Ich sehe nicht inwiefern der claim der CDU ‚konservativ‘ zu sein, dazu führen sollte, dass alle anderen Parteien ‚progressiv‘ sein sollten.
Definieren wir mal hier konservativ als ‚Erhaltung des Status Quo‘, und progressiv als ‚Veränderung des Status Quo‘.
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Ist es konservativ, wenn die Arm Reich Schere immer weiter auseinander getrieben, und daraus folgend, die Demokratie untergraben wird?
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Wie sehr deckt sich die Selbstbezeichnung der CDU damit, konservativ zu sein?
Wenn ich mich nicht irre, dann hat die CDU z.B. hinsichtlich der Vermögenssteuer sowie den Spitzensteuersatz den Status Quo in den letzten Dekaden erheblich geändert.
- Kann man einen Progressivitätsmittelwert einer Partei bestimmen, und wie viel Nutzen hätte ein solcher Wert?
Sagen wir die Grünen wären progressiv hinsichtlich der Verringerung der CO2 Werte, gleichzeitig jedoch konservativ hinsichtlich der Ökonomie, wären sie dann progressiv oder konservativ? Und würde ein solches Attribut wichtige Informationen kommunizieren, oder wichtige Informationen unter den Teppich?
- Würde es den Diskurs qualitativ verschlechtern, wenn man eine Partei, oder eine Koalition, nicht auf ein einziges binäres Attribut (also konservativ oder progressiv) reduzieren werden kann?
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Es tuen sich hier meines Erachtens sehr viele wichtige Unsicherheiten auf. Ich persönlich versuche aus dem Grund sehr bewusst mit den zwei Begriffen umzugehen, in dem Sinne, dass ich sie nicht verwende, wenn ich mir nicht jeweils sicher bin, dass sie unter allen Gesichtspunkten wahr sind. Aus dem Grund nutze ich sie eher nur für einzelne spezifische politische Positionen. Oder ich benutze sie nicht als Attribut, sondern als eigenständige abstrakte Entität - und in dem Fall zählen dann praktisch alle konservativen Positionen zu der Entität, unabhängig davon, welche Partei diese nun besetzt.
Mein eigener Zugang ist nicht repräsentativ dafür, wie diese Begriffe im öffentlichen Diskurs verwendet werden. Ich fühle mich aber motiviert meinen Zugang öffentlich darzustellen und zu Diskutieren, da dies der einzig realistische Weg ist, um ein Fundament für ein konstruktiven öffentlichen Diskurs zu kultivieren. Ich betrachte es als Gegengewicht zu populistische Kräften, die bewusst bestehende Begriffe in ihrer Bedeutung entstellen.
Ich bin davon überzeugt, dass die unachtsame Anwendung von Begriffen den öffentlichen Diskurs untergräbt. Wenn Menschen mit unterschiedlichen politischen Positionen mangels klar definierter Begriffe die Möglichkeit genommen wird, einen konstruktiven Dialog zu führen, dann können diese nur noch mit Menschen mit der selben politischen Position kommunizieren und sich so gegenseitig bestärken. Eine sprachliche Echokammer entsteht.
Ich glaube für mich als Individuum ist die effizienteste Möglichkeit dieser Tendenz entgegen zu Wirken, indem ich meine Sprache reflektiere, achtsam nutze, offen für Kritik bin, und öffentlich darüber (ergebnisoffen) diskutiere. Dadurch versuche ich andere Menschen dazu zu verlocken, selbst über Begriffe zu reflektieren, und damit, sie dafür zu sensibilisieren.