäßig Kastenweise Bier in die Kaserne trugen (ein Supermarkt war auch in der Nähe) und ob all diese Dinge nicht wesentlich problematischer wären. Nö, ich sei das Problem und ich solle in Zukunft „neutraler gekleidet“ aus der Kaserne gehen (was ich nicht tat - aus Prinzip nicht!).

Das ist halt das Problem mit diesen erzkonservativen Werten - es werden Dinge als Problem benannt, die schlicht zur Vielfalt der Gesellschaft gehören und absolut kein Problem sein sollten, da sie weder strafbewährt, noch sonst irgendwie auf einen charakterlichen Mangel hinweisen würden, während andere Verhaltensweisen, die klar problematisch sind (z.B. Alkoholismus, besoffen in Uniform rumlaufen) ignoriert werden, weil sie halt im konservativen Weltbild „dazu gehören“. Und das darf nicht sein.

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Zu deiner zweiten Frage: dieses Urteil bezieht sich explizit nicht auf normale Arbeitnehmer—innen, da es explizit Bezug auf das Soldatengesetz nimmt

. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dürfe eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen.
(Aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgericht.

Ansonsten halte ich das Urteil auch für skandalös und sollte es vor dem bverfg bestand haben, braucht es dringend eine Änderung vom Soldatengesetz.

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Da müsste generell einiges geändert werden.

Wenn ich mir die Vorschriften zum äußeren Erscheinungsbild des Soldaten durchlese kommt mir an vielen, vielen Stellen die Galle hoch. Daraus z.B.

In welchem gottverdammten Jahrhundert leben diese Spießer?!?
Sorry, aber mir als jemanden, der (außerhalb des Wehrdienstes) so ziemlich sein Leben lang lange Haare getragen hat und auch aktuell trägt zu erzählen, meine „Haartracht“ entspräche nicht den „gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Wertmaßstäben“ ist ein absoluter Rückfall auf Zeiten, als Leute wie ich noch von konservativen Arschkrampen als „langhaarige Bombenleger“ diffamiert wurden. Dass diese Denkweise bis heute noch in der Bundeswehr gelebt wird, nein, geradezu dominant ist, sagt vieles über die Bundeswehr aus.

Zugegeben, wäre ich weiterhin Soldat, würde ich mir vermutlich freiwillig die Haare wieder kurz schneiden, weil es einfach deutlich praktischer ist. Aber das gilt entweder für alle oder für niemanden. Würde man die Pflicht zur Kurzhaarfrisur mit Praktikabilität und Arbeitsplatzsicherheit begründen, hätte ich fast kein Problem damit. Aber das kann man halt nicht, sonst müsste es auch für Frauen gelten. Also macht man so einen erzkonservativen Bullshit aus der Mitte des letzten Jahrhunderts.

Um das mal ganz klar zu sagen:
Hier wird eine klare Diskriminierung mit „gesellschaftlichen Gepflogenheiten und Wertmaßstäben“ begründet. Das kann doch nicht deren Ernst sein - bei Diskriminierung geht es per Definition darum, dass eine Minderheit von der Mehrheit diskriminiert wird, gerade weil die Minderheit nicht dem Entspricht, was die Mehrheit für „normal“ hält. Antidiskriminierung heißt gerade, die Minderheit vor der Mehrheit zu schützen - und nicht „Die Mehrheit sieht das aber so!“ als Argument gegen die Minderheit zu verwenden.

Das Problem ist hier das gleiche wie im Fall Anastasia Biefang:
Aus erzkonservativen Vorurteilen - und nichts anderes ist das - werden unzulässige(!) Rückschlüsse auf eine etwaige charakterliche Eignung gezogen. Das ist genau das Verhalten, was dazu führt, dass die Bundeswehr ein Magnet für Konservative und Schlimmeres und ein No-Go für Progressive wird. Das sind genau die Sachen, die einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, der hervorragenden Dienst in der Bundeswehr leisten könnte, ausgrenzen und ausschließen. Und für was? Für Nüsse. Damit Konservative weiter ihr preußisches Soldatenbild pflegen können und die Bundeswehr weiter ein Bollwerk vor-demokratischen und vor-pluralistischen Denkens bleibt.

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Zumal ein heterosexueller Cis-Mann, der seine Promiskuität in vergleichbarer Weise darlegen würde, vermutlich von denselben Sittenwächtern bei der Bundeswehr unbehelligt bliebe.

