PsychotherapeutInnen Ausbildung

Liebes Lage-Team,

Ich habe mich sehr über euren Beitrag über die Versorgungslage an Psychotherapeuten gefreut. Vielleicht wollt ihr in einer eurer Folgen auch mal genauer die Ausbildungssituation von PsychotherapeutInnen besprechen. Ich arbeite derzeit als Psychotherapeutin in Ausbildung (PPIA) auf einer offenen Psychotherapiestation in Bayern. Für meine Ausbildung zur Psychotherapeutin muss ich insgesamt 1800 Stunden psychiatrische und psychosomatische Arbeit vorweisen. In meinem derzeitigen Job arbeite ich (als einzige Vollzeitpsycholgin der Station) in Vollzeit (38,5 Stunden), habe keinen Urlaubsanspruch, keine bezahlten Krankheitstage und bekomme 1000€ Brutto Lohn. Nach Abzug der Steuern und meinem Essen in der Kantine bleiben 730€ monatlich übrig. Ich übernehme von Aufnahmegesprächen über Gruppentherapieleitung, psychologischen Einzelgesprächen, Visiten, Übergaben, multiprofessionellen Teamsitzungen und der Arztbriefschreibung alle Aufgaben, die angestellte PsychologInnen oder PsychotherapeutInnen ebenfalls erledigen. Das wird so erwartet. Ich bekomme für diese Arbeit aber sehr wenig Gehalt. Ich bin auf die PPIA-Stunden angewiesen, da sie Bestandteil meiner Ausbildung sind und ich sie nachweisen muss, um am Ende meiner Ausbildung zur Prüfung zugelassen zu werden und meine Zulassung als Psychotherapeutin zu bekommen. Die Kliniken rechnen fast alle mit PPIAs, die sie als mehr oder weniger unbezahlte Arbeitskräfte einsetzen können, um sich die Kosten für PsychologInnen oder Psychotherapeutinnen zu sparen. Oft arbeitet man als PPIA angestellt auch als einzige Psychologin auf der Station, hat also keine Anleitung, übernimmt die Aufgabe der Psychologin obwohl man nur als Praktikantin angestellt und bezahlt wird.

Zusätzlich muss die Ausbildung zur Psychotherapeutin selbst bezahlt werden, obwohl sie staatlich anerkannt ist. Die Kosten sind je nach Therapieausrichtung (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie, Schematherapie, Psychoanalyse, integrative Therapieformen) und Institut unterschiedlich. Das führt dazu, dass man sich je nachdem wie viel Geld man hat (bzw. wie viele Schulden man machen will oder wie viel Überarbeitung man in Kauf nehmen will) entscheiden muss welche Therapierichtung man einschlägt. Die Gebühren bewegen sich in der Regel zwischen 200-600€ im Monat über 3-6+ Jahre. Die Institute werben damit, dass sich die Ausbildung „refinanziert“, weil die im Rahmen der Ausbildung durchzuführenden 600 ambulanten Therapiestunden vergütet werden. Allerdings „refinanziert“ sich die Ausbildung nur mit dem Nettolohn für die ambulanten Stunden, nicht aber mit dem Bruttolohn. Außerdem kann man mit den ambulanten Stunden erst nach einiger Ausbildungszeit beginnen und muss zuvor in Vorklasse gehen. Zusätzlich hat das ja quasi zur Folge, dass wir nicht nur für unsere Psychiatriezeit kaum bezahlt werden, sondern auch der Lohn für die ambulanten Stunden nicht zum Überleben sondern für die Ausbildung ausgegeben werden muss.
Insgesamt muss man um die Ausbildung zur PsychotherapeutIn zu absolvieren also entweder reich sein (bzw. reiche Eltern haben), einen Kredit aufnehmen oder die Ausbildung lange strecken, um neben der ganzen unbezahlten Arbeit auch noch einige Stunden zusätzlich bezahlt arbeiten zu können.
Ein Nebenjob zusätzlich zu den PPIA-Stunden in der Psychiatrie und den theoretischen Ausbildungsteilen führt zu einer sehr hohen Arbeitsbelastung und Arbeitswochen weit über 40 Stunden (für am Ende Lohn der gerade für Miete und Essen reicht). Ich könnte noch mehrere Kritikpunkte äußern (Stichworte: mangelnde Einarbeitung in Psychiatrien, mangelnde Supervision und Leitfäden zum Umgang mit belastenden Situationen in Psychiatrien usw.), denke aber das reicht erstmal.

So wie es gerade ist werden hauptsächlich reiche Frauen ohne Migrationshintergrund, die es sich leisten können 5 Jahre zu studieren und danach selbst für eine lange Ausbildung zu zahlen, unter sehr anstrengenden Bedingungen PsychotherapeutInnen. Ein Gesetz das letzten Herbst in Kraft trat, schlägt eine Bezahlung von 1000€ brutto für PPIAs in der praktischen Tätigkeit 1 (1200 Psychiatrie Stunden) vor. Seitdem gibt es für die PT1-Zeit immerhin kaum mehr Kliniken die gar kein Geld für die PT1-Tätigkeit bezahlen. Diese Bezahlung sollte eigentlich für 25 Stunden Arbeit/ pro Woche erfolgen, weil sich diese Stundenanzahl gemeinsam mit den anderen Bausteinen der Ausbildung zu einer Vollzeitausbildung von 40 Stunden/pro Woche addieren würde. Die meisten Kliniken zahlen (wenn überhaupt) 1000€ brutto für Vollzeit PT1-Arbeit. Für die PT2 (600 Stunden psychosomatik) muss nach wie vor gar kein Geld gezahlt werden.

Ich freue mich, wenn ihr das Thema irgendwann behandelt sofern es auch andere Lage HörerInnen interessiert.

Liebe Grüße,
Chris

Dein Beitrag ist schon etwas älter, aber vielleicht interessiert dich ja auch Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung - Umsetzung?!