Psychotherapie für Geflüchtete

Solange Geflüchtete unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, haben sie in den ersten 15 Monaten in Deutschland keinen regulären Anspruch auf Psychotherapie. Bei einer geschätzten Prävalenz von posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) von 30% in dieser Bevölkerungsgruppe erschaffen wir uns da als Gesellschaft selbst ein massives Problem. Jeder Dritte mit PTBS, da sind Angst- und Suchterkrankungen (häufig auf der Flucht erworbene Medikamentenabhängigkeiten) und Depressionen noch gar nicht aufgeführt. Bei jeder psychischen Ekrankung gilt: je schneller man nach Entstehung behandelt, desto besser sind die Ergebnisse, und desto weniger lang die Behandlungszeiten. Zum einen spart man so also direkt Geld, wenn man die Personen nicht erst 18 Monate mit ihrem Problem alleine lässt. Zum anderen bedeutet eine PTBS meist massive Schlafstörungen und somit schwere Konzentrationsstörungen, ständig wiederauftauchende Bilder und Erinnerungen, dauerhafte Anspannung, was irgendwann auch in Aggressivität umschlagen kann. Das ist mit die schlechteste psychische Ausgangslage, um sich erfolgreich in einem fremden Land zu integrieren und womöglich auch noch eine so verrückte Sprache wie Deutsch zu lernen.
Geflüchteten (neben einer Arbeitserlaubnis) einen Zugang zu Psychotherapie zu verschaffen, ist keine Bevorzugung dieser, sondern eine ganz einfache ökonomische Rechnung: wer psychisch gesund ist, kann sich integrieren und arbeiten. Einmal in eine Psychotherapie zu investieren, spart in der Folge riesige Mengen Sozialleistungen über Jahre.
Ich arbeite im Rahmen von verschiedenen Projekten psychotherapeutisch mit Geflüchteten. Ja, es geht - wenn man bereit ist, einen Antrag ans Amt zu stellen, ewig zu warten, sich mit Sozialämtern, Gesundheitsämtern und sonstigen Institutionen rumzuschlagen, und natürlich kann am Ende immer ein:e Ärzt:in beim Gesundheitsamt die Therapie ablehnen, ohne dass ich mit dieser/m kommunizieren und über die Gründe sprechen kann, denn ich darf nur mit dem Sozialamt sprechen, und das spricht dann mit der/m Ärzt:in. Auch in der regulären Psychotherapie werden übrigens keine Kosten für Dolmetschende erstattet.
Ich mache diese Arbeit trotzdem, weil der Erfolg so durchschlagend ist: mit einfachsten Übungen kann bereits eine grundlegende Stabilisierung und somit eine Alltagsfähigkeit wiederhergestellt werden. Ein paar imaginative und körperbezogene Übungen zur Aufmerksamkeitslenkung in Kombination mit einer Pharmakotherapie reichen meist, um den Menschen eine effektive Möglichkeit zu geben, mit den immer wieder auftauchenden Erinnerungen umzugehen und - das ist meist das Entscheidende - wieder schlafen zu können.

https://infodienst.bzga.de/migration-flucht-und-gesundheit/im-fokus-gefluechtete/v/psychotherapeutische-behandlung-fuer-gefluechtete-in-deutschland-aktuelle-versorgungsluecke-und-behand/

2 „Gefällt mir“

Etwas überspitzt aber in manchen Regionen in Deutschland sind die 15 Monate Wartezeit nicht soweit weg von der alltäglichen Realität für Kassenpatienten.

Korrekt. Das ist aber ein Problem, für das es ganz andere Gründe gibt. Auch hier ökonomisch jedoch wirklich nicht nachvollziehbar, weil natürlich für die deutsche Allgemeinbevölkerung ebenso gilt, dass eine frühe Behandlung psychischer Störungen viel günstiger für die Gesellschaft ist als in der Folge Komorbiditäten zu behandeln und Arbeitsausfälle zu kompensieren.

Das wollte ich damit auch nicht in Abrede stellen. Es braucht allgemein eine bessere Versorgung aller die diese benötigen. Wenn nun jedoch „nur“ dafür gesorgt wird das mehr Leute in dfn Pool kommen, dieser Ber nicht zeitgleich vergrößert wird ust damit nicht einer Person mehr geholfen. Wie sieht es denn bei Asylbewerbern mit stationärer Behandlung aus? Glaube das ist zumindest in schweren Fällen auch für Kassenpatienten ja eine letzte „Lösung“.

Dem würde ich nicht zustimmen, da auch eine niedrigschwellige Versorgung (bspw. Zusatzausbildung psychosomatische Grundversorgung bei Hausärzt:innen) Geflüchteten verwehrt ist und es ganz allgemein nicht menschenwürdig ist, einer Person aufgrund ihrer Herkunft den Zugang zu begrenzten Ressourcen zu verwehren, es braucht andere Kriterien.
Eine stationäre Behandlung geht auch nur bei „akuter“ Erkrankung, sprich Suizidalität. Und das sind dann ein paar Tage, in denen pharmakologisch sicherlich unterstützt werden kann, nicht aber psychotherapeutisch in ausreichendem Maß. Der Zugang zur stationären psychotherapeutischen Versorgung bei PTBS erfolgt in der Regel durch die Aufnahme in eine psychosomatische Klinik. Diese haben jedoch i.d.R. keinen Versorgungsauftrag (den haben fast immer die Psychiatrien), Geflüchtete haben hier also keinen Zugang.

Ich verstehe nicht ganz welcher Aussage von mir du nicht zustimmst. Das für geflüchtete der Zugang zu Kliniken verwehrt wird im Rahmen dessen, das dieser für andere offen steht geht natürlich nicht. Ansonsten ist aber ja die Grundproblematik, dass es einfach ein viel zu geringes Angebot gibt für Hilfesuchende. Das heißt wie gesagt nicht, dass ich hier irgendjemandem etwas verweigern will. Es muss einfach allgemein viel mehr Personal zur Verfügung stehen. Egal ob Privat-/Kassenpatient oder Asylsuchende.