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Und da wundern wir uns, dass nur rechte und erzkonservative zur Bundeswehr pilgern und dort Parallelgesellschaften aufbauen. Welcher fachlich kompetente Mensch mit anständigen Werten zu anderen Menschen will in so einen Verein.

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Alle die hier so deutlich gegen diese Regelungen sind sollten bedenken dass wir als eher linksliberale Lage-HörerInnen in einer Blase sind. Es ist eben nicht so, dass alle Deutschen so weltoffen sind wie wir.

Das Thema Polizisten und Tattoos wurde hier angesprochen. Was macht wohl die Omi (oder auch der Opa), die sich durch die Tattoos abgeschreckt fühlt und daher lieber keine Anzeige aufgibt. Oder in Bezug auf das Militär sich durch eine (aus ihrer konservativen Sicht) zu offene zur Schau gestellte Sexualmoral angewidert und international nicht gut repräsentiert fühlt (im Gegensatz zu anderen Soldaten ist Frau Biefang ja schon länger in Talkshows und Interviews vertreten und hat so einiges an Bekanntheit erhalten).

Ja, wir mögen es für rückständig halten, aber es leben halt noch etliche Menschen in Deutschland, die halt nicht so progressiv sind. Zumal die Vielzahl an Veränderungen im gesellschaftlichen Wertekompass aktuell in ihrer Frequenz historisch beispiellos sind.

Wir müssen deswegen ja gesellschaftlichen Wandel nicht aussetzen, aber wir sollten Empfinden und Befindlichkeiten der wertkonservativen Menschen zumindestens mit berücksichtigen. Das bedeutet dann aber auch zu akzeptieren, dass es eben kein Skandal ist wenn nicht alles ad hoc umgestellt wird.

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Unangemessene Bewertung.

Hier wird jemand wegen sexueller Vorlieben diskriminiert. Ich sehe nicht wo das irgendwas mit anderen Werten als Ausgrenzung zu tun hat. Mit solchen Urteilen werden im schlimmsten Fall sogar rechtsextreme Menschen in ihrem Hass bestärkt.

Was du schreibst wäre richtig, wenn die Person, um die es hier geht, als Kommandeurin selbst das „zu monogame“ Tinder-Profil eines Untergebenen getadelt hätte. Aber das Gegenteil ist der Fall. Hier drückt ein „Konservativer“ Vorgesetzter einer Untergebenen seine Wertevorstellung auf.

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@Myste - Du fragst mich, was daran unangemessen sein soll?
Du scheinst zu glauben, es stünde Dir zu, ein „wir“ mit einer bestimmten politisch/ideologischen Ausrichtung zu konstruieren, um damit das Forum in eine Blase zu packen. Das ist unangemessen und anmaßend, ja.

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Dieses Argument halte ich vor allem deswegen für problematisch, weil es auch schon vorgebracht wurde, wenn es um das Thema „Menschen mit Migrationshintergrund bei der Polizei“ ging. Nach dem Motto „manche Oma hat vielleicht ein Problem damit, dem Türken oder Schwarzen als Polizist zu trauen und könnte dadurch das Vertrauen in die Polizei verlieren“.

Offensichtlich würde man hier sagen: „Also latenter Rassismus in der älteren Bevölkerung darf natürlich nicht dazu führen, dass wir eine rassistische Einstellungspolitik bei der Polizei pflegen“. Das gleiche gilt aber eben auch für sexuelle Orientierungen (ja, mancher Konservative alte Mensch mag ein Problem mit offen homosexuellen Polizisten oder Soldaten haben) und eben auch für simple Dinge wie das äußere Erscheinungsbild, welches ebenfalls nur Ausdruck der Individualität einer Person ist.

Vorurteile von - vor allem alten - Menschen dürfen kein Grund sein, diese Vorurteile durch Regeln und Gesetze zu manifestieren. Das Gegenteil sollte der Fall sein: Gerade weil es diese Vorurteile gibt, ist es wichtig, diese Vorurteile zu bekämpfen und zu widerlegen, daher dem alten Menschen gerade durch die Einstellung solcher vorurteil-belasteten Menschen zu zeigen, dass seine Vorurteile keinen Platz in dieser Gesellschaft haben, statt diese Vorurteile auch noch zu bestätigen, indem man sie in Regeln und Gesetze packt.

Mancher alte Mensch wird dann vielleicht nach einem positiven Erlebnis mit dem tätowierten, homosexuellen, nicht-weißen Polizisten seine Vorurteile ablegen - oder sie halt weiter pflegen, aber zumindest merken, dass wir als Gesellschaft diese Vorurteile nicht teilen.

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Ich möchte hier nur noch einmal auf die Pressemitteilung der Bundesverwaltungsgerichts hinweisen, dass die Entscheidung zusammenfasst:

Das Truppendienstgericht hat diese Disziplinarmaßnahme gebilligt. Nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG dürfe eine Soldatin durch ihr außerdienstliches Verhalten das Ansehen der Bundeswehr und die Achtung und das Vertrauen, die ihre dienstliche Stellung erforderten, nicht ernsthaft beeinträchtigen. Die Kommandeurin dürfe zwar grundrechtlich geschützt privat ein promiskuitives Sexualleben führen. Durch die Formulierung in ihrem Profil habe sie aber Zweifel an ihrer moralischen Integrität begründet. Außenstehenden würde der Eindruck vermittelt, dass sie sich selbst und ihre Geschlechtspartner zu reinen Sexobjekten reduziere. Dies wirke sich in der Öffentlichkeit negativ auf die Bewertung ihrer moralischen Integrität und den guten Ruf der Bundeswehr aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar festgestellt, dass diese Begründung rechtlichen Bedenken unterliegt. […]

Die Entscheidung des Truppendienstgerichts erweist sich jedoch im Ergebnis als richtig. Denn die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlangt, dass eine Soldatin in der besonders hervorgehebenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für ca. 1.000 Personen bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nimmt. Sie muss daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken.

Pressemitteilung Nr. 34/2022 | BundesverwaltungsgerichtKommandeure müssen bei privaten Internetauftritten die Auswirkungen auf ihr berufliches Ansehen beachten

Es geht also mitnichten um das Thema Transsexualität, sondern um ihre besondere Stellung als Vorgesetzte von 1000 Kameraden und die Ausstrahlung über die Bundeswehr in die Öffentlichkeit.

In eigenen Worten, die zur Schau gestellte Sexualmoral schadet laut Bundesverwaltungsgericht und Truppendienstgericht dem Ansehen der ihr unterstellten Soldaten, und der Bundeswehr als Ganzes.

fyi: @Daniel_K, @Tris

Ich würd mich ja erstmal fragen, wie Omi überhaupt auf das entsprechende Tinderprofil kommt. :thinking:

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Ich bin ja kein Jurist, aber die Tatsache, dass das Truppengericht zunächst nur § 17 Abs. 2 Satz 3 SG als Begründung nimmt, aber das BVerwG danach das Ganze nochmal präzisiert, riecht für mich nach einer gelagerter Rechtfertigung bzw. der Umgehung einer offensichtlich Argumentationsschwäche im ersten Urteil des Truppen-Gerichtes.

Denn das Truppengericht hatte ja zunächst die dienstliche Stellung komplett außen vorgelassen. Das hieße aber, nach meinem Verständnis, dass jeder Soldat, der in seinem Profil schreibt, das er gerne One Night Stands hat, sich schuldig macht, genau so „ein wahlloses“ Sexualleben zu führen.

Aber auch die präzisierte Begründung mit der besonderen Rolle Bataillonskommandeurin des BVerwG überzeugt mich nicht:

Denn, dass ausgerechnet eine Bataillonskommandeurin nun eine ganz besondere Stellung inne hat, steht in dem betreffenden Paragraphen nicht. Und z.B. innerhalb eines Bataillons gibt es als nächst kleinere Einheit Kompanien einigen hundert Mann, die entsprechend von Kompanieführern geführt werden. Eine ebene darunter gibt es dann die Züge, auch bis zu 100 Mann.

Warum gibt bei diesen kleineren Einheiten bzw. deren Kommandeurinnen diese besondere Wohlverhaltenspflicht nicht?

Der LTO kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: (Quelle):

Dennoch geben die zahlreich vorhandenen Dating-Profile von Soldatinnen und Soldaten mit cis-heteronormativer Orientierung – zum Teil mit eindeutigen Hinweisen auf die Streitkräftezugehörigkeit – bisher allgemein keinen Anlass zu disziplinarer Ahndung.

Ich habe daher den Eindruck, dass die leider sehr schwammigen Paragraphen des Soldatengesetzes hier zur Rechtfertigung eingesetzt werden.

Ich habe da auch länger überlegt, und auch ein paar Artikel zu gelesen und komme zu dem Schluss, dass es doch genau darum geht.

Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass irgendein anderer Soldat abgemahnt würde, wenn er eben z.B. besagte One Night Stand irgendwo in einem Internetprofil suchen würde. Diese Vermutung lässt sich natürlich nicht prüfen, den dafür müsste es einen anderen Bataillonskommandeur geben, der genau so einen Eintrag bei Tinder oder sonst wo hätte.

Dabei muss ich sagen, dass allein die Tatsache, das Frau Biefang erst nach ihrem Coming-out ihren aktuellen Posten bekommen hat, mich durchaus überrascht hat und zeigt, dass zumindest ganz oben in der Bundeswehr der Wille zu entsprechender Gleichberechtigung da ist.
Umso schlimmer, dass dieser, meiner Meinung nach, transphobe Ausfall eines Vorgensetzen hier nicht aus gebremst sondern gerichtlich bestätigt wurde.

@Myste Ich habe dein Zitat mal zerlegt um auf die beiden enthaltenen Aussagen an unterschiedlich Stellen zu antworten, hoffe das ist i.O.

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Klar ist das okay.

Fair enough. Mir geht es aber darum, dass hier behauptet wird, dass es um eine Diskriminierung von Transsexuellen geht. Es wird sogar von einem Skandal gesprochen.

Hierfür fehlen aber Belege. Und es gibt mit dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, in dem jetzt keine juristischen Amateure wie wir sitzen, eine neutrale, höchstrichterliche Auseinandersetzung mit dem Thema, die nicht zum Schluss einer Diskriminierung kommt.

Für mich offenbart es ein seltsames Rechtsverständnis wenn man so mir nichts, dir nichts, sagt dass oberste Richter falsch und skandalös urteilen, nur weil das Urteil meiner toleranten Weltsicht widerspricht. Es ist eben ein Unterschied ob ich sage, dass mir das Urteil menschlich nicht gefällt oder ob ich behaupte es sei ein Skandal und höchste Gerichte würden transsexuelle Menschen diskriminieren.

Ich würde mir da mehr Demut wünschen.

Meiner Meinung nach lenkt der Kontext der Transphobie und die abfällige Bewertung sexueller Freizügigkeit (beides natürlich für sich genommen schon absolut nicht wünschenswert) vom eigentlichen Skandal ab, nämlich, dass ein Gericht bestätigt, dass es in Ordnung sei, wenn ein Arbeitgeby sein Arbeitnehmy aufgrund seines privaten Verhaltens diszipliniert.

Um das auf eine neutralere Ebene zu holen: Das ist, als ob mein Chef mich abmahnen würde, weil ich zu Hause meinen Rasen nicht mähe (Und ich bin kein Landschaftsgärtner oder dgl. ) und das Arbeitsgericht hält das für in Ordnung.

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Das ist aber durchaus Gang und Gebe.

Zuletzt immer wieder begleitet von wütendem Protest von AfD Jüngern wenn es einen der ihren erwischt hat, der aufgrund seiner politischen Aktivitäten freigestellt würde.

Es ist also mitnichten so, das privates Verhalten nicht durch den Arbeitgeber sanktioniert wird und dies auch von Gerichten in unterschiedlichen Instanzen bestätigt wird.

Das Problem was allen diesen Vorgängen gemein ist ist die Begründung „Schadet dem Ansehen“ was halt extrem von der persönlichen Haltung beeinflusst wird.

Ich hätte z.B. in meinem multinationalen Team durchaus ein Problem wenn ich einen offen rechtsnationalen Vertreter dabei hätte. Das würde unweigerlich zu Konflikten führen die auch dem Ansehen der Firma als Arbeitgeber schaden.

Was für mich fragwürdig ist, ist die Tatsache dass sexuelle Neigungen und/oder Aktivität Einfluss aus das Ansehen eines Arbeitgebers als Arbeitgeber haben sollen.

Sehe ich auch so. Wie kann etwas, das ausdrücklich durch das Grundgesetz geschützt ist, das Ansehen der Bundeswehr beschädigen?

Gleichzeitig werden rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr gefühlt an allen Ecken und Enden geduldet und nur bei allzu auffälligen Einzelfällen wird etwas unternommen.

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Ja, ich glaube, genau das ist die richtige Frage: Wann ist eine private Aktivität schädlich für die Reputation eines Arbeitgebers? Vielleicht auch noch: inwiefern kommt es zum Erreichen der Ziele des Arbeitgebers überhaupt auf die Reputation an?